The Rule of Jenny Pen
Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
3,0
solide
The Rule of Jenny Pen

Puppen-Psychoterror im Altersheim

Von Janick Nolting

Nicht eine, sondern gleich zwei große Ängste werden von diesem Film bedient. „The Rule Of Jenny Pen“ beschwört einerseits die Angst vor schaurigen Puppen. In diesem Fall ist es eine kleine Baby-Handpuppe aus Plastik, die dem Publikum das Fürchten lehren soll. Andererseits geht es hier um die noch sehr viel weiter verbreitete Angst vor dem Altern – und in dieser Hinsicht entfaltet der neue Film von Regisseur James Ashcroft seine größte Stärke. Nach „Coming Home In The Dark“ hat der Neuseeländer eine weitere Kurzgeschichte des Schriftstellers Owen Marshall adaptiert und lässt dabei zwei Senioren erbittert aufeinander losgehen.

Mitten in der Urteilsverkündung erleidet Richter Stefan Mortensen (Geoffrey Rush) einen Schlaganfall. Fortan ist er auf fremde Hilfe angewiesen und landet deshalb in einer Altersresidenz. Umso schlimmer, dass er dort nicht nur mit seiner eigenen Vergänglichkeit und seinen körperlichen Gebrechen konfrontiert ist, sondern auch mit einem offensichtlich psychopathischen Dave Crealy (John Lithgow), der sich zumindest noch ein wenig besser als der Rest bewegen kann und dieses gewisse Mehr an Mobilität ausnutzt, um die anderen Mitbewohner*innen des Heims mit einer Handpuppe zu belästigen, zu erniedrigen und zu missbrauchen…

Der ehrwürdige Richter Stefan Mortensen (Geoffrey Rush) hatte sich seinen Aufenthalt im Pflegeheim deutlich weniger feurig vorgestellt… IFC
Der ehrwürdige Richter Stefan Mortensen (Geoffrey Rush) hatte sich seinen Aufenthalt im Pflegeheim deutlich weniger feurig vorgestellt…

„The Rule Of Jenny Pen“ profitiert ungemein davon, dass er auf zwei so grandiose Charakterdarsteller wie Geoffrey Rush (Oscar für „Shine“) und John Lithgow („Konklave“) in den Hauptrollen setzen kann. Im Spannungsfeld ihrer intensiven Blicke voller Frust, Schmerz, aber auch Giftigkeit und später unverfrorener Aggression entfaltet sich der ganze Konflikt des Films. Immer schneller fallen die Hemmungen der Figuren. Und die Suche nach so etwas wie Autonomie und Würde in einem Zustand der Hilflosigkeit wird zum zermürbenden, schier ausweglosen Unterfangen.

Ashcrofts Film arbeitet dabei weniger mit spektakulärem Horror, sondern mit schleichendem psychologischem Thrill. Es gibt Horror-Elemente, zweifellos! Szenen, in denen Realität und Albtraum zu verschmelzen scheinen. Momente, in denen Entsetzen und böses Lachen eng beieinander liegen, etwa wenn ein älterer Herr im Rollstuhl aus Versehen Feuer fängt. Zugleich geht es der Inszenierung von James Ashcroft kaum um klassische Schock- und Gruseleffekte. Die traditionelleren Genre-Elemente, wenn er dann einmal seinen irren Puppenspieler von der Leine lässt und die Gewalt in die Höhe schraubt, sind im Vergleich sogar die schwächeren Passagen des Films.

Zwischen sadistischem Schrecken und schwarzem Humor

Viel furchteinflößender an „The Rule Of Jenny Pen“ ist der eingangs erwähnte Horror des Alterns. Und der wird mitunter ganz unscheinbar in Szene gesetzt. Da reichen manchmal nur kurze Einstellungen. Ein Blick auf den nackten Körper, der von einer Pflegekraft unter der Dusche geschrubbt wird, jeder Privatsphäre beraubt. Nachts späht plötzlich jemand durch den Türspalt in das Zimmer hinein. Ein Leben unter permanenter Beobachtung. Wittert man Gefahr und reagiert deshalb aufmüpfig, dann wird man für verrückt erklärt. Jede Rationalität wird einem abgesprochen und gerade aus dieser Ohnmacht heraus will der Film seinen Terror ziehen.

