„When you're in love with a married man, you shouldn't wear mascara.“
Regisseur Billy Wilder lieferte mit „Manche mögen´s heiß“ einen der provokantesten und fortschrittlichsten Filme der 50er ab. Die Komödie wurde zum Kultklassiker. Doch Wilder machte nicht halt. Seine Einbindung von schwierigen Themen, wie problematische Machtverhältnisse und toxische Männlichkeit, wurden auch in seinem nächsten Projekt imposant umgesetzt: „Das Apartment“. Das Drama entstand nur ein Jahr nach „Manche mögen´s heiß“ im Jahre 1960. Die konservativen Anforderungen an Hollywoodfilme durch den umstrittenen Hays-Code lösten sich langsam auf und Regisseure wie Wilder nutzten dies, um anspruchsvollere Werke zu realisieren. Und das Publikum war mehr als bereit für diese Filme: „Das Apartment“ war nicht nur finanziell ein Erfolg, sondern war für insgesamt elf Oscars nominiert, wovon der Film fünf gewann: Bester Schnitt, beste Art-Direction, bestes Drehbuch, beste Regie und sogar bester Film. Wilder gewann als erster alle drei großen Oscars und hatte sich mit dem Film (wieder) in der Geschichte von Hollywood verewigt.
Ein Werk wie „Das Apartment“ aus heutiger Sicht zu betrachten, ist natürlich ein ganz anderes Erlebnis als zur damaligen Zeit. Doch neben der aktuellen Thematik, ist der Film vor allem eins: Sehr fesselnd und immer noch sehr unterhaltsam. Und das nach über 65 (!) Jahren.
Die Geschichte spielt in New York City: Bud Baxter ist ein einfacher Arbeiter in einem großen Büro einer Versicherungsfirma. Eigentlich ist sein Leben vollkommen normal und unspektakulär. Doch Bud kann sich immer weiter nach oben arbeiten, weil er sein Apartment stetig an Mitarbeiter „ausleiht“. Denn die leben dort im Geheimen ihre Liebesaffären aus, sodass weder Frau noch Kind etwas davon mitbekommt. Bud muss dafür jedoch immer wieder auf sein Bett verzichten und übernachtet teilweise auf Parkbänken. Für ihn jedoch alles kein Problem, immerhin kann er dadurch besseres Geld verdienen und hat einen sicheren Job. Doch als sein Boss nach dem Wohnungsschlüssel fragt, um dort die liebevolle Fahrstuhlführerin Fran zu verführen, ändert sich etwas in Bud…
Dass ein Film der frühen 60er mit solchen Themen wie Ehebruch, Suizid und gefährlichen Machtstrukturen aufwartet, ist schon beachtlich. Wilder revolutionierte bereits mit „Manche mögen´s heiß“ die Sicht auf Trans-Menschen und andere Minderheiten. Mit „Das Apartment“ kritisierte er aber vor allem toxische Männlichkeit und das Ausnutzen von Macht. Dabei sehen wir vor allem zwei Menschen, die auf verschiedene Arten ausgenutzt werden. Da ist Fran, die sexuell und emotional vom Boss der Firma manipuliert wird. Bud hingegen wird auf andere Art ausgesaugt und muss sich und seine gesamte Existenz dem Unternehmen unterordnen. Er hat zwar einen gut bezahlten Job, doch er muss dafür seine Wohnung, seine Moral und sogar seine Seele verkaufen. Er ist Teil des fragwürdigen Systems, doch kann man ihm wirklich einen Vorwurf machen? Die Existenzangst betrifft die Kleinen und Schwachen und Bud und Fran sind sehr weit unten in der kapitalistischen Nahrungskette. Bud will einfach ein Dach über dem Kopf und Fran will jemanden, der sie liebt.
Dass der Film mit diesen Themen arbeitet, ist auch heute noch beachtlich, denn das Ganze ist auch 2025 noch mehr als aktuell. Damit ist „Das Apartment“ ein zeitloser Film, der durch seine universelle Aussage immer noch mitreißt und berührt. Doch was ich umso toller finde, ist die wunderbare Mischung aus Tragik und Comedy. Wilder baut immer wieder viel Humor ein, der nie aufgesetzt wirkt und immer perfekt in die Geschichte passt. Gerade die Figur des Bud ist trotz einiger schwerfälligen Ereignisse extrem positiv und hoffnungsvoll. Doch auch sein positiver Umgang mit Fran ist ein wundervolles Vorbild für Männer, nicht nur damals. Während die anderen männlichen Figuren Frauen als Gegenstände betrachten und ihre Ehepartnerinnen ohne zu Zögern betrügen, ist Bud sehr respektvoll, etwas neurotisch, aber immer hilfsbereit.
Ein großes Lob geht dabei auch an die tollen Dialoge, die frei von viel Kitsch sind. Das Drehbuch ist wirklich klasse und jede Szene treibt die Spannung weiter und weiter. Und auch die unzähligen Nebenfiguren sind sehr authentisch und teils sehr charmant, wie etwa der Nachbarsarzt.
Kommen wir zum großartigen Cast: Jack Lemmon konnte mit seinem komödiantischen Talent bereits in „Manche mögen´s heiß“ begeistern und hier kann er auch seine dramatischere Seite zeigen. Aber es ist vor allem seine positive Art, die ihn als Charakter so liebenswert macht, auch wenn er theoretisch wie gesagt Teil dieses widerlichen Systems ist. Shirley MacLaine ist ebenfalls klasse und begeistert als eine wundervoll selbstbewusste Frau in einem solchen Film! Sowohl Lemmon als auch MacLaine waren mit ihre Figuren ihrer Zeit voraus. Auch der restliche Cast begeistert bis in die kleinste Rolle!
Die tolle Kameraarbeit von Joseph LaShelle ist ebenfalls beeindruckend. Lange Takes machen viele Szenen deutlich intensiver und einige Shots in dem großen Büro erzeugen eine wundervoll, passende Melancholie und Einsamkeit. Und obendrauf gibt es einen tollen Score von John Reading und Adolph Deutsch, der hier leider eine seiner letzten Arbeiten ablieferte…
Fazit: „Das Apartment“ ist nicht umsonst ein Klassiker der Filmgeschichte geworden. Die Geschichte ist immer noch aktuell, die Story fesselnd und wunderbar optimistisch zugleich, die Darsteller*innen großartig und auch technisch begeistert das Werk. Ein Meisterwerk, das seinen Status mehr als verdient hat!