Der Zeuge
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Hp_haefele
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1,0
Veröffentlicht am 20. Juli 2024
Schenkt man der charakterisierenden Bewerbung des Films Glauben, so handelt es sich hier um einen ,,Gerichts- Film“. Dieses Genre hat eine Fülle von filmhistorischen Vorläufern, wovon der wohl bekannteste unter diesen der unter dem Titel ,,Das Nürnberger Urteil“ von 1961 von Stanley Kramer mit prominentem Staraufgebot sein dürfte. Seine Substanz schöpft der Film ,,Der Zeuge“ aus einer dramaturgischen Bearbeitung und Inszenierung von transkribierten Tonbandaufzeichungen des KZ- Häftlings Carl Schrade, welcher mehrere Lager, u.a. Flössenburg und Buchenwald, überlebt hat. Regisseur Lade ist selbst in die Rolle des Carl Schrade geschlüpft und hat seinen Film atmosphärisch als Kammerspiel konzipiert, in welchem die verschiedenen Gestapo- Verantwortlichen und SS- Lagerkommandanten mit den Aussagen und Schilderungen des barbarischen Lager- Alltages durch Carl Schrade konfrontiert werden. Den Vorsitz in diesem Prozess nehmen 3 US- Militärrichter ein. Das weitere Personal setzt sich aus zwei Dolmetscherinnen sowie einem Verteidiger der Angeklagten zusammen. Die Ausführungen des Zeugen erfolgen auf Englisch. Schon nach wenigen Minuten im Film beschleicht einem das unangenehme Gefühl, dass es hier keineswegs um die Darstellung und filmische Rekonstruktion rechtshistorischer Sachverhalte geht, sondern eher um eine sentimental- melodramatische Klamotte, welche sich am überlieferten Fundus des Menschheitsverbrechens der KZ- Lagerwelt lediglich bedient. Wozu dient eigentlich eine künstliche, tränendrüsige Sentimentalisierung des barbarischen Geschehens, großformatig abzulesen als emotionale Erschütterung in der Mimik der Dolmetscherin, welche als kontrastierende Ressonanz zu den emotionslosen Schilderungen des Protagonisten Schrade/ Lade, herhalten muß ? Der Zeuge als überlebendes Opfer mutiert so durch seine Schilderungen der erlittenen Folter unversehens zum Täter an ,,seiner“ Übersetzerin in einer klassischen, Double- Bind Konstellation. Fast flehentlich, bisweilen mit einem mimischen Gestus der Empörung, vernimmt diese die Worte von Schrade bis an die Grenze des ihr erträglichen. Mitgefühl für diese Frau mag sich ob des expressiv übersteigerten Spiels dieser Schauspielerin bei den Zuschauenden wohl nicht einstellen. Das gesamte Szenario ist dramaturgisch gänzlich überbelichtet, die jeweiligen Reaktionen korrespondieren phasenweise kaum mehr mit dem sprachlich zum Ausdruck gebrachten, kennt keinen Spannungsbogen mehr und gipfelt endlich im emotionalen Zusammenbruch der überforderten Dolmetscherin. Händchenhaltend obliegt es nun der Co- Dolmetscherin an ihrer Seite, dieses Joch und somit der fortgesetzten Tortur, nunmehr auf ihre Schultern zu nehmen. Während sich die jeweils von Schrade in ihrem sadistisch- unmenschlichen Handeln anhand von Nummern identifizierten KZ- Schergen, wohlgemerkt unaufgefordert, von ihren Plätzen erheben, glotzen und lauschen die drei US- Militärrichter sichtlich betreten, fast hilflos und angewidert bezüglich des gehörten, jedoch konsequent schweigend zu dem Geschehen in diesem improvisierten ,,Gerichtssaal“. Ein dramaturgischer Kunstgriff des Regisseurs? In einem Strafprozess obliegt es dem vorsitzenden Richter sowie dem Staatsanwalt einschließlich der Verteidiger der Angeklagten den Verlauf des Verfahrens analog der Strafprozessordnung in seinen Abläufen zu gestalten und zu regulieren. Nicht jedoch hier in diesem Film. Die rechtsprechende Instanz wurde hier zum Schweigen verurteilt. Im letzten Drittel des Films wird der überlebende ,,Zeuge“ des profitorientierten Lager-System im Sinne des Prinzips der ,,Vernichtung durch Arbeit“ als sogenannter ,,Grüner Kapo“ geoutet wird. Diese Lagerinsassen hatten bekanntlich als Funktionshäftlinge z.B. als Hilfskräfte in der Küche, einen privilegierten Zugang zu Nahrungsmitteln und somit bessere Überlebenschancen als ihre Mithäftlinge. Als weisungsbefugte, integrale Bestandteile des Lagersystems hielten diese unfreiwillig dessen Fortbestehen aufrecht. Wie anders hätte Carl Schrade auch überleben können? Die moralische Integrität des Opfers als Zeuge wird im Film zusätzlich erschüttert, als dieser vom Militär- Ankläger als ein Recht dubioser