Heute Abend im TV: Ein "Loki"-Star reist in der schönsten Stadt der Welt durch die Zeit – oscarprämiert!
Sidney Schering
Sidney Schering
-Freier Autor und Kritiker
Schon in der Grundschule las er Kino-Sachbücher und baute sich parallel dazu eine Film-Sammlung auf. Klar, dass er irgendwann hier landen musste.

Nostalgie, atemberaubend schöne Impressionen der wunderbaren Seine-Stadt Paris und eine illustre Reihe an namhaften Kulturgeistern, urkomisch gespielt von großen Stars: „Midnight In Paris“ ist poetisch, romantisch und smart. Heute läuft er im TV!

Das Marvel Cinematic Universe hat längst Zeitreisen für sich entdeckt – und ein Darsteller, der besonders viele unternommen hat, ist Owen Wilson: In der Rolle des Agenten Mobius heftet er sich in „Loki“ jenen an die Fersen, die am geordneten Lauf der Zeit herumdoktern. Doch keiner von Mobius' Trips durch die Jahrhunderte reicht an die trocken-komische, romantische und poetische Zeitreise heran, die Wilson 2011 antrat!

In der mit dem Oscar für das beste Original-Drehbuch ausgezeichneten Komödie „Midnight In Paris“ besucht Wilson als nostalgisch-neurotischer Autor nicht bloß die malerischste Stadt der Welt, sondern auch die oft besungenen 1920ern, als Paris der musische Nabel der Kulturszene war. Was folgt, ist lustig, geistreich und zauberhaft!

„Midnight In Paris“ läuft heute, am 3. Juli 2025, ab 20.15 Uhr im rbb. Zudem ist das schwelgerische Filmvergnügen auf diversen Plattformen als VOD verfügbar, etwa bei Amazon Prime Video.

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Darum geht es in "Midnight In Paris"

Der amerikanische Drehbuchautor Gil (Owen Wilson) ist mit Inez (Rachel McAdams) verlobt. Als Gils wohlhabenden Schwiegereltern in spe eine Geschäftsreise nach Paris unternehmen, darf das Paar mit, womit sich für den Schreiberling ein Traum erfüllt: Zwar versteht er sich nicht gut mit Inez' Eltern, doch was hält man nicht alles aus, um die schönste Stadt der Welt zu besuchen?

Während Gil Pläne schmiedet, sich nach der Hochzeit in Paris niederzulassen, trifft dies bei Inez auf wenig Gegenliebe. Die hat viel mehr für das oberflächliche Bücherwissen ihres früheren Studienkollegen Paul (Michael Sheen) übrig, dem sie in der Stadt der Liebe zufällig begegnet. Gil dagegen verliert sich in der Wunschvorstellung, das Paris der „Goldenen Zwanziger“ erleben zu können – eine Träumerei, die Wirklichkeit wird, als er sich nachts verläuft...

Paris, von einer es liebenden Kamera geküsst

Dass sich haufenweise Schöngeister in Paris niedergelassen haben, erklärt sich praktisch von selbst: Die französische Metropole ist einfach unverschämt schön. Diese Pariser Attraktivität inspirierte unzählige Kunstwerke und wurde ebenso in unzähligen Kunstwerken eingefangen. Doch nur selten gelang es einem Amerikaner, das romantisierte Pariser Wesen derart treffend auf Film zu bannen, wie Woody Allen:

Der Regisseur und Drehbuchautor setzte Paris mit diesem Film bild- und klangästhetisch ebenso ein Denkmal wie narrativ. Während die Klangwelt der schönsten Pariser Winkel in dieser Komödie für sich spricht und von französischem Jazz gestärkt wird, erhielt Allen bei der idealisierten Abbildung der Stadt meisterhafte Unterstützung durch den iranisch-französischen Kameramann Darius Khondji:

