"Es ist auf jeden Fall eine Provokation": Die "28 Years Later"-Schöpfer Danny Boyle und Alex Garland im großen FILMSTARTS-Interview
Christoph Petersen
Christoph Petersen
-Chefredakteur
Schaut 800+ Filme im Jahr – immer auf der Suche nach diesen wahrhaftigen Momenten, in denen man dem Rätsel des Menschseins ein Stück näherkommt.

23 nach ihrem bahnbrechenden Kult-Klassiker „28 Days Later“ kehren die originalen Masterminds Danny Boyle und Alex Garland zurück, um mit „28 Years Later“ direkt eine neue Trilogie zu starten. Der Hype kennt seit dem ersten Trailer keine Grenzen.

Der spätere Oscargewinner Danny Boyle („Slumdog Millionär“) war damals dank „Trainspotting“ bereits absoluter Kult, während das spätere „Ex Machina“-Mastermind Alex Garland („Civil War“) noch am Beginn seiner Autorenkarriere stand. Aber gemeinsam schufen sie 2002 einen modernen Klassiker des Zombie-Genres (ja, offiziell sind es Infizierte): „28 Days Later“ präsentierte nicht nur ein spektakuläres Szenario inklusive Aufnahmen von einem leergefegten London, die in der Rückschau gespenstisch an die Covid-Pandemie erinnern, sondern auch einen digitalen Look, mit dem die Macher damals zumindest im Mainstream-Kino praktisch Neuland beschritten.

Nachdem die erste Fortsetzung „28 Weeks Later“ vom Spanier Juan Carlos Fresnadillo inszeniert wurde, meldet sich das Original-Duo nun nach 23 Jahren doch noch zurück: In „28 Years Later“ (ab dem 19. Juni 2025 in den Kinos) konnte das Rage-Virus zwar wieder von Europa nach Großbritannien zurückgedrängt werden, aber seitdem steht die Insel unter absoluter Quarantäne. Die Hauptfiguren sind dabei zunächst der zwölfjährige Spike (Alfie Williams) und seine Eltern (Aaron Taylor-Johnson, Jodie Comer), die auf einer kleinen Insel leben, die nur bei Ebbe über einen schmalen Damm erreichbar ist. Auch Originalstar Cillian Murphy soll noch eine Rolle spielen, allerdings wohl erst am Ende des zweiten Teils, denn Boyle und Garland planen direkt eine Trilogie.

28 Years Later
28 Years Later
Starttermin 19. Juni 2025 | 1 Std. 55 Min.
Von Danny Boyle
Mit Aaron Taylor-Johnson, Jodie Comer, Alfie Williams
User-Wertung
3,3
Filmstarts
4,0
Vorführungen (164)

Der zweite Teil „The Bone Temple“ ist bereits abgedreht und soll bereits in sechs Monaten in die Kinos kommen. Für den dritten Teil wird gerade noch die Finanzierung gesichert. Aber die dürfte so gut wie sicher sein, nachdem die erste Vorschau mit ihrem Doppelschlag aus blutverschmierten Teletubbies und Ohrwurm-Marschgedicht einen solch gewaltigen Hype ausgelöst hat, dass sie bei den 25. Golden Trailer Awards schließlich auch als bester Trailer des Jahres ausgezeichnet wurde.

FILMSTARTS-Chefredakteur Christoph Petersen hat Danny Boyle und Alex Garland im Zoom-Interview auch genau dazu ausgefragt...

FILMSTARTS: Hat jemand von euch tatsächlich die „Teletubbies“ geschaut? Oder wo kommt die Begeisterung bzw. der Hass her?

Alex Garland: Ich hatte damals junge Kinder, also ja.

Danny Boyle: Als dreifacher Vater spielt Kinderunterhaltung eine wichtige Rolle. Als ich selbst in dem Alter war, gab es gar nicht so viel außer „The Woodentops“. Meine Kinder waren hingegen visuell sehr anspruchsvoll, die wollten ständig etwas im Fernsehen sehen. Ich habe alles mitgeguckt. Und natürlich hat uns Pixar völlig aus dem Rahmen katapultiert, weil man plötzlich merkte, wie sehr sich die Qualität von Kinderunterhaltung verbessert und gesteigert hatte. Aber ja, wir haben bei den „Teletubbies“ gewildert, weil man – wenn man so etwas wie Unschuld in einem Horrorfilm unterbringen will – eben genau das sucht. Und wir haben das tatsächlich auf zwei Arten im Film verarbeitet: Einmal die kleinen Kinder, die am Anfang „Teletubbies“ schauen, und dann der Junge, der im Zentrum der Geschichte steht. Unschuld ist eine wunderbare Zutat in einem Horrorfilm.

Der ehrgeizige Jamie (Aaron Taylor-Johnson) will unbedingt, dass sein Sohn Spike (Alfie Williams) bereits mit zwölf Jahren seinen ersten Infizierten erlegt. Sony Pictures
Der ehrgeizige Jamie (Aaron Taylor-Johnson) will unbedingt, dass sein Sohn Spike (Alfie Williams) bereits mit zwölf Jahren seinen ersten Infizierten erlegt.

