Black Bag - Doppeltes Spiel
Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
4,5
hervorragend
Black Bag - Doppeltes Spiel

Soderbergh, Fassbender und Blanchett in absoluter Topform

Von Oliver Kube

„Wenn man immer die perfekte Ausrede zum Lügen hat, warum sollte man dann jemals die Wahrheit sagen?“ Mit dieser nur halb im Scherz gestellten Frage sind die Charaktere aus Steven Soderberghs Agenten-Thriller „Black Bag – Doppeltes Spiel“ ziemlich passend umschrieben: Der neue Film des oscarprämierten „Ocean’s Eleven“-Regisseurs ist zwar arm an Action, aber dafür reich an – ausgesprochen eleganter – Spannung! Das sowohl erzählerisch wie visuell hochgradig attraktiv in Szene gesetzte Szenario macht eine Menge Spaß – vor allem auch wegen der knisternden Energie zwischen den sexy Stars Cate Blanchett („Tár“) und Michael Fassbender („Der Killer“). Die beiden verkörpern die in London lebenden Eheleute George und Kathryn Woodhouse, die in unterschiedlicher Kapazität für den von Arthur Stieglitz (Pierce Brosnan) geleiteten staatlichen Geheimdienst SIS arbeiten. Aktuell herrscht dort allerdings Alarmstimmung.

Denn ein von den Briten selbst entwickeltes, streng geheimes Computerprogramm namens Severus ist in russische Hände gelangt, was potenziell den Tod von Tausenden nach sich ziehen könnte. Während Kathryn im Außendienst versucht, Severus zurückzuholen, wird George von seinem Vorgesetzten Philip Meacham (Gustaf Skarsgård) damit beauftragt, einen Maulwurf in den eigenen Reihen zu identifizieren. Infrage kommen Clarissa Dubose (Marisa Abela), Freddie Smalls (Tom Burke), James Stokes (Rege-Jean Page), Zoe Vaughan (Naomie Harris) – und Georges eigene Ehefrau. Während er alle fünf Kandidat*innen zu einem gemeinsamen Abendessen einlädt, fürchtet er, dass er sich womöglich zwischen der Loyalität zu seinem Land und der Liebe zu Kathryn entscheiden muss…

George Woodhouse (Michael Fassbender) steht unter Druck – sein Vorgesetzter Arthur Stieglitz (Pierce Brosnan) will bei der Suche nach der undichten Stelle endlich Ergebnisse sehen. Universal Pictures
George Woodhouse (Michael Fassbender) steht unter Druck – sein Vorgesetzter Arthur Stieglitz (Pierce Brosnan) will bei der Suche nach der undichten Stelle endlich Ergebnisse sehen.

Im Mittelpunkt von „Black Bag“ stehen drei Agent*innen-Paare, die sich zu Beginn im Rahmen einer Dinnerparty treffen. Diese dient zunächst vor allem uns Zusehenden dazu, die einzelnen Charaktere sowie ihre Beziehungen zu- und untereinander auszuloten. Auf diese Weise wird die Geschichte ebenso elegant wie unterhaltsam in die Gänge gebracht. Zuvor beobachten wir aber noch den Gastgeber dabei, wie er kompetent das opulente Essen zubereitet. Dabei werden wir Zeugen, wie er ein Wahrheitsserum unter die Soße mischt, vor dem er zumindest seine Ehefrau noch schnell warnt. Wenig später wird diese besondere Zutat nicht nur zu hitzigen Wortgefechten führen – sondern auch zu einer Hand auf dem Tisch, durch die ein Steakmesser gerammt wird.

Im weiteren Verlauf der angenehm straff vorgetragenen Handlung haben alle sechs Figuren genügend Screentime und werden individuell weiterentwickelt. Der Fokus bleibt jedoch auf George, der ausgerechnet ein Kinoticket (!) in Kathryns Abfalleimer findet, das ihn zunehmend an ihrer Loyalität und ihren Motiven zweifeln lässt. Diese für ihn selbst überraschende Wendung bringt ihn dazu, Kathryn mit der (nicht ganz freiwilligen) Hilfe der IT-Expertin Clarissa per Satellit überwachen zu lassen. Diese Sequenz steigert sich innerhalb kurzer Zeit zum erzählerisch intensivsten und inszenatorisch aufwändigsten Moment des sonst über weite Strecken eher subtil und zurückgenommen präsentierten Werks.

