1995 wurde das Medium Film 100 Jahre alt und Thomas Vinterberg und Lars von Trier stellten medienwirksam ihren Vorschlag zur Erneuerung des Kinos vor: Das inzwischen schon legendäre DOGMA-95-Manifest. Ziel dieses war es, das Kino weg von Künstlichkeit und Effekthascherei und hin zu mehr Authentizität zu bewegen.
Um die Kriterien zu erfüllen, durfte ein Film beispielsweise nicht mit Filmmusik unterlegt werden – Musik durfte nur als Handlungselement vorkommen. Es durfte nur an Originalschauplätzen, ohne künstliche Beleuchtung, Spezialeffekte oder Filter gedreht werden.
Genre, Mord und Waffen waren Tabu, ebenso wie die Handlung im Hier und Jetzt spielen musste. Zudem durfte der Regisseur im Vor- oder Abspann nicht genannt werden im Sinne des Kollektivs. Drei Jahre später stellten Vinterberg und von Trier ihre ersten, nach DOGMA-Prinzipien gedrehten Filme vor: Mit „Das Fest” und „Idioten” waren den beiden denkwürdige wie auch gleichermaßen provokante Werke gelungen, die auch heute noch absolut sehenswert sind.
Vinterbergs weltweit gefeierter „Das Fest” könnt ihr am heutigen Montagabend um 20.15 Uhr auf One anschauen. Alternativ bekommt ihr den Film im ARTHAUS+-Channel-Abos von Prime Video. Hier ist das Probeabo sieben Tage kostenlos, danach geht es weiter für 3,99 Euro im Monat.
Wenn die Familienfeier zum Albtraum wird
Viele kennen den schmalen Grat, der bei Familienfeiern die Grenze zwischen Ausgelassenheit und Streitigkeiten markiert. Manchmal reicht ein Wort zu viel und die Stimmung kippt. In „Das Fest” lässt Thomas Vinterberg eine Familienfeier so richtig eskalieren: Helge (Henning Moritzen), Hotelier und Familienoberhaupt, wird 60. Um das zu feiern, reist die gesamte Familie in ein abgelegenes Landhotel an.
Uneingeladen erscheint sein Sohn Michael (Thomas Bo Larsen), der cholerisch veranlagt zu sein scheint und permanent mit seiner Frau Mette (Helle Doleris) streitet. Seine Tochter Helene (Paprika Steen) bringt ihren schwarzen Freund Gbatokai mit – und die gesamte Gesellschaft stimmt in ein rassistisch motiviertes Lied ein. Als wäre die Ausgangslage nicht schon explosiv genug, erhebt Helges anderer Sohn Christian (Ulrich Thomsen) sein Glas zum Toast und damit auch schwere Vorwürfe gegen seinen Vater.
Schonungslos und hautnah
Allein schon der Thematik wegen ist „Das Fest” ein Film, der nahe geht. Seine rohe Machart, der Verzicht auf Schnickschnack, die verwackelte Handkamera tun ihr Übriges und tragen meiner Meinung nach konsequent zur Unmittelbarkeit bei.
Mit wenigen Mitteln wird hier aufgedeckt, was unter der Oberfläche einer vermeintlich perfekten Familie brodelt: Hinter der Fassade des Familienglücks verstecken sich Konflikte, Unausgesprochenes und nicht zuletzt Missbrauch. Das Gutbürgerliche findet sich dekonstruiert auf dem Boden der Tatsachen, eine Familie in ihren Grundzügen zerstört. In Splittern liegt alsbald das, was in Wahrheit niemals heile war.
Mit „Festen”, wie der Film im dänischen Original heißt, setzte Vinterberg ein Zeichen gegen Hollywood, gegen den Mainstream, gegen die heile Welt, die uns in Filmen so oft vorgespielt wird. Gegen die Heuchelei und auch gegen das soziale Konstrukt der Familie und dem damit verbundenen Bild von Perfektion. Das ist schonungslos, ehrlich und für immer aktuell. Für mich ist der Film ein Meisterwerk, das weh tut, aber unbedingt gesehen werden muss, nach wie vor.
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