Das Kanu des Manitu
Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
3,5
gut
Das Kanu des Manitu

Mit der Gesamtsituation darf man durchaus zufrieden sein

Von Christoph Petersen

Avatar – Aufbruch nach Pandora“ mag der bis heute weltweit erfolgreichste Film sein, aber in Deutschland hat „Der Schuh des Manitu“ 2001 sogar noch mehr Besucher*innen in die Kinos gelockt: Mit 11,7 Millionen Zuschauer*innen ist die Winnetou-Parodie von Regisseur, Autor, Produzent und Hauptdarsteller Michael Bully Herbig („Ballon“) bis heute der erfolgreichste deutsche Kinofilm seit Beginn der offiziellen Zählung im Jahr 1968. Zum Vergleich: „Die Schule der magischen Tiere 3“, der erfolgreichste deutsche Film des vergangenen Jahres, hat nur knapp die 3-Millionen-Marke durchbrochen. Aber wer wissen wollte, wie erfolgreich der Film damals wirklich war, musste dafür nur einen x-beliebigen Schulhof besuchen:

Nach dem Kinostart gab es monatelang keine große Pause mehr, in der nicht mindestens einmal Winnetouch („Schön langsam, Jaqueline, sonst kotzt du wieder“), Santa Maria („Alle noch mal aufs Klo, und dann reiten wir los“) oder Ranger („Ich bin mit der Gesamtsituation unzufrieden“) zitiert wurde. Normalerweise wäre bei einem solchen Megahit ein schnelles Sequel eine klare Sache gewesen – aber stattdessen haben Michael Bully Herbig, Christian Tramitz und Rick Kavanian das Publikum ihrer Sketchshow „Bullyparade“ abstimmen lassen, woraufhin (demokratisch legitimiert) „(T)Raumschiff Surprise - Periode 1“ gedreht wurde. Erst 24 Jahre später ist es jetzt tatsächlich soweit – und „Das Kanu des Manitu“ macht wieder erstaunlich viel Spaß, selbst wenn man das I-Wort heutzutage nicht mehr sagen soll.

Schön doof, wenn man zur Friedenspfeiferei nur zwei Streichhölzer mitgebracht hat – und direkt das erste beim Anzünden durchbricht… Constantin Film
Schön doof, wenn man zur Friedenspfeiferei nur zwei Streichhölzer mitgebracht hat – und direkt das erste beim Anzünden durchbricht…

Um Spoiler zu vermeiden, hat Michael Bully Herbig die Fortsetzung vor der Weltpremiere nicht mal seinen Darsteller*innen ganz gezeigt. Wir halten uns an dieser Stelle also auch eher vage: Weil sie vom einäugigen Sheriff (Friedrich Mücke) und seinem liebeskummergeplagten Deputy (Rick Kavanian) des Mordes bezichtigt werden, sollen Abahachi (Michael Bully Herbig) und Ranger (Christian Tramitz) am Galgen baumeln. Aber offenbar ist das alles nur ein ausgefeilter Plan von Boss (Jessica Schwarz) und ihrer bislang noch namenlosen siebenköpfigen Bande, um doch noch an das sagenhafte Kanu des Manitu zu gelangen. Denn ein erster Versuch endete bereits mit dem abgetrennten Bein eines Balletttänzers.

Unterdessen ist Dimitri (ebenfalls Rick Kavanian) in Mexiko gerade dabei, eine zweite Filiale seines griechischen Restaurants zu eröffnen – und die vielsprachige Mary (Jasmin Schwiers) kommt ihm als erste Angestellte gerade recht. Allerdings muss die eigentlich schon für morgen geplante Eröffnung aufgeschoben werden: Denn als Dimitri in der Zeitung vom drohenden Todesurteil seiner Freunde erfährt, schwingt er sich natürlich sofort auf seinen sturen Esel Apollo 14, um die Hinrichtung womöglich doch noch in allerletzter Sekunde abzuwenden…

Zeitlos trotz Zeitgeist

Beim Wiederschauen von „Der Schuh des Manitu“ fällt vor allem auf, wie zeitlos der Humor ist – denn trotz seines gewaltigen Fußabdrucks in der deutschen Popkultur gibt es darin nur sehr wenige Jokes und Anspielungen, die den Film tatsächlich in seiner Zeit verorten. Trotzdem wurde „Der Schuh des Manitu“ in den vergangenen 24 Jahren fraglos vom politischen und kulturellen Zeitgeist überholt – und tatsächlich dauert es in „Das Kanu des Manitu“ nur wenige Sekunden, bis Abahachi von einer verwunderten Wahrsagerin darauf angesprochen wird, warum er denn ausgerechnet mit „einem weißen alten Mann“ Blutsbrüderschaft geschlossen hat. Aber keine Sorge: Michael Bully Herbig und seine Co-Autoren Christian Tramitz und Rick Kavanian nehmen sich der inzwischen erwachsenen Thematiken an, ohne sich deshalb direkt anzubiedern …

