So verwebt Tony Gilroy reale Geschichte mit dem "Star Wars"-Universum: Der "Andor"-Macher erklärt es uns!
Björn Becher
Björn Becher
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Seit mehr als 20 Jahren schreibt Björn Becher über Filme und Serien. Hier bei FILMSTARTS.de kümmert er sich um "Star Wars" - aber auch um alles, was gerade im Kino auf der großen Leinwand läuft.

„Star Wars“ war schon immer politisch, „Andor“ hat das noch einmal verstärkt. Im Interview gemeinsam mit seinem Hauptdarsteller Stellan Skarsgård verrät uns Serienmacher Tony Gilroy so unter anderem seine realen Vorbilder für die zweite Staffel.

Eigentlich plante Tony Gilroy fünf Staffeln „Andor“. Doch schon während der Arbeit an der ersten Season wurde ihm klar, dass ein solches Projekt nicht nur weit über ein Jahrzehnt beanspruchen würde, sondern sich nicht wirklich umsetzen lässt. In der am 25. April 2025 auf Disney+ startenden zweiten Staffel erzählt er so nun extrem verdichtet eine Handlung, die sich eigentlich über vier Seasons erstrecken sollte.

Wie schwer es war, das zu verdichten und dem Publikum Zeitsprünge und Auslassungen zuzumuten, war natürlich eine unserer Fragen, als wir die Gelegenheit hatten, den Chefautor gemeinsam mit Schauspieler Stellan Skarsgård zu sprechen. Das Duo erklärte uns zudem noch unter anderem, warum es so wichtig ist, dass „Andor“ eine Kollaboration ist, und welche realen Ereignisse als Vorbild für die Serie dienten.

Der "Star Wars"-Kanon als Leuchtturm, der beim Navigieren hilft

FILMSTARTS: Die zweite Staffel „Andor“ enthält zahlreiche legendäre Kanon-Elemente. Es war klar, dass es einige bereits festgelegte Ereignisse gibt, die ihr zeigen müsst. War es dadurch schwieriger, eine eigene Vision zu entwickeln, als bei der ersten Season, wo es ja fast völlige Freiheit gab?

Tony Gilroy: Glaub mir, es gab noch genug Freiraum und sehr viel Zeit zu füllen. Und es ist im Gegenteil sogar leichter. Diese Kanon-Ereignisse sind wie Leuchttürme, die beim Navigieren helfen. Die daraus resultierenden Begrenzungen waren durchaus hilfreich, damit alles nicht zu sehr zerfasert.

Dass Mon Mothma einen bestimmten Auftritt im Senat hinlegt, ist ein Kanon-Ereignis, welches Disney und seine verbundenenen Unternehmen
Dass Mon Mothma einen bestimmten Auftritt im Senat hinlegt, ist ein Kanon-Ereignis, welches "Andor" nicht auslassen kann.

FILMSTARTS: Zu Luthen Rael gibt es diese Leuchttürme nicht. Er existiert nur in „Andor.“ Gibt das mehr Freiheit, die Figur zu gestalten?

Stellan Skarsgård: Ja, das tut es. Allerdings arbeite ich trotzdem gern mit Begrenzungen. Ich stelle mir bei allen meinen Figuren in allen meinen Filmen zu Beginn einen Rahmen vor. Den habe ich dann, innerhalb des Rahmens kann ich alles machen, aber außerhalb zerstöre ich den Film.

"Es wäre heuchlerisch, eine Serie über Gemeinschaft zu machen und selbst keine zu leben!"

FILMSTARTS: „Andor“ wirkt extrem kollaborativ. Du gibst viel Kontrolle ab, an andere Autoren, an Regisseure. Wie wichtig war Zusammenarbeit?

Tony Gilroy: Das ist absolut entscheidend, sollte aber eigentlich selbstverständlich sein. Selbst der kleinste Film ist eine Kollaboration. Aber natürlich, als die Kameras liefen, haben hier 2.500 Leute daran gearbeitet. Und jede Person musste in diese Zusammenarbeit investieren – anders hätte ich es nicht gewollt. Alle ziehen gemeinsam an einem Strang. Mein Prinzip war daher, dass sich jeder hier wie ein Filmemacher fühlen sollte. Das ist so wichtig! Ich könnte allein diese Frage schon eine Stunde lang beantworten.

Daher nur so viel: Ich war schon an anderen Serien und Dingen beteiligt, wo es anders lief. Aber das wäre hier nicht gegangen. Es wäre schließlich heuchlerisch, eine Serie über Gemeinschaft zu machen und selbst keine zu leben.

Disney und seine verbundenen Unternehmen
"Andor" hat wieder einen beeindruckenden Cast.

FILMSTARTS: Gilt das auch vor der Kamera? Ich hatte zumindest selten bei so einem imposanten Ensemble den Eindruck, dass niemand sich in den Vordergrund spielen und zwanghaft die anderen überragen will ...

Stellan Skarsgård: Ja, doch für mich ist das die Definition von guten Schauspieler*innen. Gute Schauspieler*innen wollen nicht selbst strahlen, sondern die Szene zum Leuchten bringen. Es ist ein Vergnügen, mit anderen auf diesem Niveau zu spielen, weil man nicht weiß, wohin es geht. Du kommst mit einer Idee daher, triffst dann die andere Person, die vielleicht eine komplett andere Vorstellung von der Szene hat. Und dann musst du es gemeinsam spielen und zusammen den Weg finden, dass er elektrisierend wird. Das ist ein großartiger Job.

"Janus war wirklich eine Glückswahl!"

FILMSTARTS: Ich möchte eigentlich deswegen niemand aus diesem imposanten Team herausstellen, doch ich muss nach einer Personalie fragen. Janus Metz hat den Block mit der sehr wichtigen achten Episode inszeniert. Bei der fühlt man sich unglaublich mittendrin in der Action, dem Chaos. Hast du ihn bewusst dafür ausgewählt, weil er vom Dokumentarfilm kommt und uns mit seinem dokumentarischen Stil noch mehr ins Geschehen holt?

Tony Gilroy: Oh, das ist eine gute Frage. Ich sage dir: Regie-Besetzungen im Serienbereich sind unglaublich schwer. Das ist eine viel größere Herausforderung als ich gedacht habe, weil es auch sehr wettbewerbsintensiv ist und jeder hinter denselben Namen her ist.

Ich habe Janus vor allem wegen seiner Arbeit an der Serie „ZeroZeroZero“ geholt. Das waren auch sehr harte Folgen, sehr ergreifend … und ja, du hast recht. Auch die hatten einen dokumentarischen Stil, den ich passend fand. Stellan kannte ihn auch schon, er hat mit ihm „Borg vs. McEnroe“ gedreht.

Aber am Ende weißt du nie. Du entscheidest dann, welchen Regisseur du welchem Block zuteilst und hoffst, dass du die richtige Entscheidung trifft. Janus war wirklich eine Glückswahl.

Tony Gilroy und Stellan Skarsgård im FILMSTARTS-Interview zu Webedia GmbH
Tony Gilroy und Stellan Skarsgård im FILMSTARTS-Interview zu "Andor"

FILMSTARTS: Ihr arbeitet jetzt sehr viel mit Zeitsprüngen, nachdem ihr entschieden habt, aus vier ursprünglich geplanten Staffeln eine einzige zu machen. Durch diese entstehen große Lücken. Wie groß waren die Diskussionen, was ihr dem Publikum zutrauen könnt, sich selbst zusammenzureimen. und wie viel ihr doch zeigen oder erklären müsst? Und wie viel musstest du dem Cast erklären?

Tony Gilroy: Es war eine Herausforderung – aber eine viel größere, bevor wir es dann wirklich in Angriff genommen haben. Als ich die Idee hatte, habe ich erst einmal zu jedem Block den Anfang und das Ende geschrieben. Das hat mir und allen Entscheider*innen geholfen zu zeigen, dass das Konzept funktioniert.

Und sonst: Es gab ein paar besondere Umstände, bei denen einzelne Schauspieler*innen wissen mussten, was passiert ist, um die neue Szene richtig spielen zu können. Meistens reichen Andeutungen – gerade für das Publikum. Wenn man ehrlich bleibt, schließen Zuschauer*innen die Lücken mit ihren eigenen besten Versionen.

Folgen "Andor"-Bücher? Lucasfilm braucht Gilroys Erlaubnis nicht!

FILMSTARTS: Hast du Lucasfilm schon einen dicken Ordner mit dem ganzen Material gegeben, was zwischen den Episodenblöcken passiert, und ihnen gesagt: „Hier, da könnt ihr noch ein paar Bücher und Comics mit machen.“ Oder hast du das für dich behalten?

Tony Gilroy: Ach, das musste ich gar nicht. Ob wir es wollen oder nicht, ist ja egal. Sie werden diese Geschichten machen, wenn sie einen Markt dafür sehen. Dann nutzen sie den, dafür brauchen sie weder meine Erlaubnis noch mein Material.

Eine von Orson Krennic geleitete Konferenz war von der Wannsee-Konferenz inspiriert. Disney und seine verbundenen Unternehmen
Eine von Orson Krennic geleitete Konferenz war von der Wannsee-Konferenz inspiriert.

FILMSTARTS: „Star Wars“ war schon immer politisch, aber „Andor“ spricht mit Themen wie Medienmanipulation durch Fake News oder den Aufbau eines autoritären Systems sehr direkt Dinge an, die gerade jetzt noch mal besonders relevant sind. War das eine bewusste Entscheidung, weil du schon ahntest, in welche Richtung sich die reale Welt bewegt?

Tony Gilroy: Nein, gar nicht. Ich habe die Serie vor sechs Jahren begonnen, Staffel 2 war seit vier Jahren durchgeplant.

Mich reizte die Möglichkeit, all mein Wissen über Revolutionen und Autoritarismus zu nutzen. Ich habe 6.000 Jahre Geschichte als Katalog genommen: Da kannst du die Parallelen ziehen. Du kannst zum Beispiel sagen, dass die Konferenz über Ghorman zu Beginn der Serie als Vorbild die Wannseekonferenz hat. Und wie die Propaganda vom Imperium zur Rechtfertigung eingesetzt wird, erinnert an den Tonkin-Zwischenfall.

Ich bin kein Wahrsager und ich habe nicht versucht, vorherzusagen, was relevant sein wird, wenn die Serie erscheint. Ich wollte etwas Zeitloses erschaffen.

So erscheinen die „Andor“-Folgen auf Disney+

Zum Abschluss haben wir noch einen kompakten Überblick für euch, wann ihr jeweils die neuen „Andor“-Folgen auf Disney+ streamen könnt:

  • am 23. April erscheinen die Episoden 1 bis 3
  • am 30. April folgen die Episode 4 bis 6
  • am 7. Mai ist die Veröffentlichung der Episoden 7 bis 9
  • am 14. Mai kommt der Abschluss mit den Episoden 10 bis 12

Die Episoden sollten immer ab 3.00 Uhr in der Nacht bei Disney+ vorhanden sein. Wer will kann also bereits richtig früh loslegen.

*Bei diesem Link zu Disney+ handelt es sich um einen Affiliate-Link. Mit dem Abschluss eines Abos über diesen Link unterstützt ihr FILMSTARTS. Auf den Preis hat das keinerlei Auswirkung.

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