Herzschmerz mal anders
Von Lutz GranertDie historischen Wurzeln des heutzutage mit – immer teureren – Geschenken gefeierten Valentinstags sind in Wahrheit alles andere als romantisch. Namensgeber ist nämlich der Heilige Valentinus, der im 3. Jahrhundert nach Christus nicht nur zahlreiche Kranke geheilt, sondern auch Liebespaare gegen den Willen der Kirche getraut haben soll. Dafür wurde er als Dank schließlich sogar enthauptet! Somit ist es auch wenig überraschend, dass die Liste von Slasher-Streifen, die am „Tag der Liebenden“ spielen, gar nicht mal so kurz ausfällt: „Blutiger Valentinstag“ (1981), das Remake „My Bloody Valentine“ (2009) sowie „Schrei, wenn du kannst“ (im Original nur „Valentine“, 2001) zählen dabei sicherlich zu den bekanntesten Vertretern.
Mit einem originellen Ansatz gelingt es „Heart Eyes – Der Pärchen-Killer“ jetzt trotzdem, dem ganzen Romantik-Bohei noch einmal neue, betont blutige Aspekte abzugewinnen. Wie bereits in seiner als Geheimtipp gehandelten Videospiel-Adaption „Werewolves Within“ erweist sich Regisseur Josh Ruben als sicher beim Kombinieren von stimmungsvollem Horror und alberner Komödie – wobei er hier mit einer romantisch-kitschigen Liebesgeschichte eben noch einen draufsetzt. Das goutierten zum Kinostart in Australien, Neuseeland und Großbritannien pünktlich zum Valentinstag dieses Jahres auch Publikum und Filmkritik, sodass der Slasher-RomCom-Genremix aktuell eine sehr solide Wertung von 75 Prozent positiver Wertungen bei Rotten Tomatoes hält. Aber selbst das hat nichts daran geändert, dass „Heart Eyes“ hierzulande trotzdem direkt als VoD-Angebot erscheint.
Seit zwei Jahren treibt der Heart-Eyes-Killer in den USA am Valentinstag sein Unwesen – und tötet in verschiedenen Städten scheinbar willkürlich verliebte Pärchen. Dieses Jahr hat er sich Seattle als Jagdrevier auserkoren: In der US-Großstadt fürchtet Ally McCabe (Olivia Holt) nach einer missglückten Kampagne für einen Schmuckhersteller um ihren Job als Kreativkraft in einer Werbeagentur.
Für die dringend nötige Schadensbegrenzung heuert die Firmenchefin Crystal Cane (Michaela Watkins) einen gutaussehenden und zutiefst romantischen Freelancer an. Die bislang von der Liebe enttäuschte Ally und Jay (Mason Gooding) treffen sich zu einem – natürlich rein dienstlichen – Abendessen, das trotzdem in einem leidenschaftlichen Kuss endet. Doch für Romantik bleibt keine Zeit, denn der Heart-Eyes-Killer hat ausgerechnet diesen einen Kuss beobachtet und es nun auf sie abgesehen – und dabei sind die beiden ja (noch) nicht mal wirklich ein Pärchen…
Was für ein Potenzial in „Heart Eyes – Der Pärchen-Killer“ steckt, zeigen bereits die ersten zehn – wahnsinnig temporeichen – Filmminuten: Im Prolog inszeniert ein junges Pärchen bei Sonnenaufgang auf einem Weinberg mit Rosenarrangement einen Hochzeitsantrag. Das kitschige Szenario ist mit sülzigem Pop unterlegt, doch der Bräutigam in spe erweist sich als tumber Trottel, weil er den Ring entgegen den expliziten Wünschen seiner Zukünftigen in einer Erdbeere versteckt hat. Aber ob sie ihm diesen Fauxpas auch Jahr später noch vorgehalten hätte, werden wir nie erfahren, denn der maskierte Killer mit Augenschlitzen in Herzform schießt ihm einen Pfeil durch den Kopf.
