DAS ist der beste Film von David Lynch – und jetzt ist genau der richtige Moment, ihn sich in 4K fürs Heimkino zu holen!
Sidney Schering
Sidney Schering
-Freier Autor und Kritiker
Sidneys Lieblingsfigur ist Donald Duck, sein erster Kinofilm war Disneys „Aladdin“ und bereits in der Grundschule las er eine Walt-Disney-Biografie. Wenn er könnte, würde er ins Disneyland auswandern, aber da das nicht geht, muss ihn seine Disney-Sammlung bei Laune halten.

Wohl jeder David-Lynch-Film ist jemandes eindeutige Nummer eins im Schaffen des Meisterregisseurs. Das eindrucksvolle Drama „The Straight Story – Eine wahre Geschichte“ zum Beispiel ist der unangefochtene Favorit von FILMSTARTS-Autor Sidney Schering.

David Lynch ist aus Kinobestenlisten kaum wegzudenken. Sein Psychothriller „Mulholland Drive“ holte sich etwa Bronze in einem von 10.000 Mitgliedern der Filmpresse erstellten Ranking der besten Filme seit Bestehen von Rotten Tomatoes (mehr dazu). Zudem sicherte sich der moderne Klassiker im prestigeträchtigen Magazin Sight & Sound Platz sieben auf der Liste der besten Filme aller Zeiten.

Fragt man jedoch mich, ist „Mulholland Drive“ zwar das Paradebeispiel dafür, was sich viele unter „lynchesk“ vorstellen, nicht aber sein bester Film – denn das ist „The Straight Story – Eine wahre Geschichte“. Falls ihr ihn nachholen wollt oder endlich eurer Sammlung einverleiben möchtet, hier ein Tipp: Die 4K-Edition von „The Straight Story“ ist als Teil der Amazon-Frühlingsangebote im Preis gefallen!

"The Straight Story": Mit dem Rasenmäher geradewegs durchs Land

Der 73-Jährige Alvin Straight (Richard Farnsworth) lebt mit seiner Tochter Rose (Sissy Spacek) in einem Häuschen in Iowa. Als er erfährt, dass sein Bruder Lyle einen Schlaganfall erlitten hat, beschließt der Sturkopf, ihn zu besuchen, obwohl sie sich vor zehn Jahren zerstritten haben.

Da Alvin keinen Führerschein hat, und er unwillig ist, sich von irgendwem fahren zu lassen, muss er kreativ werden: Er baut einen überdachten Anhänger für Lebensmittelvorräte, eine kleine Schlafstätte und mehrere Benzinkanister, und packt ihn an seinen motorisierten Aufsitzrasenmäher. Nun trennen ihn bloß noch 390 Kilometer vom Ziel...

Nur oberflächlich ein "atypischer" Lynch

Einen geradlinigen Film zum persönlichen Favoriten eines Regisseurs zu küren, der für elliptische Erzählungen berühmt wurde, könnte wie ein Affront wirken. Allerdings ist „The Straight Story“ keine derart hanebüchene Wahl! Nicht bloß, weil die einfühlsame Verfilmung skurriler, wahrer und bewegender Begebenheiten den besten Kritikenschnitt aller Lynch-Regiearbeiten auf der Aggregatorseite Rotten Tomatoes hat:

Verzichtet man darauf, Lynch auf albtraumartige Bilder und verschachtelte Dramaturgien zu reduzieren, und blickt auf die Themen, denen er sich widmete, fügt sich „The Straight Story“ nahtlos in sein Schaffen! Zu den wiederkehrenden Schwerpunkten in seiner Filmografie zählen die Dualität der USA (was Lynch intensiv in „Blue Velvet“ behandelte), Schuldgefühle (siehe etwa „Lost Highway“) sowie die Suche nach Akzeptanz (prominentester Fall: „Der Elefantenmensch“). Diese Motive finden in „The Straight Story“ so eindringlich wie berührend zusammen.

Schlicht komplex, nicht einfach kompliziert

„The Straight Story“ skizziert in beiläufiger, scharf beobachteter Manier das komplexe Bild einer widersprüchlichen Nation: Von Angelo Badalamentis gemächlich voranschreitender Musik begleitet, die archetypische Klangwelten des ländlichen Amerikas mal pastoral, mal melancholisch umwandelt, sehen wir leergefegte Städtchen, kilometerweise Getreidefelder und in ihren Gewohnheiten eingefahrene Dickschädel.

Wir erfahren von vorschnellen Verurteilungen, deren Konsequenzen etwa Rose Kummer bereiten, und bekommen ein Land vor Augen geführt, dessen Bevölkerung entzerrt, geradewegs abgeschottet ist. Trotzdem erleben wir selbstverständliche Gesten des guten Willens, Gespräche mit wahrhaftiger emotionaler Tiefe, sowie Beweise, dass schroff anmutende Mitmenschen fähig sind, einander in aller Einzigartigkeit zu akzeptieren.

Zeigte Lynch in „Blue Velvet“ den eitlen Sonnenschein der USA und ihre schattige Unterseite als verbundene, dennoch eigene Welten, wird in „The Straight Story“ die Gleichzeitigkeit von Idyll und Schmerz deutlich. Alvins bittersüße Reise durch dieses komplizierte Land voller vermeintlich einfacher Leute offenbart Meile um Meile, welch komplexe Gefühlswelt in ihm tobt. So wortkarg der Protagonist sein mag, so sehr er sich mit Wurst und Tabak zufrieden gibt:

Nur nach außen hin ist er der komische Alte auf dem Rasenmäher. Denn er führte ein bewegtes, von tragischen Fehlern und Ungerechtigkeiten gezeichnetes Leben – weshalb es rührt, wie wacker er trotzdem weiter ist. Richard Farnsworth gibt in dieser Rolle eine Darbietung für die Ewigkeit: Mit kleinsten Gesten und filigraner Mimik vermittelt er gewaltigste emotionale Konflikte und verdeutlicht, welch unfassbaren Gedankengänge in Alvin vorgehen müssen.

Eine schräge Form von Geradlinigkeit

John Roach und Mary Sweeney werfen mit ihrem Skript des Weiteren die Frage auf, ob der filmische Alvin Straight diese umständliche Rasenmäher-Odyssee als Form der Selbstgeißelung versteht, als atypische Seelenkur auf vier Rädern oder als Verzögerung einer unbequemen, notwendigen Begegnung. Und durch die beharrliche Ruhe, mit der Lynch es umsetzt, drängt „The Straight Story“ auch uns dazu, über Vergebung, Zwischenmenschlichkeit, Vergänglichkeit und biografische Sackgassen nachzudenken.

Weil Lynch und „Schloss des Schreckens“-Kameramann Freddie Francis dies mit Bildern illustrieren, die Tristesse in Poesie verwandeln, und sich über all dies ein liebenswerter Hauch der Kuriosität legt, wird „The Straight Story“ aber niemals lähmend: Dieser in manchen Ländern von Walt Disney Pictures veröffentlichte Lynch-Film wird durchweg seinem Titelhelden gerecht – und tuckert unermüdlich, verschroben vorwärts. Um die in Alvins Nachnamen liegende Geradlinigkeit auch charakterlich widerzuspiegeln, ist er wahrlich zu vielschichtig.

Wie typisch für Lynch, dieses Paradoxon: „The Straight Story“ erfüllt auf einer Ebene die versprochene Direktheit, doch diese strikte Erzählung enthüllt, wie wenig sie auf anderen Ebenen zutrifft.

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