In die trügerisch hellen Bilder schleicht sich immer auch die Tristesse ein. Die Kamera hängt die meiste Zeit gebannt am vom Schlaganfall gezeichneten Gesicht von Geoffrey Rush und übersetzt so den Weltverlust seiner Figur in klaustrophobisch enge Bilder. Das Abhandenkommen der Mobilität und das Ausgeliefertsein gegenüber einer Gewalt, die ihre letzte Mobilität missbraucht und gegen andere richtet, sucht somit eine starke Intimität, eine Unmittelbarkeit. Zunächst denkt Stefan noch, es sei nur ein Aufenthalt auf Zeit im Heim. Doch mit jeder Minute wächst die Erkenntnis, dass er hier seinen Lebensabend verbringen muss, und die Räume erscheinen immer bedrückender.

Dass John Lithgow Psychos spielen kann wie kaum ein anderer, hat er ja schon mit seiner grandiosen Rolle als Serienkiller in „Dexter“ bewiesen! IFC
Dass John Lithgow Psychos spielen kann wie kaum ein anderer, hat er ja schon mit seiner grandiosen Rolle als Serienkiller in „Dexter“ bewiesen!

Doch trotz mitreißender Ansätze bleibt „The Rule of Jenny Pen“ hinter seinen Möglichkeiten zurück. Er entfaltet nie die emotionale Wucht, die eigentlich in seiner Thematik angelegt ist. Grund dafür ist vor allem, dass seine Missbrauchsstudie zwar voll von abgründigen Beobachtungen ist, aber stilistisch am Ende zu unentschlossen bleibt, um sie als solche tiefergehend wirken zu lassen. Genrekino wird meist vor allem dort interessant, wo es die allzu vertraute Formelhaftigkeit und Tonalität aufsprengt. Doch in diesem Fall landet das Resultat etwas zu auffällig zwischen allen Fronten.

„The Rule Of Jenny Pen“ ist zu ernst, um vollends als schwarze Komödie durchzugehen. Zu bizarr, um als ausgereifte Sozialkritik zu funktionieren. Zu zahm, um als Thriller oder Horrorfilm nachhaltig zu erschüttern. Diesbezüglich enttäuscht gerade der Umgang mit der Puppe, die das Herzstück des Films bilden soll. Verschiedene Ansätze werden angeboten, wie man das Puppenspiel lesen könnte: als Ausdruck der Einsamkeit, als Abspaltung einer grausamen Persönlichkeit. Oder als Parodie der Belustigungen, mit denen man versucht, den Senior*innen die Zeit im Heim zu verschönern. Es geht dort ebenso um die Sehnsucht nach Macht und Überlegenheit, um so die eigene Angst beiseitezuschieben.

Wofür steht die Puppe?

Wie der Film die Figur des Täters und dessen sadistische Späße also irgendwann ins Rampenlicht rückt, ist ebenfalls nicht uninteressant. Aber es wird in seiner Eskalation und in den inszenatorischen Mitteln, mit denen man die Brutalität mit der Puppe anregender reflektieren könnte, enttäuschend begrenzt und lauwarm umgesetzt. Es bleibt vielmehr ein einzelnes groteskes Bild, das auf den ersten Blick noch verstört, aber dann immer weiter verpufft, wenn man es auf eine so konventionelle Gewaltspirale herunterbricht, um die Konfrontation der beiden Männer voranzutreiben.

Leider nimmt genau diese konfrontative Gewaltspirale so viel Raum im Film ein, dass ihm später beinahe der Blick für das Wesentliche abhandenkommt. Das meint neben dem schon beschriebenen Horror des Alterns auch den Horror der Institution des Pflegeheims an sich. Und der hat zunächst erstmal nichts mit Psychopathen, albtraumhaften Visionen und Gruselpuppen mit leuchtenden Augen zu tun. Er umfasst die Vorstellung von alltäglichen Routinen, die dort gelebt werden sollen und auf deren emotionale Herausforderung und Überforderung wahrscheinlich niemand so wirklich vorbereitet ist.

Fazit: „The Rule Of Jenny Pen“ ist ein stark gespieltes Psychoduell, das einige anrührende wie unbequeme Beobachtungen zum Autonomieverlust anstellt, den das Alter mit sich bringen kann. Als Genrefilm bleibt das alles jedoch etwas konfus und halbgar im Einsatz und Bruch seiner unterschiedlichen Formeln und Motive.

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