Egal ob bei TV-Krimis wie „13 Uhr mittags“, bei Kinofilmen wie „Mein Lotta-Leben 2 - Alles Tschaka mit Alpaka“ oder zuletzt bei dem Netflix-Serien-Hit „Achtsam morden“: Wenn Martina Plura Regie führt, kann man sich sicher sein, dass ihre Zwillingschwester Monika Plura als Kamerafrau mit dabei ist. Das ist auch bei ihrem bislang größten Leinwandprojekt nicht anders: „Mädchen, Mädchen!“ (2001) mit Diana Amft, Felicitas Woll und Karoline Herfurth ist nicht nur absoluter Kult, sondern hat damals auch 1,7 Millionen Besucher*innen in die deutschen Kinos gelockt …
… und trotzdem haben sich die Plura-Zwillinge an ein Remake gewagt – und mit „Mädchen Mädchen“ (Kinostart: 3. Juli 2025) das Original sogar noch übertroffen (warum erfahrt ihr in unserer ausführlichen FILMSTARTS-Kritik). Auch deshalb haben wir uns wahnsinnig gefreut, dass die beiden nach einem langen Tag, den sie mit der Suche nach passenden Locations für die zweite Staffel von „Achtsam morden“ verbracht haben, noch für ein persönliches Interview in der Berliner FILMSTARTS-Redaktion vorbeigekommen sind:
FILMSTARTS: Ich mag an „Mädchen Mädchen“ vor allem die Natürlichkeit, mit der über Sex gesprochen wird. Das ist ja auch wahnsinnig spannend: Seit 50 Jahren glaubt man, dass (Teen-)Sex-Komödien gerade deshalb funktionieren, weil alle so mega verklemmt sind – man erinnere sich nur an die titelgebende Onanie-Szene aus „American Pie“. Aber „Mädchen Mädchen“ ist jetzt mal ein Film, in dem alle einfach offen und vernünftig miteinander reden – und das ist trotzdem wahnsinnig lustig…
Martina Plura: Das ist aber ein riesiges Kompliment. Vielen Dank, genau das haben wir versucht. Die drei Mädels haben zwar unterschiedliche Erfahrungen: Die eine wartet auf ihr erstes Mal, die zweite hatte schon mehrere Jungs, aber probiert dann eben auch mal Frauen aus, und die dritte ist seit Ewigkeiten mit ihrem Freund zusammen. Aber wenn sie über Sex oder den Orgasmus sprechen, haben wir bewusst auf den Schenkelklopfer-Humor verzichtet, den man oft sieht, wenn bei Jungfrauen etwa die mangelnde Erfahrung klischeehaft übertrieben wird. Stattdessen gestehen wir jeder Figur zu, individuell damit umzugehen, denn so ist die Jugend. So wird hoffentlich jeder etwas finden, an das er andocken kann.

FILMSTARTS: Ging das Projekt eigentlich von euch aus oder ist der Verleih Constantin auf euch zugekommen mit dem Vorschlag, ein „Mädchen, Mädchen!“-Remake zu drehen?
Martina Plura: Wir haben die Anfrage bekommen und als wir „Mädchen Mädchen“ gelesen haben, dachten wir nur: „Geil, den haben wir doch mit 15 Jahren im Kino geschaut. Na klar sind wir da dabei!“
FILMSTARTS: Wie kriegt man denn das Original und vor allem die Originalbesetzung aus dem Kopf, wenn man ins Casting startet?
Martina Plura: Der Film steht und fällt mit der Besetzung der drei Mädels – und da waren mir vor allem zwei Dinge wichtig. a) Dass ich wirklich glaube, dass die drei, so unterschiedlich sie auch anmuten, tatsächlich beste Freundinnen sind. b) Dass ich ihnen das Alter abnehme. Inken wird ja im Film 17, aber aus rechtlichen Gründen, etwa der erlaubten Drehzeit am Set, konnten wir nicht mit Minderjährigen drehen. Im Casting haben einige Mädels echt mega gespielt, aber ich habe einfach nicht geglaubt, dass sie vor der Kamera als 17-Jährige durchgehen. Ansonsten habe ich mich von den Originalrollen komplett gelöst, auch dass Kya dieselben Locken hat wie damals Diana Amft, ist nur Zufall. Bewusst geblieben sind in Bezug auf die Figuren nur die Namen.