FILMSTARTS: Und ganz auf der anderen Seite des Spektrums – wer hat die historische Aufzeichnung des Marschgedichts „Boots“ entdeckt, die nach dem Trailer nun niemand mehr aus dem Kopf bekommt und die ja auch im Film selbst eine nicht unwichtige Rolle spielt?

Danny Boyle: Im Rohschnitt des Films hatten wir bereits Archivmaterial verwendet, aber wir waren immer noch auf der Suche nach einem Lied oder einer Melodie aus der Volksgeschichte, die dieses Gefühl von Vergangenheit einfangen und zusätzlich vielleicht auch ein militärisches Gefühl vermitteln konnte. Und dann sahen wir gemeinsam den ersten Trailer, den unser Studio Sony zum Film geschnitten hat – und es war eine absolut außergewöhnliche Erfahrung und deckt sich wohl mit dem Eindruck, den das Gedicht durch die beiden Trailer weltweit hinterlassen hat. Wir probierten es daraufhin im Film aus, und es passte perfekt. Es war ein seltsamer, aber sehr willkommener symbiotischer Moment für uns. Und es ist wirklich außergewöhnlich, dass etwas, das über 100 Jahre alt ist, auch heute in einer so hochentwickelten Welt noch eine so unmittelbare Wirkung entfalten kann.

FILMSTARTS: „28 Days Later“ ist nun bereits 23 Jahre alt. Gab es da während des Entstehungsprozesses nie den Gedanken, jetzt eben noch mal fünf Jahre zu warten, sodass es dann mit dem Titel „28 Years Later“ exakt passt?

Danny Boyle: Wegen der schönen Zahlenspielerei? Sony hat vorab nur 28 Minuten Filmmaterial gezeigt, statt den ganzen Film – um ein paar Überraschungen zu bewahren. Da steckt also schon ein bisschen Augenzwinkern hinter den Datumsbezügen. Aber ehrlich gesagt – bei meinem fortgeschrittenen Alter kann ich es mir nicht leisten, noch fünf Jahre zu warten. Das wäre zu riskant.

Der Mut zum Experiment

FILMSTARTS: „28 Days Later“ war bahnbrechend im Bereich der digitalen Kinofotografie – und ich fand es großartig, wie ihr nicht nur das Szenario, sondern auch dieses technische Element in „28 Years Later“ weitergetrieben hat. Aber da Digitaltechnik inzwischen zum Standard geworden ist: Wie schwierig ist es, neue kreative Einsatzmöglichkeiten für diese Technologie zu finden? Oder braucht es dafür einfach nur den Willen zum Experimentieren?

Danny Boyle: Es ist einfach außergewöhnlich, was für Kameras es inzwischen gibt. Man sieht auch ständig neue Sachen auf YouTube. Ich erinnere mich zum Beispiel an einen Snowboarder, der eine GoPro an einem Seil befestigt hatte. Während er Sprünge machte, schwang er die Kamera um sich herum – und die Aufnahmen waren einfach ... man schaut sie sich an und denkt: Das ist echt. Kein CGI, einfach atemberaubend. So etwas hat mich schon immer fasziniert. In „28 Days Later“ haben wir mit sehr einfacher Technik gearbeitet, und es war schön, diese Tradition fortzusetzen.

Damals war es der erste digital gedrehte Film, der breit veröffentlicht wurde, und sein Look wurde sehr positiv aufgenommen. Wir wollten daher auch diesmal eine Art Hommage daran einbauen. Aber heute ist die Technik unglaublich fortgeschritten. Du kannst mit Smartphones in 4K bei 60 Bildern pro Sekunde drehen – ich würde es zwar nicht empfehlen, weil deine iCloud-Kosten dann explodieren, aber rein technisch liefert das Kinoqualität. Tatsächlich so sehr, dass man sogar im 2,76:1-Format, also in Super-Widescreen, drehen kann – und genau das haben wir versucht. Die Kameras sind leicht, man kann sie auf spezielle Weise montieren, um besondere Action-Momente einzufangen, und das hält das ganze Team auf Trab, weil man sich in einem unbekannten Terrain bewegt – und das habe ich schon immer geliebt.

Der leider dunkel ausgeleuchtete FILMSTARTS-Chefredakteur Christoph Petersen im Gespräch mit Danny Boyle und Alex Garland Webedia
Der leider dunkel ausgeleuchtete FILMSTARTS-Chefredakteur Christoph Petersen im Gespräch mit Danny Boyle und Alex Garland

FILMSTARTS: Alex, eine Sache, die ich am Drehbuch und am Film sehr bewundere, ist, dass ihr dem Publikum zutraut, sich manche Dinge selbst zusammenzureimen. Besonders mochte ich die Szene mit den Schnürsenkeln – da muss man sich erst mal daran erinnern, dass die fetten Infizierten eine Stunde zuvor Würmer gegessen haben. In der heutigen Filmlandschaft: Ist das etwas, wozu man normalerweise Studio-Notizen bekommt mit dem Hinweis, man solle es etwas klarer machen – und muss man dann dagegen ankämpfen, um es so beibehalten zu können?