Der nun nicht mehr angehenden Braut ergeht es nicht viel besser: Auf ihrer Flucht durch endlose Rebenreihen versteckt sie sich ausgerechnet in einer Weinpresse – mit ziemlich matschigen Folgen. Selten wurde mit rosaroten RomCom-Klischees im stilisierten Hochzeit-Hochglanz-Look so blutig und zugleich atmosphärisch dicht und spannend abgerechnet! Dagegen ist Allys morbide Werbekampagne mit dem Thema „Bis der Tod euch scheidet“ ungleich harmloser, selbst wenn sie angesichts der Serienkiller-Schlagzeilen einen Shitstorm sondergleichen provoziert. In den folgenden, ganz bewusst seichten 20 Filmminuten kommt sich dann das eigentliche Filmpärchen näher – garniert mit allerhand schwülstigen Dialogen um (enttäuschte) Lieben. Man glaubt schon fast, in einer Malen-nach-Zahlen-RomCom gelandet zu sein, als der Heart-Eyes-Killer dem allzu weichgespülten Angeschmachte zum zweiten Mal brachial einen Riegel vorschiebt.
Das genreerfahrene Darsteller*innen-Pärchen trägt anschließend weiter zur Dekonstruktion der beiden Genres Horror und RomCom bei: Mason Gooding („Scream VI“) verkörpert den sensiblen und feingeistigen Softie Jay mit einem bezaubernden Lächeln – betont selbstbewusst im Auftreten, geht er jedoch wenig entschlossen gegen den (oder die?) Killer an vor. Olivia Holt („Totally Killer“) gibt die verunsicherte Ally sympathisch tapsig, wenn sie etwa beim ersten Besuch von Jay auffällig unauffällig versucht, ihren herumstehenden Vibrator verschwinden zu lassen – später beweist dann aber ausgerechnet sie ungeahnte Kämpferinnen-Qualitäten.
Zugegeben: Wirklich viel Substanz steckt nicht im Skript, an dem u.a. auch das „Freaky“-Gespann Christopher Landon und Michael Kennedy beteiligt ist: So werden etwa die Verhöre mit einem (natürlich!) unschuldigen Verdächtigen, dem Klamotten und Waffe des Täters untergejubelt wurden, unnötig in die Länge gezogen. Aber selbst solche in Sachen Tempo eher etwas schleppend geratenen Szenen in einer stark abgedunkelten Polizeistation werden mit einigen Pointen süffisant aufgepeppt: So trägt etwa ein aggressiv-gewieftes Polizist*innen-Duo die Namen Hobbs und Shaw – eine Referenz in Richtung „Fast & Furios“-Reihe.
Im letzten Drittel läuft der im neuseeländischen Auckland gedrehte Genre-Zwitter bei einem regelrechten Massaker im Autokino noch einmal zur Hochform auf. Das Finale in einer Kirche bringt mit einer verstörend-stimmigen Auflösung zur Killer-Identität Liebe und Triebe zusammen – und hält zudem einen echten Gore-Leckerbissen bereit:
Wenn eine Person erst durch den Hals aufgespießt wird, bis sich langsam der Kopf vom Körper trennt, kommt das Slasher-Publikum noch einmal voll auf seine Kosten – während frisch verliebte oder zart besaitete Pärchen spätestens bei einer wahrlich widerlichen Kotzszene wohl endgültig bereuen, sich fürs Valentinsdate ausgerechnet in diesen brachialen Ulk verirrt zu haben.
Fazit: Auch wenn der Genre-Mix aus romantisch-harmloser Komödie und mit deftigen Gore-Einlagen aufwartendem Horror-Thriller nicht immer ganz rund wirkt, gelingt „Heart Eyes – Der Pärchen-Killer“ eine unterhaltsame Abrechnung mit den gängigen Klischees beider Genres.