S.S. Rajamouli ist ein Visionär mit einem Faible für ebenso imposante wie ungewöhnliche Heldensagen – das hat der indische Blockbuster-Spezialist bereits mit den „Bahubali“-Filmen sowie „Eega“ unter Beweis gestellt, in dessen Zentrum eine Fliege (!) auf Rachefeldzug steht. Doch niemand war 2022 darauf vorbereitet, was er uns mit „RRR“ bescheren würde.
Der bis dahin teuerste Film der indischen Kinogeschichte avancierte im Kino zum Kassenschlager, landete kurze Zeit später zudem schon bei Netflix und sorgte schließlich auch im Streaming weltweit für Begeisterung. In dem in jeder Hinsicht gigantischen Historien-Action-Drama wird geklotzt und nicht geklettert – und daran erinnert, dass das Kino nicht immer die Realität nachahmen muss, sondern in Larger-than-Life-Manier dazu in der Lage ist, in Welten zu entführen, in denen alles möglich scheint.
Auf den bereits wenig später angekündigten „RRR 2“ müssen wir wohl noch eine Weile warten – und die anderen indischen Blockbuster wie „Leo“, „Jawan“ oder „Animal“ können auch bei all ihren Qualitäten nicht ganz an die Perfektion heranreichen, die S.S. Rajamouli quasi über Nacht weltberühmt machte. Doch wer „RRR“ (wieder) entdecken will, hat seit wenigen Wochen die Möglichkeit dazu – mit „RRR: Behind And Beyond“.
Netflix hat nämlich still und heimlich ein Making-of des etwas anderen Buddy-Action-Krachers veröffentlicht – das für den Autor dieses Artikels das unangefochtene Highlight der vergangenen Monate auf der Streamingplattform mit dem roten N darstellt.
"RRR" neu genießen – und besser verstehen
Welche Sets wurden extra für den Film gebaut? Wie wurde eigentlich der epische Kampf zwischen N.T. Rama Rao Jr. und dem animierten Tiger gefilmt? Wann wurde warum auf CGI gesetzt, wann auf praktische Spezialeffekte?
„Behind And Beyond“ wird seinem Titel mehr als gerecht, beantwortet offene Fragen (und noch viele weitere) im Überfluss und gibt aufschlussreiche Einblicke in den schier unfassbaren Aufwand, der in dieses Mammutprojekt geflossen ist. Ja, mit einem Mix aus Interviews mit Cast und Crew und spektakulären Bildern – die Entwicklung von einigen der größten Sequenzen wird beispielsweise vom rohen Filmmaterial bis hin zu den finalen Filmszenen im beeindruckenden Schnelldurchlauf dargestellt –, steht die Dokumentation dem meisterlichen Film, den sie behandelt, in Sachen Unterhaltungswert und Dramaturgie in nichts nach.
Regisseur Rajamouli gibt exklusive Einblicke in seine Gedankenwelt, spricht über die Kunst, Charakterentwicklung, Story und Emotionen mittels Actionszenen anzukurbeln und wird unter anderem von Hauptdarsteller Ram Charan immer wieder als Meister seines Fachs bezeichnet.
Zugleich werden Cinephile nicht umhin kommen, sich an Stanley Kubrick oder Alfred Hitchcock erinnert zu fühlen, die als Perfektionisten ohne Rücksicht auf Verluste berüchtigt waren. Nur soviel sei gesagt: Wenn der berühmteste Schritt der legendären Tanzperformance zum oscarprämierten Song „Naatu Naatu“ ganze 18 Takes benötigt, bis er im Kasten ist – und jede Bewegung, jeder Blick, jede Geste der beiden Hauptdarsteller nicht nur perfekt sitzt, sondern auch synchron ist –, bringt einen allein die Vorstellung dieser körperlichen Tortur zum Schwitzen.

Apropos „Naatu Naatu“: Jene in unfassbarer Kleinarbeit geplante Sequenz ist nicht nur für die Story wichtig, sondern erzählt auch seine ganz eigene Geschichte. Was genau dahinter steckt, wird im Making-of auf spannende Weise erklärt. Sowieso gilt das für zahlreiche Details, denen man inmitten des Spektakels kaum Beachtung schenken kann – bei denen Rajamouli aber nichts dem Zufall überließ. Hier hat jede noch so winzige Kleinigkeit Bedeutung! Bedeutung, die vor allem das westliche Publikum nur bis zu einem gewissen Grad auf Anhieb erkennt. Vor allem für „RRR“-Fans außerhalb Indiens stellt der spielfilmlange Einblick hinter die Kulissen so jede Menge Kontext bereit, die den Film in einem neuen Licht erstrahlen lassen.
„RRR: Behind And Beyond“ lohnt sich für alle, die bislang zögerten, das Commitment einzugehen, das einem ein dreistündiger indischer Films (ohne deutsche Synchro) schon mal abverlangen kann – und dürfte spätestens gegen Ende Lust auf mehr machen, wenn auch noch die einzigartig-euphorischen Publikumsreaktionen, die „RRR“ in aller Welt auslöste, Erwähnung finden. Gänsehaut!
Und alle „RRR“-Fans der ersten Stunde? Die kommen um die Doku ohnehin nicht herum, sollten sicherheitshalber aber schon mal extraviel Zeit dafür einplanen – denn spätestens nach wenigen Minuten kann man sich dem Verlangen nach einem Rewatch kaum noch erwehren...
Übrigens ist der Hype um den Film vom Publikum bis in die höchsten Ebenen in Hollywood übergesprungen. Was so beispielsweise James Cameron von dem Ausnahmewerk hält, erfahrt ihr hier:
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