Ob „Gladiator“, „1492 – Die Eroberung des Paradieses“ oder „Königreich der Himmel“ – Ridley Scott hat ein unverkennbares Faible für historische Stoffe. Der britische Meisterregisseur liebt große Geschichten, große Schlachten und große Figuren. Doch genau für seine Leidenschaft muss sich Scott immer wieder Kritik gefallen lassen – vor allem, wenn es um die historische Genauigkeit seiner Filme geht.
Insbesondere „Napoleon“ sorgte für Aufsehen unter Historikern. Viele warfen Scott vor, zentrale Ereignisse und Zeitlinien falsch dargestellt zu haben. Scott selbst gibt offen zu, sich künstlerische Freiheiten zu nehmen. Aber während seine Fans das als kreative Interpretation feiern, verweisen Kritiker auf massive historische Ungenauigkeiten. Scotts Geduld mit solchen Einwänden scheint in den letzten Jahren allerdings erschöpft: Auf die Frage eines Journalisten nach historischer Korrektheit entgegnete der Regisseur einmal schroff, dieser solle sich lieber um sein eigenes Leben kümmern.
Umso ironischer klingt es, wie streng Scott mit dem Bibel-Epos „Noah“ von Darren Aronofsky ins Gericht geht – einem Film, in dem ausgerechnet sein guter Freund Russell Crowe (der mit Scott nach „Gladiator“ noch vier weitere Filme drehte!) die Hauptrolle spielt. Denn obwohl der Filmemacher bei seinen eigenen Werken kein Verfechter historischer Präzision ist, scheint er bei biblischer Genauigkeit plötzlich andere Maßstäbe anzulegen.
Ridley Scotts Kritik an "Noah"
Aronofskys „Noah“ aus dem Jahr 2014 erzählt die altbiblische Geschichte von der Arche – jedoch aus einer sehr modernen, psychologisch geprägten Perspektive. Der Regisseur, der sich selbst nicht als gläubig bezeichnet, näherte sich dem Stoff als Charakterdrama: Noah als gebrochener Mann, gezeichnet von Überlebensschuld nach der Sintflut. Früh war klar, dass Aronofskys Interpretation nicht den Erwartungen religiöser Gruppen entsprechen würde. Der Film fiel bei Testvorführungen durch, ein erklärender Haftungsausschluss wurde hinzugefügt – man habe sich künstlerische Freiheiten erlaubt.
Eine dieser Freiheiten sorgte für besonderes Stirnrunzeln: die „Steinernen Wächter“, gigantische Felsenmonster, die Noah beim Bau der Arche helfen. Selbst wohlwollende Kritiker*innen fanden diese Kreaturen befremdlich. Auch Ridley Scott zeigte sich irritiert – und das sehr deutlich.
In einem Interview mit dem National Catholic Register (via Far Out Magazine) erklärte er, die Felsenmänner hätten eher in die Fantasy-Welt von Tolkien und „den Hobbits“ gepasst als in einen Bibelfilm. Ridley sagte, er halte Aronofsky für einen „großartigen Regisseur“, aber „Felsenmänner? Ach was. Da komme ich nie drüber hinweg. Der Film begann sofort als Fantasy.“
Hier könnt ihr euch die Wesen nochmal als Bewegtbild anschauen:
Erst nachdem er sich ausgiebig über die Steinwesen ausgelassen hatte, wurde ihm offenbar bewusst, was sein langjähriger Freund Crowe wohl dazu sagen würde. Mit einem Augenzwinkern fügte er hinzu: „Russell Crowe ist ein guter Freund von mir; ich weiß, dass ich heute Nachmittag eine schreckliche E-Mail von ihm bekommen werde.“
Übrigens: Auch zwischen den beiden Kumpels lief nicht immer alles so harmonisch. Warum der „Gladiator“-Star seinen Regisseur am Set anschrie, erfahrt ihr im nachfolgenden Artikel:
"Ich bin der beste Schauspieler der Welt": Russell Crowe schrie Ridley Scott an, weil ihm die beste Szene von "Gladiator" nicht gefiel