Wie kommt man auf die Idee zu einer der besten Serien der Gegenwart? Das "Severance"-Mastermind im FILMSTARTS-Interview!
Markus Trutt
Markus Trutt
-Redakteur
Vom Spurenverwischen mit Dexter bis zu Weltraum-Abenteuern mit Picard. Markus hat ein Herz für Serien aller Art – und schüttet es gern in Artikeln aus.

Schillernde Lobeshymnen, ein begeistertes Publikum und allerlei Preise. Der Büro-Sci-Fi-Thriller „Severance“ gehört zweifellos zu DEN Ausnahmetiteln der aktuellen Serienlandschaft. Wir haben mit dem Mann gesprochen, der sich das alles ausgedacht hat.

Dan Erickson ist quasi über Nacht zu einem der größten Shooting-Stars unter den Serien-Autoren avanciert. Längere Zeit selbst in einem wenig erfüllenden Büro-Job tätig, landete sein Pilot-Drehbuch zu „Severance“ 2017 schließlich auf dem Schreibtisch von Ben Stiller. Und der war so begeistert von der Geschichte rund um die Aufspaltung des menschlichen Bewusstseins in eine private Persönlichkeit und ein Arbeitsplatz-Ich, dass er nicht nur als Produzent an Bord kam, sondern die Serie letztlich auch größtenteils selbst inszenierte.

Bis zum Release war es damals zwar noch ein weiter Weg, doch als die erste „Severance“-Staffel 2022 schließlich bei Apple TV+ erschien, war die Begeisterung riesig. Satte 97 Prozent bei Rotten Tomatoes, eine Platzierung unter den 100 besten Serien aller Zeiten bei der IMDb sowie die Aufnahme in zahlreiche Jahresbestenlisten (so etwa auch bei FILMSTARTS und Moviepilot) sprechen eine eindeutige Sprache.

Fast drei Jahre später ist nun endlich Staffel 2 von „Severance“ gestartet, was wir gerne zum Anlass genommen haben, um mit Dan Erickson unter anderem über die Entstehung seiner Ausnahmeserie, deren Zukunft und verrückte Kamerafahrten durch Büroflure zu sprechen. Nur von einem mutmaßlichen Keanu-Reeves-Cameo weiß er angeblich nichts...

Vom Bürojob zur Büroserie

FILMSTARTS: Wenn du dich selbst der „Severance“-Prozedur unterziehen würdest, welchen Teil deines Jobs könntest du dir vorstellen, rund um die Uhr zu machen, ohne die Möglichkeit abzuhauen? Oder beschreibt das einfach nur die typische Arbeit an so einer Serie?

Dan Erickson: Wir arbeiten auf jeden Fall viele lange Stunden. Jedes Mal, wenn man an einer Serie werkelt, gehört das dazu. Es gibt Zeiten, in denen man bis spät in die Nacht dort ist, und sich fühlt, als wäre man wirklich „abgetrennt“. Aber es ist der erste Job, den ich je hatte, bei dem ich nicht wirklich den Impuls habe, mich abtrennen zu wollen. Denn letztlich tue ich genau das, was ich aus Spaß sowieso tun würde, wenn ich könnte. Es wäre allerdings schwer, die Serie „Severance“ zu schreiben, während ich abgetrennt bin, weil diese Version von mir nur das Innere eines Autorenraums kennen würde. Das wäre etwas einschränkend.

FILMSTARTS: Das führt mich im Grunde direkt zur nächsten Frage: Wie bist du überhaupt auf die verrückte Idee zu „Severance“ gekommen?

Dan Erickson: Ich arbeitete in einem Büro-Job in Los Angeles, bei einer Türfabrik. Es war ein nettes Unternehmen mit netten Leuten, aber es war nicht das, was ich machen wollte. Wie viele andere auch dachte ich eines Tages auf dem Weg zur Arbeit: „Mann, ich wünschte, ich könnte einfach vorspulen und nach Hause gehen.“ Dann wurde mir klar, dass das ein seltsamer Wunsch ist, weil wir alle danach streben sollten, mehr Stunden unseres Tages zu erleben – diese kostbare Zeit, von der wir so wenig haben. Das war irgendwie ein trauriger Gedanke. Und dennoch glaube ich, dass jeder diesen Gedanken irgendwann hat. Daraus ist alles entstanden. Ich habe den Rest des Tages nichts gearbeitet und stattdessen Ideen für diese Serie aufgeschrieben. Ich habe natürlich Ärger bekommen, aber das war es wert.

