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Kinobengel
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3,5
Veröffentlicht am 8. Juli 2025
HOMMAGE AN DEN LEBENSABEND
Valérie (Ludivine Sagnier) isst die von ihrer alleinlebenden Mutter Michelle (Hélène Vincent) zubereiteten Pilze und zeigt kurz darauf schwere Vergiftungserscheinungen, die sie durchsteht. Der schon zuvor schief hängende Familienfrieden ist nun endgültig zerstört, Valérie entzieht Michelle den geliebten Enkel Lucas (Garlan Erlos). Die niedergeschlagene Großmutter erhält jedoch ungeahnt Hilfe eines soeben aus dem Gefängnis entlassenen Straftäters (Pierre Lottin).
Ich habe „Wenn der Herbst naht“ auf dem Münchner Filmfest 2025 gesehen.
Zu François Ozon muss kaum noch etwas gesagt werden. Er hat die Kinowelt bereichert, indem er als Regisseur und Drehbuchautor seine Handschrift in beachtenswerter Weise verschiedenen Genres hinzugefügt hat (vgl. Kritik zu „Mein fabelhaftes Verbrechen“, 2023). Seine Plots sind ideenreich, wirken nie wie von der Stange. Einige der vielen von ihm gedrehten Spielfilme sind richtige Hits geworden, grottige Gurken sucht man vergebens. Oft lässt Ozon kriminelle Energie fließen. Wie viel davon steckt in Michelle?
Der französische Filmemacher öffnet den Hergang gesetzeswidriger Handlungen sowie den Charakter der Rentnerin gegenüber dem Publikum, das nun viel mehr im Bilde ist als die inzwischen hinzugezogene Polizei. Der Nachteil, dass in der Story nicht mehr viel zu entdecken ist, wird durch das Vergnügen um das wiederholte erfolglose Anrennen der Ermittlungsbehörde getoppt. Zudem bleibt stets ein bisschen Thrill.
Ozon wäre nicht Ozon, wenn er im Saal die Sympathie für die vielen bösen Figuren nicht geschickt steuern könnte. Der smart untergehobene, unaufdringliche Humor betont Michelles Altersgleichgültigkeit genauso wie ihre Erfahrung und Schwächen.
„Wenn der Herbst naht“ ist eine genüssliche, fein ausbalancierte Krimi-Dramödie.
François Ozon gehört zu den Regisseuren, deren Filme ich eigentlich immer mit großer Vorfreude sehe. Doch auch Genies patzen manchmal – und mit Wenn der Herbst naht ist ihm leider ein solcher Fehlgriff passiert. Zweifellos: Der Film bietet schöne Bilder, sorgfältig komponiert, getragen von einer starken Besetzung. Die Schauspielerinnen und Schauspieler leisten solide Arbeit, ohne Frage. Aber all das kann nicht darüber hinwegtäuschen, dass das Werk bemüht, fast krampfhaft tiefgründig wirken möchte und dabei doch erschreckend an der Oberfläche bleibt. Statt echter emotionaler Tiefe gibt es wiederkehrende Bilder – allen voran die Protagonistin, die in die Ferne starrt – als sei das reine Geste schon ein Versprechen auf Sinn. Doch es berührt nicht, zumindest mich nicht. Was besonders schmerzt: Dem Film fehlt jeglicher Rhythmus. Szenen fließen zäh, ohne klare Linie, als ob Ozon selbst nicht wüsste, welches Ziel er verfolgt. Bleibt am Ende wirklich nur die Botschaft, dass Mütter ihre Söhne lieben, Söhne ihre Mütter – und das Verhältnis zwischen Müttern und Töchtern per se schwierig bleibt? Eine Erkenntnis, die weder neu noch originell ist. Als ob das nicht genug wäre, wird das Ganze mit überzogenen symbolischen Bildern überladen. Wenn schließlich die tote Tochter aus dem Jenseits auftaucht, die Mutter zu sich holt und damit womöglich Vergebung oder Versöhnung angedeutet werden soll, kippt das Ganze vollends ins unfreiwillig Komische. Dieses bedeutungsschwangere Finale lässt einen konsterniert im Kinosessel zurück – und vor allem enttäuscht. Am Ende bleibt das Gefühl einer verpassten Chance und ärgerlich verschwendeter Kinozeit.