Zeitgenosse geoutet wird, habe sich dieser vor seiner Inhaftierung, in seinem Brotberuf als selbständiger Händler von Industrie- Diamanten, in Sachen Lauterkeit und kaufmännischer Seriosität, doch nachweislich einiges zu Schulde kommen lassen. Handelt es sich beim Ex- Häftling Schrade also nicht nur um ein Opfer sondern durchgehend auch um einen Täter ? Allzu offensichtlich wird der Zuschauer im Film mit seiner Nase auf einen sattsam bekannten Umstand und ein moralisches Problem hingewiesen. Als ob all diese moralischen Dilemmata und ethischen Grenzbereiche des Be- und zu Verurteilenden in Kontexten existenzieller Notlagen, diskursiv nicht bis zum Erbrechen durchgekaut worden wären. Für Lade präsentieren sich diese in der Lebenspraxis kaum lösbaren Problemlagen offensichtlich als Neuland. Aber was möchte nun dieser Film und warum greift Lade dieses Thema gerade jetzt auf, ein Thema, welches ihn nach eigenen Bekundungen ,,schon seit je her interessiert habe“, insbesondere nach seiner Lektüre des Romans ,,Nackt unter Wölfen“ sowie dem häufigen Hören des Liedes von den ,,Moorsoldaten“, eindringlich musikalisch Interpretiert von Ernst Busch? Man kann da nur spekulieren. Zusätzlich angespornt worden, diesen Film zu drehen, so Lade in einem Interview, sei er bei einem Gang durch das UFA- Gelände, wo er zu seiner Überraschung eine Vorankündigung eines Re- Make des DDR- Filmklassikers ,,Nackt unter Wölfen“ erblickt habe, wodurch er sich seiner ,,ursprünglichen Film- Idee beraubt“ gefühlt habe. Sollte der hier thematisierte Film etwa seine Geburt aus einer erfahrenen Kränkung und einer diese abwehrende Trotzreaktion verdanken? Raum für Interpretationen gibt es alle mal. Die bruchlose, all zu große Beredtheit des Zeugen Schrade, dargestellt vom Regisseur Lade selbst, fungiert als Kontrapunkt zum Schweigen der Richterschaft als Anklägerin der NS- Verbrecher. Die vermeintliche Täterschaft Schrades als ,,grüner Kapo“ wirkt als Fingerzeig in Richtung der US- amerikanischen Siegermacht, welche sich im Verlauf des Filmes offensichtlich expressiv unwohl fühlen soll in ihrer Rolle als richtende Instanz. Vielleicht hat es ihnen die Sprache verschlagen angesichts der Ambivalenzen einer vermeintlich in Schieflage geratenen, eindeutigen, trennscharfen Unterscheidung von Opfern und Tätern. Sollten diesen Richtern der moralische Kompass der Bewertung abhanden gekommen sein? Regisseur Lade spielt offensichtlich mit den im politisch rechten Spektrum gängigen, anti- amerikanischen, geschichtsrevisionistischen Narrativen einer jeweils auf- und verrechnenden Schuld- Parallelität von Nazi- Deutschland und den Siegermächten. Das dem Publikum von ihm im Film angebotene und in der Figur von Carl Schrader personifizierte und aufgeworfene moralische Dilemma eines Opfers und Täters in Personalunion wirkt indes wenig glaubwürdig. Mit den schweigenden US- Richtern sitzen symbolisch und stellvertretend die befehligendem Verantwortlichen der Bomber- Angriffe auf deutsche Städte mit all den Verheerungen nunmehr auf der Ankläger- Bank, obwohl diese, so der einschlägige Diskurs, unübersehbar selbst schwere Schuld auf sich geladen hätten. Lade‘s beiläufige Bemerkung im Rahmen des Interviews, dass sein Freund und Kollege aus verschiedenen ,,Tatort“- Episoden, der mittlerweile verstorbene Peter Sodann, besonders ,,sensibel sei, wenn etwas nach rechts(!) gehe“, sich dieser bei ihm nach dem gemeinsam gesehen Film einfach ,,nur bedankt“ habe, wirkt als Wink mit dem Zaunpfahl einfach nur befremdlich. Nach Aussagen von Lade ist sein Film ,,aus dem Freundeskreis heraus“ entstanden und wurde als Low- Budget- Film in nur 12 Tagen ,,herunter gedreht“. Wohlwollend unterstellt, dass der Schauspieler/ Regisseur Bernd Michael Lade mit seiner vordergründig motivierten Film- Idee keine rechten ,,Schuld- Kult“ Obsessionen bedienen wollte, so hat er sich mit der Wahl seines Stoffes gänzlich übernommen. Im Prozess seiner nationalen ,,Aufarbeitung“ und kulturindustriellen Popularisierung hat der Symbolbegriff ,,Auschwitz“ längst seinen Schrecken eingebüßt. Als filmisches Füllhorn im historisierten, pseudo- sachlichen Gewand eines Strafprozesses, angerührt mit Gefühlstheatralik, eignet sich das Thema Auschwitz nicht, sondern bewirkt in seiner Penetranz lediglich Peinlichkeit.
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