Heute Abend streamen: Eine der ergreifendsten Bestseller-Verfilmungen überhaupt - dieser wunderschöne und bewegende Film bleibt euch für immer im Gedächtnis
Björn Schneider
Björn Schneider
-Freier Autor
Seit Björn als Kind „Spiel mir das Lied vom Tod“ und „Hook“ gesehen hat, ist er vom Medium Film und seinen (audio-)visuellen Möglichkeiten fasziniert. Am liebsten schaut er Horror, Western, Mystery und Thriller. Musicals und romantische Komödien kosten ihn allerdings Überwindung.

Ein gelähmter Mann kann nur noch das linke Augenlid bewegen. Und schafft es, ein Buch zu diktieren. Das bewegende Biopic „Schmetterling und Taucherglocke“ erzählt diese unglaubliche Geschichte. Ein Streaming-Tipp.

Wie wenige andere Regisseure hat sich der New Yorker Julian Schnabel im Laufe seiner Karriere einen Namen als Experte für Film-Biografien, sogenannte Biopics, gemacht. In seinen Arbeiten porträtierte er populäre Persönlichkeiten und berühmte Künstler, wie etwa in seinem Debüt „Basquiat“ den neoexpressionistischen Maler Jean-Michel Basquiat. Ebenso widmete sich Schnabel der Allgemeinheit weniger bekannte Personen, deren außergewöhnliche Lebenswege und Schicksale genug Stoff für eine filmische Umsetzung bieten.

Neben „Bevor es Nacht wird“ (2000) über den kubanischen Schriftsteller Reinaldo Arenas zählt dazu Schnabels ergreifendes Porträt „Schmetterling und Taucherglocke“. Der auf dem gleichnamigen autobiografischen Beststeller* des französischen Journalisten Jean-Dominique Bauby basierende Film gehört zu den besten, radikalsten biografischen Dramen der 2000er. Und das nicht nur, weil Schnabel den (Überlebens-) Kampf eines gerade 43-jährigen Mannes, der nach einem Schlaganfall von Kopf bis Fuß gelähmt ist, fast durchgehend aus subjektiver Perspektive schildert. Sondern, weil er mit seinem Film, trotz der Thematik um diesen nur schwer erträglichen Schicksalsschlag, Leichtigkeit und eine märchenhafte Aura verströmt – und den Zuschauer mit einem Gefühl der Hoffnung entlässt.

Aktuell könnt ihr diesen beachtlichen, zutiefst menschlichen Film unter anderem bei Amazon Prime Video streamen: für 3,99 Euro in der Leih- und ab 7,99 Euro in der Kaufversion.

Das ist "Schmetterling und Taucherglocke":

Jean-Dominique Bauby, von allen nur Jean-Do genannt, ist erfolgreicher Autor und führt als Chefredakteur des Magazins Elle ein luxuriöses Leben. Der stets adrett gekleidete Vater von drei Kindern ist ein Lebemann, der edles Essen und teure Reisen ebenso liebt wie ausgedehnte Theater- und Opernbesuche. Sein Schicksalstag ist der 08. Dezember 1995, an dem sich für den Mittvierziger alles, im wahrsten Sinne, schlagartig ändert. Jean-Do erleidet einen schweren Schlaganfall, durch den sein Hirnstamm irreparabel geschädigt wird.

Als er zwei Wochen später in der Klinik aus dem Koma erwacht, kann Jean-Do nicht mehr sprechen und ist fast vollständig gelähmt. Es ist ihm lediglich möglich, den Kopf leicht zu bewegen und mit dem linken Augenlid zu blinzeln. Dieses seltene Phänomen wird als „Locked-In-Syndrom“ bezeichnet: Menschen, die zwar komplett wach und bei Bewusstsein aber aufgrund ihrer Lähmungen nicht mehr in der Lage sind, sich sprachlich oder durch Gesten mitzuteilen. Lebendig im eigenen Körper begraben.

Exakt so fühlt sich Jean-Do zu Beginn. Doch allmählich gewinnt er an Kraft und Durchhaltevermögen – nicht zuletzt dank seiner Träumereien und Fantasie, in der er exotische Orte aufsucht und die Welt bereist. Diese Befindlichkeiten und Gedanken, aus der später seine Autobiografie wird, diktiert er mühsam mittels einer ausgeklügelten, von den Logopäden und Pflegern extra für ihn entwickelten Technik nur mit seinem linken Augenlid. Buchstabe für Buchstabe entsteht so in vielen Monaten das Buch eines Mannes, der, ans Bett gefesselt, das eigene Dasein und das Leben um sich herum nachdrücklich und fantasievoll reflektiert.

Das linke Auge als Tor zu Welt

Schon die ersten, unvergesslichen Szenen kurz nach dem Aufwachen aus dem Koma geben die visuelle Richtung von „Schmetterling und Taucherglocke“ vor. Wir sehen die Welt aus Jean-Dos Sicht, sein linkes Auge ist das Fenster zur Welt. Wenn das Bild kurz schwarz wird, symbolisiert Schnabel damit das Blinzeln. Hinzu kommen Unschärfen und verschwommene Aufnahmen. „Einmal blinzeln ja, zweimal nein“, sagt eine Therapeutin zu ihm, und so beginnt allmählich der lediglich auf Blinzeln basierende Austausch zwischen dem gelähmten Jean-Do und seiner Umgebung.