FILMSTARTS: Stand es denn jemals zur Diskussion, auch die Namen zu ändern?
Martina Plura: Nein, ich fand es auch witzig, dass es viele Dialogzeilen gibt, die eins zu eins aus dem Original übernommen wurden, da kann man die Versionen direkt miteinander vergleichen und wird feststellen, dass es trotzdem ein komplett anderer Film ist als damals.

FILMSTARTS: Ihr hattet mit Katharina Kiesl eine junge Drehbuchautorin an Bord. Habt ihr am Set trotzdem noch mit den Darstellerinnen geschaut, was da tatsächlich jugendsprachmäßig durchgeht und was man vielleicht auch noch anpassen muss?
Martina Plura: Ja, aber auch im Vorfeld haben wir mit unserer Autorin zusammen kleine Peer-Groups mit jüngeren Menschen aus unserem Umfeld befragt. Dann ging es mit den Darstellerinnen weiter, dass man darüber gesprochen und dabei immer wieder festgestellt hat: „Das Wort ist irgendwie krumm. Das hat man vielleicht früher so gesagt.“ Ich sage sowieso immer, dass man Dialoge auch mundgerecht machen kann, und wir schauen am Set, wie es passt.
FILMSTARTS: Ihr habt einen der Running-Gags aus dem Original übernommen, nämlich den mit all den fragwürdigen T-Shirt-Aufschriften. Wie sah da die Recherche aus? Habt ihr euch einfach online Tausende der „schlimmsten“ Macho-Sprüche reingezogen?
Monika Plura: Schön, dass es dir aufgefallen ist. Allerdings haben wir den Gag auf eine andere Figur übertragen. Ursprünglich – auch in unserer ersten Drehbuchfassung – war das ja der Freund von Inken. Aber da haben wir uns irgendwann gedacht: „Ey, ganz ehrlich, das geht nicht. Da müsste unsere Hauptfigur ja bescheuert sein, wenn sie mit einem Typen zusammen ist, der solche Shirts trägt.“ Es konnte also nur Schädel sein, er macht doch eh die ganze Zeit doofe Sprüche, da passen die Slogans doch perfekt. Wir haben dann zunächst beim Original geschaut, was für Sprüche es da gab. Welche haben uns gefallen? Welche nicht? Und natürlich einige ergänzt, unter anderem: „Warum liegt hier Stroh?“
Martina Plura: „Andere Länder, andere Titten“ kam zum Beispiel schon im Original vor. Die Idee für „Dort Mund“ (Anm.d.Red.: mit einem Pfeil runter in Richtung Hosenstall) stammt aus unserer Kostümabteilung, die haben die auch alle selbst bedruckt.

FILMSTARTS: Die T-Shirts sind also definitiv nette Anspielungen auf das Original. Und apropos Easter Eggs: Habt ihr Henning Baum eigentlich extra als Inkens Vater besetzt, weil er im ersten Teil auch schon dabei war?
Martina Plura: Ja, genau deswegen.
FILMSTARTS: Wusstet ihr denn vorher schon, was für einen Waschbrettbauch er da präsentiert oder wart ihr auch so überrascht wie ich?
Martina Plura: Da war ich schon auch kurz überrascht (lacht). Natürlich kennt man ihn aus diesen ganzen Actionfilmen, aber als er sich da dann entblättert hat, dacht man schon so: „Okay?!“ Wir haben da dann extra noch eine Rudermaschine mit in die Wohnung gestellt, damit das auch glaubwürdig bleibt. Mir war aber wichtig, dass dann Kristin, seine neue Partnerin, jetzt nicht auch mit einem Waschbrettbauch daherkommt. Wenn einer gerne Sport macht und gerne so aussieht, ist das total okay, aber es ist jetzt auch nicht das eine Ideal. Wir wollten da einen möglichst bunten Mix an Menschen.