Auf das Wichtigste konzentriert

Der eigentliche Kern ist dabei die Beziehung des von Fassbender und Blanchett brillant gemimten Paares, die parallel zur langsam, aber sicher eskalierenden Severus-Situation an Fahrt aufnimmt. Bis zum befriedigenden Finale sind wir uns unsicher, ob die Zuneigung zwischen ihren Figuren wirklich echt oder von mindestens einer Person, aber potenziell sogar von beiden Seiten einfach nur verdammt gut gespielt ist. Wer hintergeht hier wen? Und aus welchen Motiven? Ist Kathryn tatsächlich die Verräterin und lässt sie ihren Mann eiskalt ins offene Messer laufen? Oder hat der ihr vermeintliches Spiel längst durchschaut und verfolgt einen ganz eigenen Plan? Ist der fatale Lapsus, der dem sonst so unfehlbar erscheinenden Meisterspion im Laufe seiner Arbeit unterläuft, sein Ende? Oder war auch dieser womöglich nur mit Weitblick kalkuliert?

In „Black Bag“ bleibt einiges bewusst vage – etwa, wie genau dieses ominöse Computerprogramm arbeitet oder wie die fünf Namen umfassende Liste der des Hochverrats verdächtigen Agent*innen erstellt wurde. Aber das ist okay. Denn wirklich wichtig sind diese Informationen nicht. Die Erklärungen würden vieler Worte bedürfen und der Film besteht ohnehin schon zu großen Teilen aus Dialogen – wobei die von „Jurassic Park“-Autor David Koepp geschriebenen Wortwechsel stets ausgesprochen pointiert und geschliffen daherkommen.

George macht sich sorgen, dass sich am Ende ausgerechnet seine eigene Ehefrau Kathryn (Cate Blanchett) als die gesuchte Verräterin entpuppen könnte. Universal Pictures
George macht sich sorgen, dass sich am Ende ausgerechnet seine eigene Ehefrau Kathryn (Cate Blanchett) als die gesuchte Verräterin entpuppen könnte.

Nicht nur, was sie sagen, sondern auch, wie sie dies tun, drückt jeweils eine Menge über die einzelnen Personen aus. Der von Michael Fassbender wunderbar ambivalent gespielte George etwa gibt in vielen Situationen nur das preis, was unbedingt nötig ist, und dies dann auch noch möglichst neutral. Er lässt lieber die anderen sprechen – immer in der offenbar nicht allzu abwegigen Hoffnung, dass sie sich dabei um Kopf und Kragen reden könnten, während er sie mit unbestechlichem Blick analysiert. Für einen Agenten-Thriller gibt es dabei wenig Action. Eigentlich sogar nur in zwei kurzen Szenen: Einmal explodiert ein Auto und das andere Mal wird eine Waffe in einem geschlossenen Raum abgefeuert. Das bedeutet allerdings nicht, dass „Black Bag“ ansonsten ohne Spannung wäre. Das Gegenteil ist der Fall.

Auch ohne Verfolgungsjagden und Shootouts gelingt es Soderbergh, ein enormes Gefühl von Dringlichkeit zu vermitteln. Die Auseinandersetzungen finden nur eben meist nicht physisch, sondern psychisch oder verbal statt, was vor allem dank der Schauspielleistungen aller Beteiligten – inklusive des als arroganter Geheimdienstchef brillierenden Pierce Brosnan – einfach verdammt viel Spaß macht.

Wenig Action, großes Vergnügen

Neben Koepps klug aufgebautem Skript tragen die stylische Kameraarbeit (von Soderbergh, unter dem Pseudonym Peter Andrews), der effiziente Schnitt (ebenfalls Soderbergh, hier als Mary Ann Bernard) sowie der oft unerwartete Score von Soderbergh-Stammkomponist David Holmes viel zum Gelingen bei. Auch die Kulissen sind ein Gedicht: Es ist fast unmöglich, sich an der weitläufigen, stilvoll elegant eingerichteten Wohnung der Woodhouses, den hypermodernen Büroräumen sowie dem atmosphärischen See mit Bootshaus sattzusehen.

So ist „Black Bag“ innerhalb des Spionage-Thriller-Genres ein eher kleiner Film – kein Spektakel, kein Blockbuster, oder ein Film mit „Wow“-Effekten. Fans eher ruhiger, dafür aber umso klüger aufgebauter Werke, die ihren Figuren (und mit ihnen dem Publikum) langsam, aber sicher den Boden unter den Füßen wegziehen, dürften ihn allerdings sehr wohl zu goutieren wissen.

Fazit: Kaum Action, dafür umso mehr skalpell-scharfe Wortgefechte! Steven Soderbergh ist so ein herausragender Agenten-Thriller gelungen, der nicht nur mit einem hochkarätigen Cast punktet, sondern auch sonst sehr hochklassig aussieht. Nach einigen eher mittelmäßigen Arbeiten präsentiert sich der Meisterregisseur hinter dem Oscar-Abräumer „Traffic – Die Macht des Kartells“ hier endlich wieder in absoluter Topform.

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