Alex Garland: Wir haben eigentlich keine Studio-Notizen bekommen – nein. Ich denke, es gab eine Zeit, in der das der Fall gewesen wäre. Als ich angefangen habe zu arbeiten, das war damals mit Danny zur Zeit von „28 Days Later“, da war ein Begriff sehr präsent, den man ständig gehört hat: dumbing down – also „vereinfachen“ oder „verdummen“. Das wurde ständig gefordert. Und was dann passiert ist: Filmemacher wurden ziemlich gut darin, Ideen quasi einzuschmuggeln. In den 1970ern zum Beispiel musste man das nicht. Man musste nicht versuchen, Inhalte über den Katholizismus heimlich in „Der Exorzist“ unterzubringen – das war einfach alles ganz offen da. Aber zu Beginn meiner Karriere musste man eben Wege finden, um dieses dumbing down zu umgehen.

Ich glaube allerdings, das ist heute nicht mehr so angesagt. Der Hauptgrund ist wohl, dass Filme zwischenzeitig so sehr vereinfacht wurden, dass die Leute angefangen haben, sie regelrecht zu verachten. Und irgendwo in diesem Wandel war der gemeinsame Erfolg von Filmen wie „Barbie“ und „Oppenheimer“ ein Signal für die Studios. Er hat ihnen vielleicht gezeigt, dass sie ihren Horizont erweitern sollten. Und man muss auch sagen: Die Leute, die diese Studios leiten, sind oft ziemlich klug. Sie verlangen ja nicht, dass man etwas für sie vereinfacht, sondern für das vermeintliche Publikum. Aber ich glaube, sie haben diese Vorstellung inzwischen ein Stück weit aufgegeben – und die Studios sind heute viel ambitionierter, was die Art der Filme betrifft, die sie produzieren und freigeben, als noch vor 15 Jahren.

Wieso plötzlich eine Trilogie?

FILMSTARTS: Wie seid ihr von der Idee, eine weitere Fortsetzung zu drehen, eigentlich zu dem Entschluss gekommen, dass es direkt eine neue Trilogie werden soll?

Alex Garland: Es gab ein Drehbuch, das ich – ich schätze mal – vor drei, vier Jahren geschrieben hatte. Irgendwann kurz nach Covid. Das war ein eigenständiger Film, aber ehrlich gesagt etwas generisch und er funktionierte auch nicht wirklich. Es war einfach ein bisschen langweilig. Es hat das Potenzial von „28 Years“ nicht wirklich ausgeschöpft. Also sind wir wieder ganz an den Anfang zurückgegangen. Aber anstatt über das Genre nachzudenken – also Infizierte, Zombies, Horror usw. – haben wir uns auf den Titel konzentriert: Was ergibt sich aus dem Konzept, dass 28 Jahre vergangen sind?

Und als wir diesen Ansatz gewählt haben, kam plötzlich sehr viel in Gang. Die Geschichte kam dann fast wie von selbst – und zwar direkt in Form einer Trilogie. Das kam fast überraschend. Es war nicht vorab geplant, sondern eher etwas, mit dem wir uns dann plötzlich konfrontiert sahen. So nach dem Motto: „Oh, verdammt, es ist eine Trilogie.“ Und das bedeutet: viel Geld, das aufgetrieben werden muss. Viel Zeit. Viel Aufwand. Und es bringt auch eine große Ungewissheit mit sich. Denn wenn man mit einer Trilogie beginnt, weiß man nie, ob man sie auch wirklich zu Ende bringen kann.

FILMSTARTS: In den letzten fünf Minuten von „28 Years Later“ teasert ihr bereits an, wie es in „28 Years Later: The Bone Temple“ womöglich weitergehen könnte – inklusive einiger neuer Figuren. Aber das ist schon ein krasser Tonwechsel, der sich da andeutet...

Danny Boyle: Es ist auf jeden Fall eine Provokation, eine ganz bewusste Provokation – und das ist wunderbar. Das Horrorgenre hat die besondere Eigenschaft, dass man tonal Risiken eingehen kann. Das Publikum akzeptiert darin sowohl Humor als auch Angst und Schockmomente, und dadurch kann man sich stilistisch sehr frei bewegen – und genau das haben wir uns zunutze gemacht. Was das genau bedeutet ... da muss man auf den zweiten Film warten, um zu sehen, wie sich das innerhalb der Geschichte entfaltet. Aber der Übergang der Figuren – das stimmt – ist eines der spannenden Elemente dieser Trilogie-Idee. Denn letztlich wird auch Cillian Murphy noch eine wichtige Rolle in dieser Trilogie spielen – aber eben noch nicht jetzt.

„28 Years Later“ staret am 19. Juni 2025 in den deutschen Kinos – und das wahrscheinlich sogar verdammt stark:

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