FILMSTARST: Ebenfalls übernommen habt ihr die Orgasmus-auf-dem-Fahrradsattel-Sezen – womöglich die ikonischste Szene aus einer deutschen Komödie aus den Nullerjahren. Wie geht man da ran: Denkt man die ganze Zeit, man muss das jetzt unbedingt anders machen? Oder stellt man fest, dass man es möglichst ähnlich machen sollte, weil das Original eben auch so verdammt gut ist?
Monika Plura: Ich habe mir das Original zunächst nicht noch mal extra dafür angesehen, sondern die Szene so für mich bebildert und aufgelöst, wie ich persönlich die Bildgestaltung machen würde, wenn es gar keine Vorlage gäbe. Aber dann haben wir sie uns im Nachhinein noch mal gemeinsam angeschaut und analysiert: „Okay, was gefällt uns? Was wollen wir ähnlich machen?“
Martina Plura: Das eine ist natürlich der eine Punkt: Wie übersetzt man es visuell? Wie sind wir visuell mit der Kamera dabei? Aber dann bleibt noch die Frage der Inszenierung: Wie kann man seine Hauptdarstellerin ein sicheres Gefühl geben kann. Dafür hatten wir unsere Intimitätskoordinatorin mit am Start – Und das war eigentlich ganz witzig: Wir haben uns an einem Sonntagnachmittag mit Kya getroffen – und hatten dazu auch ein Fahrrad in der Wohnung. Dort haben wir eine Art Tonleiter aufgemalt, mit all den A’s und O’s, die zu einem Orgasmus dazugehören. Wenn man den Zettel so sieht, würde man sich wahrscheinlich fragen, was das sein soll. Aber so war sie dann in der Lage, den Orgasmus zu erlernen, als wäre es ein normaler Text. Da musste sie sich nicht erst in irgendwelche Stimmungen bringen, sondern konnte sogar mittendrin ansetzen, wenn man nicht den ganzen Take wiederholen wollte.
Monika Plura: Ich fand es deshalb spannend, weil es beim Dreh nichts mehr mit Erotik zu tun hat. Es ist eine total pragmatische Herangehensweise gewesen, mit der sich dann auch die Schauspielerin sicher fühlt, weil sie es komplett von sich selbst abstrahieren kann. Das hat dann nichts mehr zum Beispiel mit ihren eigenen Orgasmen zu tun.

FILMSTARTS: Ich hatte gerade eure drei Hauptdarstellerinnen bei uns im Leinwandliebe-Podcast zu Gast – und dort zum ersten Mal von der 50-Prozent-Regel gehört, dass man seine eigenen Kostüme nach dem Dreh offenbar zum halben Preis kaufen kann. Es klang fast so, als hätten die Mädels ihre Gage direkt wieder in die Klamotten investiert…
Monika Plura: Ja, für mich war da leider nicht so viel dabei, all die coolen Sachen waren schon den Hauptdarstellerinnen verspochen – ist ja auch klar, wenn sie die im Film selbst getragen haben.
Martina Plura: Trotzdem freut einen das natürlich, wenn man so lange mit der Kostümbildnerin zusammengehockt hat: „Wie ticken die? Was tragen die?“ Wenn sie dann nachher die Klamotten selbst kaufen, ist das immer ein gutes Zeichen, dass man eine starke Auswahl getroffen hat.
FILMSTARTS: Wie werdet ihr das Eröffnungswochenende von „Mädchen Mädchen“ verbringen: Heimlich in Kinos schleichen? Ständig Social-Media durchforsten? Euch ohne Handy im Wald verkriechen?
Monika Plura: Am Set. Wir drehen da gerade die zweite Staffel von „Achtsam morden“. Wir sind davor noch beim Filmfest München, wo „Mädchen Mädchen“ Premiere feiert. Der läuft Sonntagabend und Montagmorgen müssen wir schon wieder am Set in Berlin sein. Aber wir sind auf jeden Fall neugierig und werden mit Sicherheit nachschauen, wie es läuft.
Neben den Plura-Zwillingen hatten wir übrigens auch die drei Hauptdarstellerinnen Kya-Celina Barucki, Julia Novohradsky und Nhung Hong bei uns in der Redaktion zu Gast, um mit ihnen gemeinsam eine Folge für unseren Podcast Leinwandliebe aufzunehmen – und dir könnt ihr euch jetzt direkt hier anhören: