
Wenn in unterhaltsamen Stoffen Konflikte von geradewegs staatstragender Schwere ausgetragen werden, wird gern der Vergleich zu Shakespeare gezogen: Disneys Animationsmusical „Der König der Löwen“ wurde beispielsweise schon unzählige Male mit Shakespeares Tragödie „Hamlet“ verglichen.
Und zumindest manchen „X-Men“-Filmen wird ebenfalls ein Hauch von Shakespeare attestiert. Geht es in ihnen doch unter anderem um den endlosen Kampf um Akzeptanz, der mal heroische Figuren derart auslaugt, dass sie ihre Empathie verlieren, und andere Male schurkische Mächte dazu bringt, ihre verletzliche Seite zu zeigen. Falls ihr eure Erinnerung an die Tragweite der „X-Men“-Stoffe auffrischen möchtet: Disney+ hat diesem Winkel des Marvel-Kosmos eine ganze Unterkategorie gewidmet.
Der wohl am deutlichsten an Shakespeare erinnernde Aspekt an den „X-Men“-Filmen dürfte das ewige Tauziehen zwischen Charles Xavier alias Professor X und Erik Lehnsherr alias Magneto sein. Schließlich respektieren sie einander und verfolgen das Ziel, Mutanten ein würdevolles Leben zu ermöglichen. Jedoch sind sie in der Umsetzung ihrer Absichten (zumeist) komplett gegensätzlich – woraus sich die Tragik eines Shakespeare generiert.
Welch Zufall, dass es eine berühmte, tragische und anspruchsvolle Shakespeare-Rolle gibt, die Xavier und Lehnsherr vereint: Sir Patrick Stewart und James McAvoy sowie Sir Ian McKellen und Michael Fassbender haben sie allesamt bereits gespielt – also die älteren und jüngeren Film-Versionen von Professor X und Magneto!
Der Beschützer des Königs wird zu dessen Feind: Diese Shakespeare-Figur verbindet "X-Men"-Mimen
Die Shakespeare-Figur, die sich in der Filmografie der vier wichtigen Darsteller der bedeutsamen „X-Men“-Rivalen wiederfindet, ist der tragische Titelheld des Stücks „Macbeth“: Ein schottischer Lord, dem drei Hexen vorhersagen, dass er zum König aufsteigen wird – woraufhin er eine Intrige gegen den amtierenden König schmiedet, kurz nachdem er dessen Thron noch wacker gegen eine blutige Rebellion verteidigt hat.
Von den vier Darstellern, denen wir uns in diesem Artikel widmen, war „Der Herr der Ringe“-Star Ian McKellen der erste, der in einem „Macbeth“-Film die Titelrolle übernahm: Er spielte den schottischen Lord in einem 1979 veröffentlichten Mitschnitt einer damals aktuellen „Macbeth“-Bühnenadaption. Diese orientiert sich eng am Originaltext, weist aber einzelne Skriptanpassungen durch Shakespeare-Experte Trevor Nunn auf und wurde von „Muppet Show“-Regisseur Philip Casson mit minimalistischem Bühnenbild inszeniert.
„Split“-Mime James McAvoy trat 2005 in McKellens Fußstapfen – jedoch in gänzlich anderer Form: Der britische Fernsehsender BBC One gab unter dem Titel „ShakespeaRe-Told“ vier modernisierte TV-Adaptionen großer Shakespeare-Stücke in Auftrag. „Macbeth“ wurde im Zuge dessen in die Gegenwart verlegt und handelt von einem Souschef in einem Drei-Sterne-Restaurant, dem ein Trio aus übernatürlichen Personen von der Müllabfuhr prophezeit, dass er zum Chef des Betriebs aufsteigen wird. Die Vorlage wurde von „Criminal Justice“-Autor Peter Moffat überarbeitet, die Regie übernahm Mark Brozel.
Fünf Jahre später spielte Patrick Stewart für BBC Four die tragische Shakespeare-Figur: In einem „Macbeth“-Fernsehfilm, in dem der Originaltext verwendet wird. „True Story“-Regisseur Rupert Goold verlegte jedoch durch das Kostüm- und Bühnenbild die Handlung ins Rumänien der 1960er-Jahre. Die Hexen wurden daher als Krankenschwestern neuinterpretiert. Fünf weitere Jahre später machte Michael Fassbender das Quartett voll:
Der „Inglourious Basterds“-Star verkörperte die Titelrolle im „Macbeth“-Kinofilm von „Assassin's Creed“-Regisseur Justin Kurzel. Das Drehbuch von Jacob Koskoff, Michael Lesslie und Todd Louiso orientiert sich an der Vorlage, das Setting bleibt originalgetreu, jedoch präsentiert sich die Tragödie als gewaltreiches Historienepos mit Fantasy-Einschlag. In der FILMSTARTS-Kritik bezeichnete Autor Michael Meyns den Film daher als „Shakespeare für die ,Game Of Thrones'-Generation.“
Weiter urteilte er: „Was nicht gekürzt wurde, wird (in der Originalfassung) oft schwer verständlich dahingenuschelt, auch die Sprache ist rau und roh. Schöngeistige Traditionalisten mögen ihre liebe Mühe mit dieser ungehobelten Lesart voller Blut, Matsch und lautem Pathos haben – originell und auf seine Weise zeitgemäß ist Justin Kurzels Film aber allemal.“
Übrigens: Erinnert ihr euch noch, dass ein Thriller mit Michael Fassbender beinahe eine Regiekarriere zerstört hat? Falls nicht, frischen wir im folgenden Artikel eure Erinnerung auf:
Trotz Marvel-Star und Bestseller-Vorlage: Dieser eiskalte Thriller zerstörte beinahe die Karriere seines Regisseurs*Bei diesen Links handelt es sich um sogenannte Affiliate-Links. Bei einem Kauf über diese Links oder beim Abschluss eines Abos erhalten wir eine Provision. Auf den Preis hat das keinerlei Auswirkung.