Was wurde uns da geboten? Nun es ist schwer zu sagen. Denn Tenet ist mit Abstand Nolans schwerfälligster Film, was aber nicht negativ sein muss. Eins vorweg: Nolan hat wieder mal geliefert. Schlechte Filme kann der Mann einfach nicht.
Visuell ist der Film ein Meilenstein der Filmkunst. Sound, Musik, Kamera, großartig. Die Story selbst ist recht simpel und der Bösewicht klassisch dem Agentenfilmklischee entsprechend russisch. Da hätte vielleicht sogar ein noch kreativerer Einfall kommen können. Dennoch muss man sich auch vor Augen halten, dass es eine Hommage an Agentenfilme á la James Bond ist. Insofern passt das auch wieder. Denn die Figur Sators ist dennoch spannend und ohnehin genial gespielt von Brannagh, mit diesem teuflischen Gesichtsausdruck. Hier dürfte auch mal eine Oscarnominierung winken. Und so simpel die Story an sich ist, so faszinierender ist die komplexe Umsetzung des Ganzen. Das so zu verpacken hat etwas.
Besonders gefallen haben mir die unterschwelligen gesellschaftskritischen Botschaften des Films. Man merkt das Nolan ein Philosoph und Poet des Kinos ist, was vielleicht auch nicht immer jedem gefällt. Ich mag den Stil.
Kritisch kann man mit Sicherheit die charakterliche Auszeichnung der Figuren sehen. Doch man muss hier auch die andere Perspektive betrachten. Elizebeth Debickis Figur ist der emotionale Part des Films, Emotion ist also da, auch bei den Figuren. Auch Kennath Brannaghs Part hat seine spannenden Facetten, wenngleich da noch etwas mehr möglich gewesen wäre. Blasser sind dagegen die Agenten, was die Schauspieler aber durch ihr Charisma wettmachen. Doch es passt auf der anderen Seite auch wieder, dass die Agenten unscheinbarer und geheimnisvoller bleiben. Dennoch hätte hier ein klein wenig mehr kommen dürfen. Doch diese Kritikpunkte wiegen für mich nur marginal. Denn Nolan sieht seine Figuren stets als Schachfiguren, die er dem Gesamtthema unterordnet. Dies sind hier eben die unterschwelligen gesellschaftskritischen Botschaften. Wären die Figuren zu markant, würden die Botschaften zu sehr überschattet und in den Hintergrund gedrängt. Aus dieser Sichtweise kann man das verstehen. Außerdem: Wieso müssen wir uns immer mit Figuren identifizieren? Wir müssen auch nicht alles überpsychologisieren. Charakterdramen gibt es zur Genüge. Da denken wir als Kinozuschauer auch manchmal zu linear. Was das angeht hält uns Nolan auch den Spiegel vor. Er durchbricht unsere linearen und festgefahrenen Denkmuster.
Beeindruckend sind die Bilder. Allein auf die Idee zu kommen, Szenen rückwärts zu drehen, das verdient schon Respekt. Nie dagewesene Bilder. Allgemein ist handwerklich wie meist das Meiste top. Göransson liefert ebenfalls tolle Arbeit ab, wenngleich mir so etwas die letzte Würze fehlt, die man sonst bei Hans Zimmer so hat.
Am ehesten beim Schnitt sehe ich Kritikpunkte. Insgesamt eine gelungene Arbeit. Denn gerade die vorwärts und rückwärts laufenden Szenen so ineinander zu schneiden, ist großartig. Doch die Szenenübergänge sind nicht immer gelungen. Das zieht sich durch den Film. Oft sehr radikale Übergänge. Was ich nicht grundsätzlich falsch finde, denn es ist auch Stilmittel des Films, um die Zuschauer zu hetzen ihnen keinen Moment Ruhe zu gönnen. Hier und da wären aber sanftere Übergänge gut gewesen.
Der Films ist in der Inszenierung komplex und durchaus verkopft wie schon andere schreiben. Doch das Verkopfte ist für mich kein wirklicher, und wenn nur ganz kleiner Kritikpunkt. Nolan ist ein Regisseur, der mutig ist, der konsequent seinen Stil durchzieht, und der sich traut, unbequeme Dinge zu zeigen. Diesen Mut braucht das Kino, ob man den Stil mag oder nicht. Aufgrund der inszenatorischen Genialität des Films sollte hier mal Nolans Regieoscar fällig werden.
Er traut sich was, ist was seinen Stil angeht konsequent. Dadurch erhöht er natürlich auch die Fallhöhe. Doch wenn der Schwierigkeitsgrad höher ist, dürfen auch eher mal Fehler passieren. Insgesamt ist der Film dennoch sehr durchdacht, auch wenn es womöglich auch mal Widersprüche gibt.
Es ist toll, das Tenet in die Kinos kam, und damit auch in den sauren Apfel gebissen wird, weniger Geld einzuspielen. Manche Filme müssen vorangehen. Und Tenet trifft auch durch seine Gesellschaftsbezüge den Zeitgeist, der kollektiven Angst vor etwas, das man nicht sehen kann. Er kam genau zur richtigen Zeit in die Kinos. In Nolans Filmografie nimmt er bei mir zwar nicht ganz vorne Platz, aber dennoch im vorderen Feld. Aufgrund etwas fehlender emotionaler Ausmalung, sehe ich ihn hinter meinen Lieblingsfilmen Prestige, Interstellar sowie Inception und ist daher zwar kein reines Meisterwerk, aber in jedem Fall ein Meilenstein der Filmkunst.