Dank zahlreicher Western ging John Wayne primär als Revolverheld mit unverkennbarem Hang zum Machismo in die Filmgeschichte ein. So trat er auch wiederholt in Filmen der von Steven Spielberg vergötterten Regieikone John Ford auf. Doch Ford wusste, dass Wayne anders kann, was er in einem jahrzehntelang gehegten Passionsprojekt vorführte:
In „Der Sieger“ lassen Ford und Wayne das Western-Genre bei Seite und erzählen stattdessen eine derb-kauzige, warmherzige Romantikkomödie in der betörend schönen Provinz Irlands – mit Wayne als konfliktscheuen Ex-Boxer! 2018 feierte der auch als „Die Katze mit dem roten Haar“ bekannte Klassiker seine deutsche Blu-ray-Premiere. Seit einiger Zeit ist diese Auflage bloß auf dem Gebrauchtmarkt aufzutreiben, aber diese Woche hat „Der Sieger“ eine HD-Neuauflage im Heimkino erhalten!
Die Blu-ray des Labels Filmjuwelen enthält als Bonusmaterial den Kurzfilm „Rookie Of The Year“. Dabei handelt es sich um ein von Ford fürs Fernsehen inszeniertes, halbstündiges Baseball-Drama mit John Wayne sowie seinen „Der Schwarze Falke“-Ko-Stars Vera Miles und Ward Bond.
Darum geht es in "Der Sieger"
Nachdem er in den USA als Boxer tätig war, kehrt Sean Thornton (John Wayne) in sein irisches Heimatdorf zurück. Dort wird er freudig empfangen – bloß Will Danaher (Victor McLaglen) ist nicht gut auf ihn zu sprechen. Denn der von allen „Red“ genannte Gutsherr hatte schon länger ein Auge auf ein Grundstück geworfen, das Sean ihm nun vor der Nase wegschnappt. Erschwerend kommt hinzu, dass Sean in Reds Schwester Mary Kate (Maureen O'Hara) verliebt ist!
Irische Tradition verlangt, dass Red einer Bindung einwilligen muss, bevor Sean und Mary Kate heiraten dürfen. Doch Red lehnt nicht nur ab, sondern macht sich einen Spaß daraus, Sean zu provozieren. Dass sich der Boxer nicht wehrt, sollte ihn ehren – aber Mary Kate verspürt aufgrund Seans Duckmäusertum bloß Scham...
Ein Film, der Ford vom Herzen kam
„Der Sieger“ entwickelt sich davon ausgehend zu einer Erzählung über den schmalen Grat zwischen sinnstiftenden Traditionen und irrationalen Gewohnheiten sowie Vernunft und steifer Gefühlskälte. Doch auch Identitätssuche, die Frage, was Heimat ausmacht, gesellschaftliche Frauenrollen und der Umgang mit verzehrender, romantischer Sehnsucht sind zentrale Themen dieser temperamentvollen, zünftigen und schönen Romantikkomödie mit dramatischen Zwischentönen.
Als Vorlage diente Ford und „Der Teufelshauptmann“-Autor Frank S. Nugent die Kurzgeschichte „Der stille Mann“ des irischen Schriftstellers Maurice Walsh, der sich wiederum von Shakespeares „Der Widerspenstigen Zähmung“ inspirieren ließ. Ford, der in seinem Schaffen nur sporadisch seine irischen Wurzeln behandelte, las die Kurzgeschichte 1933, verliebte sich in den Stoff und erwarb die Adaptionsrechte für zehn schlappe Dollar.