Der Mann, der zuvor für David Finchers Serienkillerthriller „Sieben“ die Hässlichkeit großer Städte destillierte, fängt Paris in ruhigen, liebevoll positionierten Bildern ein. Auf menschlicher Augenhöhe, herunterblickend, im Aufblick, leicht vom Geschehen distanziert und mittendrin: Stück für Stück suggeriert er durch wohlüberlegte Impressionen, Paris wäre rundum perfekt, ganz gleich, wie man auf die Stadt blickt. Schmeichelnde Goldtöne, das Herz höher schlagen lassende Rotakzente und ein verträumt-kühlendes Blau im genau richtigen Moment intensivieren diesen Eindruck. Die Geschichte, die sich hier entfaltet, könnte mit solchem Zauber an keinem anderen Ort erzählt werden.

Bezaubert gelebte, intelligent entlarvte Nostalgie

Wenn Wilson hibbelig-staunend durch Paris schlendert, auf längst verstorbene, auf einmal quicklebendige Größen verschiedenster Kunstformen trifft und sich abstrus überspitzte, herzlich-launige Gespräche entwickeln, wird klar: „Midnight In Paris“ ist ein Liebesfilm der anderen Art. Am Rande mag es um die Beziehungsprobleme zwischen Wilson alias Gil und McAdams als, einmal mehr, Frau (in spe) des Zeitreisenden gehen.

Doch im Kern dreht sich „Midnight In Paris“ um die Liebe zu einem Ort und einer Zeitspanne – mag man, wie Gil, lange glauben. Aber im Laufe seiner nächtlichen Zeitreisen muss selbst der von seinen Idolen in den Bann gezogene Gil allmählich lernen: Eigentlich ist dies eine Liebesgeschichte über Konzepte, Ideen und Philosophien. Spezifische Orte und Zeitabschnitte können diese durchaus repräsentieren, aber niemals in Fülle ausleben.

So, wie Gil von einer Zeit träumt, die er nie erlebt hat, träumen seine gewitzten Vorbilder von einer Zeit, die sie nie erlebt haben. Früher scheint immer besser, solange man es sich in kurzen Schüben der sentimental-schmeichelhaften Überhöhung vor Augen führt. Aber jedes Früher war jemandes Gegenwart – und in der Gegenwart gibt es stets Banalität, nervige Kleinigkeiten und pochende Ärgernisse massiven Ausmaßes.

Die Goldenen Zwanziger, bildschön und überhöht! LEONINE
Die Goldenen Zwanziger, bildschön und überhöht!

Ohne je die poetisch-verzauberte Tonalität von „Midnight In Paris“ zu verraten oder die ungeheuerlich komischen, kreativen Begegnungen mit genialen Kunstschaffenden verbittert hinfort zu spülen, geleitet Allen seinen Protagonisten und auch uns zur Erkenntnis: Nostalgisch überhöhte Vorstellungen der Vergangenheit sind kein Ort zum Verweilen. Wir haben die Aufgabe, unsere Gegenwart auszuleben und dabei mit anzupacken, eine idealere Zukunft zu errichten.

Die Vergangenheit darf dabei helfen (umso mehr, wenn sie von einem illustren Ensemble verkörpert wird, zu dem Adrien Brody, „Loki“-Hauptdarsteller Tom Hiddleston und Marion Cotillard gehören), wir sollten uns aber niemals von ihr in die Irre führen lassen. Denn selbst Paris ist in seiner Fülle nicht so wundervoll, wie Allen und Khondji es zurechtrücken – sonst müssten sie ihre filmischen Schnappschüsse nicht spürbar, haarklein planen. Einen versöhnlich-reinigenden, romantisierten Regenschauer gibt es zum Abschluss trotzdem. Eisig-erdrückenden Regen wird man in Allens warmen Paris nicht finden.

Wie dreckig und bitter Paris sein kann, fängt wiederum ein Film ein, der „Sieben“-Macher Fincher komplett umgehauen hat. Mehr über den fesselnden, actionreichen Thriller erfahrt ihr im folgenden Artikel:

"Es hat mich umgehauen!": Für "Fight Club"-Macher David Fincher ist dieser Netflix-Actionfilm ein absoluter Kracher

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