Der abgedrehte, vor Kreativität fast platzende und ein furchterregend-niederschmetterndes Zukunftsbild zeichnende „Brazil“ ist einer der eindringlichsten Klassiker seines Genres: Ihm winkten perfekte fünf Sterne in der FILMSTARTS-Kritik und ein Platz in unserem Ranking der besten Science-Fiction-Filme aller Zeiten.
Außerdem beeinflusste der von Terry Gilliam inszenierte Kultklassiker so unterschiedliche Filme wie „Star Wars: Die letzten Jedi“, den Horror-Schocker „The Descent – Abgrund des Grauens“ und Tim Burtons „Batman“. Die lang nachhallende Wirkung von „Brazil“ liegt zu großen Teilen an der bissigen, tragikomischen Erzählweise und am herausragenden Produktionsdesign. Aber auch die abgedrehte Leistung von Schauspielgröße Robert De Niro dürfte zur anhaltenden Popularität des Films beigetragen haben:
In „Brazil“ übernimmt der „Heat“-Star eine kleine, prägende Rolle als freischaffender Heizungsinstallateur, unerschrockener Klempner, Exzentriker, Freiheitskämpfer und gesuchter Terrorist namens Tuttle. Dabei wollte De Niro einen größeren Part übernehmen...
"Brazil": Eine bürokratische Dystopie
Sam Lowry (Jonathan Pryce) ist ein kleines Beamtenlicht in einem totalitären Staat. Statt seiner Arbeit nachzugehen und einen Regime-Gegner aufzuspüren, flieht er bevorzugt in seine Tagträume, in denen er als einsamer Held gewaltige Monster bezwingt. Eines Tages sorgt ein zerquetschter Käfer auf der Fahndungsliste dafür, dass ein Unschuldiger gejagt, ergriffen und liquidiert wird. Als Sam den Irrtum entdeckt, gerät er ebenfalls auf die Abschussliste...
Die vom späteren „Fluch der Karibik“-Nebendarsteller Jonathan Pryce verkörperte Hauptfigur hat kaum Freunde – zu seinen wenigen sozialen Kontakten gehört aber Ehrgeizling Jack Lint. Diese Rolle versprach Terry Gilliam bereits frühzeitig seinem alten „Monty Python“-Kollegen Michael Palin.
Erst danach fand Gilliam heraus, dass Leinwandgigant De Niro riesiger „Monty Python“-Fan ist und Interesse zeigte, eine Rolle in „Brazil“ zu übernehmen. Seine erste Wahl sei Jack Lint gewesen – aber da Gilliam sein Versprechen an Palin nicht brechen wollte, schlug er De Niro vor, stattdessen Tuttle zu spielen.
„Obwohl seine Figur, Tuttle, nur eine kleine Rolle spielt, ist er in Wahrheit der Held – er ist die einzige Person, die irgendetwas erreicht“, erinnerte sich Gilliam Jahrzehnte später in einer „Brazil“-Retrospektive für die britische Zeitung The Guardian.
De Niro: Überengagierter Star ...
Zwar begnügte sich De Niro mit seinem kleinen Part in „Brazil“, das heißt jedoch nicht, dass er die Rolle auf die leichte Schulter nahm: De Niro bereitete sich intensiv auf den Dreh von „Brazil“ vor – derart intensiv sogar, dass es selbst Gilliam irritierte!
„Ich sagte zu ihm: ,Du bist ein Klempner, aber du behandelst das Klempnern als sei es Gehirnchirurgie.' Und er fand tatsächlich einen New Yorker Neurochirurgen und schaute bei einer Operation zu, um sich vorzubereiten“, fasste Gilliam gegenüber The Guardian zusammen. Am Set überstrapazierte De Niro der Legende zufolge wiederholt die Geduld seines Regisseurs – doch nach dem Dreh waren sich die Beiden wieder grün.
Laut Gilliam spielte De Niro sogar eine entscheidende Rolle, um „Brazil“ zu einem US-Kinostart zu verhelfen: Die bitterkomische Sci-Fi-Dystopie wurde vom Verleih 20th Century Studios (damals 20th Century Fox) in der von Gilliam bevorzugten Fassung in die europäischen Kinos entlassen. Das Studio Universal Pictures, das die US-Lizenz für „Brazil“ hatte, weigerte sich hingegen, es Fox gleichzutun.
Der damalige Studioboss Sid Sheinberg forderte intensive Kürzungen sowie ein inhaltlich komplett überarbeitetes, die Bissigkeit der Handlung massiv unterlaufendes Ende. Gilliam protestierte dagegen und schaltete in Branchenportalen Anzeigen, um auf seinen Zwist mit Sheinberg aufmerksam zu machen. Der Knoten platzte jedoch erst, als sich De Niro einschaltete:
... und Retter des Films!
Der „Taxi Driver“-Star galt schon damals als pressescheu und lehnte am laufenden Band TV-Interviews ab. „Daher ist er mein Held“, kommentierte Gilliam diese Einstellung im Gespräch mit The Hollywood Reporter. Doch eines Tages nutzte De Niro seinen Status als seltener Fernsehgast, um Gilliam zu unterstützen: Er willigte ein, ins Morgenmagazin „Good Morning America“ zu kommen – unter der Bedingung, dass Gilliam sich dazugesellt. Während dieses TV-Auftritts sprach Gilliam über seine Probleme, „Brazil“ in die US-Kinos zu bringen.
Daraufhin ergatterte der Film die Neugier zahlreicher US-Filmkritiker*innen – und nachdem „Brazil“ selbst ohne US-Start drei Preise bei den Los Angeles Film Critics Association Awards gewann, gab Universal endlich nach und brachte Gilliams Film in die US-Kinos. Einen anderen seiner Filme bereut De Niro dagegen intensiv – um welchen es sich handelt, erfahrt ihr im folgenden Artikel:
Diesen Thriller mit Al Pacino bereut Robert De Niro bis heute: "Das nächste Mal machen wir einen Film, den wir mögen"