
Die neue Disney+-FX Serie „Alien: Earth“ spielt zwei Jahre vor den Ereignissen des ersten „Alien“-Films von Ridley Scott. Als der Film damals im Jahr 1979 ins Kino kam, flüchteten einige Zuschauer*innen schreiend aus dem Kinosaal (mehr dazu in diesem Artikel). Kein Wunder, schließlich ging es den Schauspieler*innen am Set nicht wirklich anders, erzählt uns Mia Bonzanigo im FILMSTARTS-Interview, die in den Siebzigerjahren mit HR Giger verheiratet und mit dabei war, als sein Alien am Filmset zum Leben erwachte.
Das Gespräch findet im HR Giger Museum in Greyerz im Schweizer Kanton Freiburg statt. Man kann hier auch für Le Gruyère, den berühmten Käse herkommen, viele entscheiden sich aber dann doch eher für den Horror. In das Museum pilgern jährlich um die 60.000 „Alien„- und Giger-Fans aus der ganzen Welt um sich originale Requisiten, Zeichnungen, Gemälde und Skulpturen des Schweizer Künstlers anzuschauen, der für seine Arbeit am ersten „Alien“-Film den Oscar in der Kategorie Beste visuelle Effekte gewann.
Für eine geplante Verfilmung des Sci-Fi-Romans „Dune“ entwarf Giger Ende der Siebzigerjahre auch die düsteren Harkonnen-Stühle, die einem menschlichen Skelett nachempfunden und erstaunlich bequem sind. Der Film wurde damals nicht realisiert, mit dem Geld von „Alien“ ließ Giger die Stühle auf Basis seiner Skizzen trotzdem bauen. Sechs davon stehen heute in HR Giger Museum, inklusive langer Tafel. Mia Bonzanigo nimmt für das Interview mit FILMSTARTS-Autorin Lena Bammert auf einem der schwarzen Capo-Stühle am Stirnende Platz, drei aufeinander getürmte Totenschädel hinter sich. Sie fühlt sich sichtlich wohl.

FILMSTARTS: Mia, du hast Giger 1978 in die Nähe von London begleitet, wo ihr in den Shepperton Studios zusammen an den Figuren für den ersten „Alien“-Film von Ridley Scott gearbeitet habt. Wie war das für dich, als du zum ersten Mal den Xenomorph in all seiner Pracht gesehen hast?
Mia Bonzanigo: Ich war von Anfang an dabei, habe modelliert, am Kopf herumgefeilt, bei den Kostümen mitgeholfen. Ich hatte also viel Zeit, mich an den Anblick zu gewöhnen. Sigourney Weaver, die im Film die Hauptfigur Ripley spielt, hatte da mehr Probleme. Ridley [Scott] wollte nicht, dass irgendwer das Alien sieht, bevor es nicht wirklich fertig war. Eines Tages war es so weit und Ridley sagte zur Crew: „Jetzt könnt ihr euch anschauen, wie eurer Gegenspieler aussieht.“ Also sind alle zu dem Raum gegangen, in dem das Alien stand. Yaphet Kotto [der im Film die Rolle des leitenden Ingenieurs Dennis Monroe Parker verkörpert] kam heraus und zog sofort ein Armbändchen gegen böse Geister an. Wir haben vor dem Eingang noch extra Schnaps verteilt und gesagt: „Trinkt einen, dann könnt ihr das besser vertragen.“ Sigourney Weaver dachte, sie braucht keinen, ging rein, kam wieder raus und sagte: „Jetzt brauche ich einen.“
FILMSTARTS: Hast du auch einen gebraucht?
Mia Bonzanigo: Nein. Ich hatte nur einmal ein komisches Gefühl. Giger konnte ziemlich aufsässig sein, deswegen mussten wir ab und zu mit unserem Atelier umziehen. Ich hatte immer die ehrenvolle Aufgabe, sie einzurichten. Am Schluss hatten wir zwei Räume ohne Dach, auf der einen Seite stand das Alien, auf der anderen haben wir am Facehugger gearbeitet. Es war gegen Mitternacht und wir waren die einzigen in diesem riesengroßen Areal. Unseren Chauffeur hätten wir anrufen können, damit er uns holen kommt, aber ansonsten waren wir komplett alleine. Und plötzlich sagt Giger in einer ganz gruseligen Stimme: „Kannst du mal schauen, ob das Alien noch da ist? Ich geh’ nicht rüber.“ Wir hatten eine Leiter im Atelier, da bin ich draufgestiegen, habe über die Trennwand geschaut und es war noch da. „Kannst beruhigt sein“, habe ich gesagt. Aber das war schon ein spooky Moment.

FILMSTARTS: Das Alien ist zum absoluten Kult geworden, Regisseure und Kunstschaffende schwärmen von Gigers Design, Fans können nicht genug kriegen. War Giger bewusst, dass sein Alien Jahrzehnte überdauern wird?
Mia Bonzanigo: Ich glaube nicht. Man hofft als Künstler natürlich immer, dass die Arbeit geschätzt wird und sie nicht als Videokassette in einer Ecke verstaubt. Aber dass es so eine Nachhaltigkeit hat, hat er sicher nicht gedacht.
FILMSTARTS: Hast du dir mal Gedanken darüber gemacht, wieso seine Arbeit so viele Menschen berührt hat und es auch weiterhin tut?
Mia Bonzanigo: Ja. Ich hatte immer das Gefühl, dass es vor allem für junge Leute, die seine Bilder und Entwürfe gesehen haben, so war, als würde ein Vorhang zurückgezogen werden. Die hatten das Gefühl: Er versteht mich. Er weiß, was in mir vorgeht. Er weiß, dass man Chaos in sich haben kann, innere Konflikte. Dadurch ist er fast schon zu einer Art Guru für sie geworden. Ich habe das oft gesehen und gehört, wenn ich mit den Teenagern geredet habe. Heute können wir zum Psychiater gehen, wenn wir solche Bilder in uns haben. Das gab es früher nicht, darüber wird heute anders gesprochen, wohlwollender. Ich finde es schön, wie viele Giger-Fans es nach wie vor gibt. Ich habe im Bekanntenkreis eine Mutter, die ist Giger-Fan und hat das an ihre Tochter weitergetragen. Sie ist jetzt 16 Jahre alt und hat in der Schule eine Arbeit über Giger geschrieben und wird auch ihre Abschlussarbeit über ihn verfassen.
FILMSTARTS: Glaubst du, das hätte ihm gefallen?
Mia Bonzanigo: Ja. Jeder Künstler freut sich, wenn er eine Streicheleinheit bekommt. Umso mehr verletzt es ihn, wenn er abgelehnt wird. Wenn du etwas machst, was du bist, und das wird zurückgestoßen, das ist ein echter Schuss vor den Bug.

FILMSTARTS: Wir haben vorhin schon darüber gesprochen, wie langlebig Gigers Alien Design ist, mittlerweile gibt es zig Versionen und Abwandlungen davon. In der neuen Disney+-Serie „Alien: Earth“ soll es ebenfalls neue Versionen geben. Hast du eine Lieblingsversion?
Mia Bonzanigo: Ja, mein Baby, das Original. Mit dem habe ich natürlich die beste Beziehung. Wir haben auch viel gesprochen miteinander, wir kommen gut aus.
FILMSTARTS: Worüber habt ihr gesprochen?
Mia Bonzanigo: Über alle mögliche. Zum Beispiel, wen es als Nächstes frisst. Ich wollte, dass er Jonesy [die Schiffskatze und eine der wenigen Überlebenden im ersten „Alien“-Film] endlich mal wegmacht. Dieses blöde Vieh kam jedes Mal aus dem Nichts und hat am Set immer irgendjemanden erschreckt. Ich war mit meiner Kamera unterwegs, und plötzlich kam Jonesy gesprungen [faucht und lacht].
FILMSTARTS: Hat das Alien gute Antworten gegeben?
Mia Bonzanigo: Ja, aber wir haben abgemacht, dass wir nichts weitertragen. Das sind Geheimgespräche.
Die neue FX Original Serie „Alien: Earth”von Noah Hawley kann seit dem 13. August auf Disney+ gestreamt werden.