Die Angestellten in „Severance“ haben alles andere als einen gewöhnlichen Bürojob. Apple TV+
Die Angestellten in „Severance“ haben alles andere als einen gewöhnlichen Bürojob.

FILMSTARTS: Das unterschreibe ich. Aber wie kurz davor war die Serie zwischendurch, womöglich zu scheitern? Von der Idee über das Schreiben bis zur tatsächlichen Produktion ist es ja ein langer Weg...

Dan Erickson: Ich war mir in jeder Phase sicher, dass etwas passieren und alles auseinanderfallen würde. Ich hatte noch nie zuvor fürs Fernsehen gearbeitet. Ich hatte dafür studiert und jahrelang versucht, in die Branche einzusteigen, aber ich war noch nie in einem Autorenraum tätig. Es fühlte sich immer zu gut an, um wahr zu sein – wie ein großer Scherz. Selbst jetzt, während ich hier sitze, habe ich manchmal dieses Gefühl. Und dann gab es diesen Moment, als wir die Drehbuchlesung für Staffel 1 hatten. Wir hatten endlich alle Schauspieler zusammen … und dann kam Covid. Das war ein weiterer Moment, an dem ich dachte, das Universum will nicht, dass diese Show gemacht wird. Aber dank der Beharrlichkeit und Entschlossenheit vieler Leute hat es irgendwie geklappt.

Keanu Reeves in "Severance" Staffel 2?

FILMSTARTS: Aber lass uns etwas mehr auf die zweite Staffel zu sprechen kommen? Ich glaube, in dem animierten Instruktionsvideo in Folge 1 Keanu Reeves als Stimme des Firmengebäudes ausgemacht zu haben. Hat er tatsächlich einen Cameo?

Dan Erickson: Da fragst du den Falschen. Ich habe keine Ahnung. Ich glaube, das ist die echte Stimme des Gebäudes. So klingt es einfach. (grinst)

FILMSTARTS: Es hat auf jeden Fall eine großartige Stimme. Aber springen wir noch ein Stück weiter zurück. Wie habt ihr diese wilde Anfangsszene gedreht, die zumindest den Anschein macht, als sei sie ohne Schnitt gefilmt wurden?

Dan Erickson: Die ist der Tatsache zu verdanken, dass Ben Stiller einer der ehrgeizigsten Filmemacher überhaupt ist. Er wollte diese Szene auf die visuell interessanteste Weise umsetzen. Und das Verrückte daran ist, dass man denkt, es kann nicht real sein, weil die Kamera sich so schnell und auf diese unmöglich scheinende Art und Weise durch die Gänge bewegt. Aber vieles davon war tatsächlich echt. Wir hatten einen Mechanismus, der die Kamera um Adam Scotts Kopf rotieren ließ, und mussten das so choreografieren, dass sie ihn nicht umstößt. Wir haben es immer wieder geprobt, bis alles perfekt war. Ich hatte keine Ahnung, wie es aussehen würde, bis ich das Ergebnis sah und plötzlich erkannte, was Ben die ganze Zeit schon gesehen hatte. Es sieht für mich noch immer wie ein Wunder aus.

Einen kleinen Eindruck von der besagten Szene bekommt ihr zu Beginn des folgenden Trailers:

FILMSTARTS: Wie wichtig ist es, bei einer Serie voller Mysterien von Anfang an einen Masterplan zu haben, wohin sich die Geschichte und die Figuren entwickeln? Es gibt ja einige Mystery-Serien, bei denen das offensichtlich nicht der Fall war...

Dan Erickson: Es ist wichtig und wir haben einen. In der ursprünglichen Pilotfolge, die ich geschrieben habe, gab es viele Elemente, die einfach nur seltsam waren, und ich hatte keine Antworten dafür. Aber Ben bestand darauf, dass wir alles für uns selbst detailliert ausarbeiten, damit wir keine Sackgassen schaffen und alles logisch bleibt. Es war schwierig, diese Welt aufzubauen, aber sobald sie da war, konnten wir uns kreativ und frei darin austoben.

FILMSTARTS: Wie viele Staffeln hast du insgesamt geplant? Vor drei Jahren hast du gesagt, dass die Geschichte flexibel genug ist, um bis zu sechs Staffeln zu machen. Ist das immer noch der Plan?

Dan Erickson: Wir haben da schon eine Idee, aber ich möchte nicht zu viel verraten. Doch ehrlich gesagt, wäre ich glücklich, das für den Rest meines Lebens zu machen.

Die erste Folge der zweiten Staffel „Severance“ ist am 17. Januar 2025 bei Apple TV+ erschienen. Die weiteren Folgen erscheinen wöchentlich immer freitags.

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