Bislang wurden für die Amazon-Prime-Serie „Reacher“ Romane aus dem ersten Jahrzehnt der Figur als Vorlage genommen. Den Anfang machte „Killing Floor“ alias „Größenwahn“, der allererste Roman der Reihe aus dem Jahr 1997. In der zweiten Season sprang man dann zu Buch Nr. 11: „Bad Luck And Trouble“ alias „Trouble“ aus dem Jahr 2007. Die Vorlage der aktuellen dritten Season ist mit „Persuader“ alias „Der Janusmann“ der 2003 veröffentlichte Roman Nr. 7. Doch springt man bei der vierten Season in die Moderne, um uns eine brandaktuelle Geschichte zu bescheren?
In einem Interview mit dem Business Insider erklärte zumindest Romanautor Lee Child, dass „The Midnight Line“ alias „Der Bluthund“ das Buch ist, „auf das ich am stolzesten bin“ und machte klar, dass er gerne sehen würde, dass Roman Nr. 22 aus dem Jahr 2017 adaptiert wird. Interessanterweise erzählte Hauptdarsteller Alan Ritchson dem Medium in einem separaten Interview, dass er „The Midnight Line“ besonders möge und es ein großer Spaß wäre, dieses zu adaptieren und sich somit eine moderne Geschichte vorzunehmen.
Dass wirklich „The Midnight Line“ damit die Vorlage für die vierte Staffel von „Reacher“ wird, ist natürlich nicht gesagt. Es ist aber schon vielsagend, dass sowohl der Hauptdarsteller als auch der Autor parallel denselben Roman aus über 26 möglichen Kandidaten in den Raum werfen. Daher lohnt es sich, einen genaueren Blick auf „The Midnight Line“ zu werfen.
Eine besonders spannende Reacher-Story: Das ist "The Midnight Line"
Der Roman beschäftigt sich mit einem Thema, welches in den USA brandaktuell ist: die Opioid-Krise, die sich seit dem Erscheinen des Buches 2017 sogar noch verschärft hat und zuletzt jährlich über 100.000 Menschenleben kostete.
Der Roman beginnt damit, dass Reacher zufällig im Fenster eines Pfandhauses einen Abschlussring von der Elite-Militärakademie West Point sieht. Er weiß, dass niemand dieses besondere Schmuckstück aufgeben würde, wenn er nicht in einer ausweglosen Notlage ist.
Wild entschlossen, die Geschichte hinter dem Ring aufzudecken und ihn seiner ursprünglichen Besitzerin zurückzugeben, folgt Reacher einer Spur, die ihn durch mehrere Staaten bis nach Wyoming führt. Dabei stößt er zum einen auf Serena Rose Sanderson, eine ehemalige Soldatin, die nach schweren Verletzungen im Afghanistan-Einsatz opioidabhängig wurde und untergetaucht ist. Und er stolpert über Kriminelle, die mit der Sucht von Menschen ihr Geld verdienen...
Das Besondere an „The Midnight Line“ ist, wie viel Raum Lee Child hier auch der Perspektive der Abhängigen gibt. Durch die einfühlsame Darstellung des Leidens in der Opioid-Krise und durch sozialkritische Aspekte, allen voran die Verbindungen zwischen legalen pharmazeutischen Praktiken und dem illegalen Drogenhandel, hebt sich das Buch von anderen Thrillern der Reihe ab. Natürlich bekommen „Reacher“-Fans trotzdem genug Spannung und Action, die sie von der Serie erwarten.
Laut Lee Child wäre die Adaption eine Herausforderung – zum einen für Figur Reacher selbst: „Er muss Mitgefühl für etwas zeigen, das er selbst niemals tun würde – etwas, für das er wahrscheinlich grundsätzlich kein Verständnis hat.“ Zudem verweist der Autor darauf, dass Teile der Vorlage aus der Sicht einer Abhängigen geschrieben sind, was die Umsetzung erschwert: „Ich weiß nicht, wie das im Fernsehen funktionieren würde, aber ich würde es gerne sehen.“
"The Midnight Line": So sehr helfen musste Reacher noch nie
Das einzige, was ein wenig gegen „The Midnight Line“ als Roman für die nächste Staffel spricht: Das Buch knüpft daran an, dass Reacher im 20. Buch „Make Me“ alias „Keine Kompromisse“ über das grausame Geheimnis einer Stadt gestolpert ist, das ihn nachhaltig mitgenommen hat.
Nach dem zwischen „Make Me“ und „The Midnight Line“ erschienenen 21. Roman „Night School“, der uns als Prequel-Geschichte zurück in Reachers Militärzeit führt, ist das Buch also ein Stück weit eine direkte Fortsetzung. Reacher steht noch unter dem Eindruck des absoluten Horrors, den er in „Make Me“ entdecken musste, was seinen ohnehin stark ausgeprägten Helferkomplex noch weiter befeuert. Er fühlt den Zwang, einer Person erfolgreich zu helfen, einen guten Ausgang, einen Gewinn zu verbuchen.
Ein so großes Problem ist das aber nicht: Die Geschichte kann man nämlich sehr gut auch an die aktuelle Staffel anknüpfen, in der Reacher ja auch nicht allen Personen beistehen konnte. Aufgrund seiner Taten sind gute Leute gestorben. Auch das könnte ihn in der nächsten Season besonders motivieren, eine ihm völlig unbekannte Frau retten zu wollen, nachdem er einfach nur einen Ring in einem Schaufenster sieht.
Warum Alan Richtson die Rolle als Reacher um ein Haar nicht bekommen hätte, erfahrt ihr im folgenden Artikel:
Alan Ritchson enthüllt: Eigentlich war ein ganz anderer Star für "Reacher" vorgesehen – so bekam er die Action-Rolle trotzdemHinweis: Dieser Artikel wurde nach dem Finale von „Reacher“ Staffel 3 aktualisiert.