Schmetterling und Taucherglocke
Schmetterling und Taucherglocke
Starttermin 27. März 2008 | 1 Std. 52 Min.
Von Julian Schnabel
Mit Mathieu Amalric, Emmanuelle Seigner, Marie-Josée Croze
Pressekritiken
4,4
User-Wertung
3,9
Filmstarts
4,5

Die Ärzte, mit denen Jean-Do zu sprechen glaubt und die ihm die schreckliche Nachricht seiner Lähmung überbringen, können ihn nicht hören. Aber wir als Zuschauer können es und hieran zeigt sich exemplarisch ein weiterer absoluter Kunstgriff Schnabels, der die vielschichtige innere Welt seines Protagonisten auf diese Weise akustisch erleb- und greifbar macht. Sein Film ist, gerade zu Beginn, herausfordernd, keine Frage. Gerade jene beschriebenen visuellen Experimente und Spielereien, zu denen ebenso durch Speziallinsen erzeugte Wölbungen im Blickfeld von Jean-Do gehören, sind am Anfang ungewohnt. Doch mit zunehmender Laufzeit wandelt sich dies: Blick und Perspektive weiten sich.

Abwechslung und eine befreiende Weite entstehen außerdem durch die Bilder, die Jean-Dos Erinnerungen an frühere Ereignisse visualisieren – dazu zählen zum Beispiel Urlaube, prägende Ereignisse mit den Kindern und unvergessliche Ausflüge mit den Ex-Geliebten. Schnabel umschifft dabei gekonnt die Gefahr, Schwermut hervorzurufen und sich in den Flashbacks gänzlich gewissen Sentimentalitäten hinzugeben.

Virtuose Montage und rätselhaft-symbolische Atmosphäre

Grund dafür sind der leise Humor und der Hauch von Ironie, der über vielen Szenen liegt und gerade die Momente der Kommunikation mit der Außenwelt gelungen untermalt. Selbst wenn Schnabel gerade das Erlernen des Alphabets als zunächst äußerst beschwerlichen, zähen Kraftakt schildert. Jean-Do bekommt von der Logopädin langsam die Buchstaben des französischen Alphabets nach der Häufigkeit aufgezählt. Im Anschluss notieren sie, wenn der Patient mit der Wimper zuckt, den entsprechenden Buchstaben. Und wenn es mal zu Missverständnissen und falschen „Übersetzungen“ kommt, egal ob mit den Pflegern oder Jean-Dos Familie, darf auch mal geschmunzelt werden.

Ein spezielles Alphabet ermöglicht Jean-Do das Kommunizieren PROKINO Filmverleih GmbH
Ein spezielles Alphabet ermöglicht Jean-Do das Kommunizieren

Sobald die innere Stimme Jean-Dos aufgrund der skurrilen Begebenheiten und des Trubels um ihn herum mal wieder auf trockene Sprüche zurückgreift oder er sein Schicksal schwarzhumorig-pointiert kommentiert, dann evoziert Schnabel damit bewusst Momente der Heiterkeit. Somit nimmt er seinem Film die Last und Schwere. Dieser leichte, natürliche Eindruck, der beim Zuschauen entsteht, ist darüber hinaus dem sorgfältig durchkomponierten Schnitt geschuldet. Die klug montierten Bilder lassen einen Sog entstehen, dem man sich kaum entziehen kann.

Für eine fast rätselhaft-symbolische, surreale Stimmung sorgen die Tagträume und Gedankenreisen, in denen der Gelähmte frei ist und alles erreichen kann. Insofern ist „Schmetterling und Taucherglocke“ auch eine Ode an die Kraft der Imagination und der Erinnerungen, die einem keiner mehr nehmen kann. Sie sind, neben den kognitiven, geistigen Fähigkeiten und der ungemeinen Kreativität, das einzige, das Jean-Do noch geblieben ist. Doch es reicht, das macht der Film deutlich, um Lebensmut zurückzugewinnen und einen neuen Weg zu beschreiten.

Hauptdarsteller Mathieu Amalric („James Bond 007: Ein Quantum Trost“) bewegt mit seiner hingebungsvollen Darstellung, die lange im Gedächtnis bleibt. Das Beachtliche: Amalric vermag es, seiner Figur, die weite Teile des Films regungslos ans Bett gefesselt ist oder im Rollstuhl sitzt, eine ungemeine psychologische Tiefe zu verleihen. Er spielt einen Mann, für den früher oberflächlicher Luxus und flüchtige Affären das Allerwichtigste war. Der, so tragisch und unnachgiebig brutal die Umstände waren, erst durch diesen Schicksalsschlag zu sich selbst und den wahren Wert des Lebens (Liebe, Demut, Familie, enge Beziehungen zu wichtigen Menschen) gefunden hat.

Ebenso wie die Lebensgeschichte von Jean-Dominique Bauby ist auch das Schicksal der "Godmother of Rock'n'Roll", Sister Rosetta Tharpe, nicht jemand bekannt. Hier erfahrt ihr, wer im geplanten Musiker-Biopic die Rolle der großen amerikanischen Jazz-Gitarristin übernehmen soll:

Nach etlichen Skandalen und Schlagzeilen: Dieser umstrittene Superstar soll Hauptrolle im nächsten großen Musik-Biopic spielen

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