Schlussendlich erhielt Ford erst in den 1950ern die Gelegenheit, die Kurzgeschichte zu verfilmen – und das bloß im Zuge eines „Einer für euch, einer für mich“-Abkommens mit Republic Pictures: Ford sollte dem Studio zuerst einen sicheren Western-Hit mit seiner „Der Sieger“-Wunschbesetzung liefern. Besagter Western? „Rio Grande“, ein Film, von dem sich Ford erhoffte, dass er einem Urlaub gleicht, und der (trotz tragischer Produktionsumstände) zum Genreklassiker aufstieg! Mehr erfahrt ihr im folgenden Artikel:
Western-Fans müssen diesen bildgewaltigen Klassiker mit John Wayne gesehen haben: Jetzt feiert er sein Heimkino-ComebackKurz nach dem „Rio Grande“-Dreh ging es für Ford, Wayne und O'Hara nach Irland. Walsh erhielt nun, 29 Jahre nachdem Ford ihm die Filmlizenz abgekauft hatte, weitere 6.250 Dollar – und Ford gelang es, das Studio von glorreichem Technicolor zu überzeugen, obwohl Republic Pictures üblicherweise auf einen kostengünstigeren, weniger prächtigen Farbprozess setzte.
Einen Kompromiss musste Ford allerdings eingehen! Er musste dem Studio zusichern, dass „Der Sieger“ maximal zwei Stunden geht. Dieses Ziel verfehlte Ford dennoch: Seine finale Schnittfassung ging 129 Minuten. Statt sich zu beugen, verfolgte Ford einen simplen, gerissenen Kniff, um seine Wunschfassung durchzudrücken:
Wie O'Hara in ihrer Autobiografie „'Tis Herself“ festhielt, führte Ford „Der Sieger“ den Studioverantwortlichen vor und stoppte den Projektor nach zwei Stunden, während sich eine besonders fesselnde Szene anbahnt. Die versammelte Studiobelegschaft wollte wissen, wie es weitergeht und sah ein, dass Kürzungen kontraproduktiv wären. Also blieb der erneute Abstecher in den Schneideraum aus.
Welch ein Segen, dass Fords Plan aufging: „Der Sieger“ ist ein wahres Juwel in der prestigeträchtigen Karriere des einflussreichen Regisseurs. Jede Kürzung wäre ein Verlust! Wayne wächst in seiner atypischen Rolle über sich hinaus. O'Hara ist fabelhaft als auf Sean unwirklich wirkende, aber sehr wohl komplexe Wünsche und widersprüchliches Verlangen verspürende Mary Kate. Und McLaglen nimmt einen potentiell stereotypen Zankapfel, und verleiht ihm durch nahbare Momente Individualität sowie Tiefe.
Überstrahlt werden die engagierte Besetzung und die Hintersinn, fesche Komik sowie Herzlichkeit vereinende Story von der poetischen Bildgewalt des Films: Die Kameramänner Winton C. Hoch und Archie Stout fangen Irlands Natur sowie die durchdacht beleuchteten Innenräume so malerisch ein, dass es an ausdrucksstarke, gefühlvolle Ölgemälde erinnert. Obendrein lenken sie und Ford die emotionale Macht des Films durch eine ausgeklügelte Farbdramaturgie und -symbolik! Denn die sich verändernde Intensität und Häufigkeit von Blau-, Rot-, Gelb- und Grüntönen korrespondiert damit, wie Sean mit Werten, Anforderungen und Gefühlen ringt.

Beispielsweise werden Traditionen, soziale Anforderungen und Gewohnheiten durch Blau unterstrichen – von wohligen hin zu unbequemen Tönen. Fords Auge für ausdrucksstarke Ästhetik sowie sein Gespür für eine unterhaltsame Erzählung gewährleisten dabei, dass „Der Sieger“ auch bewegt, wenn man die hübschen, berührenden Bilder einfach auf sich wirken lässt, statt sich über die Symbolik einen Kopf zu machen. Dieser versierte Tanz entlang Anspruch, Kurzweil und schönem Herzschmerz war es womöglich, der dem Film zu seinen wohlverdienten, sieben Oscar-Nominierungen verhalf – inklusive Oscar-Gewinn in den Sparten „Beste Farbfilm-Kamera“ und „Beste Regie“!
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