… und wie im Original lassen sie es auch diesmal nicht zu, dass zu viel Zeitgeist den Humor überschattet: Statt sich über Netflix oder Trump lustig zu machen, gehen zwei der besten Pointen auf das Konto von „Jim Knopf und Lukas der Lokomotivführer“. Im Gegensatz zu anderen aufgeblähten Legacy-Sequels bleibt „Das Kanu des Manitu“ zudem erneut unter 90 Minuten – und dabei trotz des erweiterten Cast wieder so flott geschnitten, dass garantiert keine Langeweile aufkommt. Ganz an den Vorgänger kommt das nicht heran, aber damit durfte wohl ohnehin niemand ernsthaft rechnen – doch die meisten Gags sitzen, und die zahlreichen Neuzugänge erweisen sich auch überwiegend als Bereicherung.

Für Dimitri (Rick Kavanian) hält die Fortsetzung sogar eine Liebesgeschichte bereit. Constantin Film
Für Dimitri (Rick Kavanian) hält die Fortsetzung sogar eine Liebesgeschichte bereit.

Die größte Rolle der Neulinge spielt Jasmin Schwiers („Die Geschichte der Menschheit – leicht gekürzt“), die nach einer familiären Enthüllung die Beziehung von Abahachi und Ranger in Schwierigkeiten stürzt, aber nebenher noch eine Fantasiesprache einbringt, bei der man sich schon beim Zuhören die Zunge bricht. Auch die sieben neuen Mitglieder der Bande sorgen für allerlei Abwechslung – aber am meisten Eindruck schindet „Die Discounter“-Star Merlin Sandmeyer als Wolfgang, ein Komparse, der nur angeheuert wurde, weil Banden seit „Die glorreichen Sieben“ immer sieben Mitglieder haben müssen.

„Das Kanu des Manitu“ hat noch stärker als der Vorgänger einen die vierte Wand durchbrechenden Humor – und rückt damit noch ein wenig näher an solche US-Parodien wie „Die nackte Kanone“, die sich ja auch gerade erst als viel besser erwies, als man es sich von so einem späten Neuaufguss erwarten durfte. Vor allem auf der Zielgeraden rückt dabei auch der eigene Status als Western-Komödie mit einem „Bio-Deutschen“ in Apachen-Outfit ins Zentrum – allerdings gar nicht plump, sondern fast schon berührend.

Gut investierte Extrakohle

Michael Bully Herbig hat uns verraten, dass „Das Kanu des Manitu“ etwa das Vierfache von „Der Schuh des Manitu“ gekostet hat: Selbst wenn man die Inflation herausrechnet, ist die Fortsetzung also immer noch (finanziell) um einiges aufwändiger als das Original. Und das sieht man auch, etwa an den „Indiana Jones“-Gedächtnisszenen auf einem fahrenden Zug oder an der Tom-Cruise-artigen Unterwasser-Szene für Rick Kavanian, die schon ähnlich für „Der Schuh des Manitu“ geplant war, aber dann aus Kostengründen gestrichen werden musste.

Vor allem aber hat Bully das Extrageld auch für den Dreh einer sehr speziellen Szene in den USA ausgegeben, die direkt mit der größten Wendung des Films im Zusammenhang steht: Denn zum Film, den man allein schon deshalb gesehen haben muss, um mitreden zu können, wird „Das Kanu des Manitu“ vor allem durch seinen zentralen Twist, der in den Wochen nach Kinostart sicherlich wieder so manche Kommentarspalte vom Onlineforum bis zum Leitmedium füllen wird.

Fazit: Einen solch bleibenden popkulturellen Fußabdruck wie „Der Schuh des Manitu“ wird die späte Fortsetzung sicherlich nicht hinterlassen. Aber „Das Kanu des Manitu“ ist auch ohne Zitate für die Ewigkeit ziemlich lustig, wobei insbesondere Fans dank der vielen nostalgischen Rückbezüge voll auf ihre Kosten kommen werden!

Wir haben „Das Kanu des Manitu“ bei der Weltpremiere im Münchner Mathäser Filmpalast gesehen – also jener Vorstellung mit insgesamt 3.000 Gästen, bei der Michael Bully Herbig den Film überhaupt zum ersten Mal außerhalb seines allerengsten Zirkels vorgeführt hat.

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