Karli & Marie
Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
2,5
durchschnittlich
Karli & Marie

Ein sommerliches Roadmovie aus Oberbayern

Von Lutz Granert

Viele Gaunerpaare haben bereits Kinogeschichte geschrieben. Da wären etwa „Bonnie und Clyde“ (1967) als Initialzündung für die Kinoreformbewegung des New Hollywood oder „Thelma & Louise“ (1991) als feministische Abrechnung mit Machismo und Patriarchat. Motor beider Filme ist die immerwährende Flucht vor der Polizei – bis zum bitteren Ende. Natürlich hinkt der Vergleich dieser beiden einflussreichen US-Filmklassiker mit der weitgehend an Schauplätzen im oberbayerischen Landkreis Ebersberg gedrehten Komödie „Karli & Marie“ gewaltig, auch wenn der heimatverbundene Regisseur Christian Lerch („Das Glaszimmer“) einige Anspielungen auf große Leinwand-Meilensteine durchblitzen lässt. Neben etwas Lokalkolorit ist es vor allem dem kabaretterfahrenen und spielfreudigen Duo aus Sigi Zimmerschied (bekannt als granteliger Dienststellenleiter Moratscheck aus den Eberhofer-Krimis, zuletzt in „Rehragout-Rendezvous“) und Luise Kinseher („Weißbier im Blut“) zu verdanken, dass das bieder inszenierte, weitgehend harmlose und eher an solide TV-Kost erinnernde Roadmovie zumindest etwas Verve und Charme mitbringt.

Wachsen auf ihrem abenteuerlichen Roadtrip allmählich zusammen: Gauner Karli (Sigi Zimmerschied) und Unternehmerin Marie (Luise Kinseher). Eckhard Kuchenbecker 2024
Wachsen auf ihrem abenteuerlichen Roadtrip allmählich zusammen: Gauner Karli (Sigi Zimmerschied) und Unternehmerin Marie (Luise Kinseher).

Als der in Sprengstoff versierte, ehemalige Bundeswehrsoldat Karli (Sigi Zimmerschied) gerade seinen nächsten Raub durchziehen will, wird er von Marie Müller (Luise Kinseher) in ihrem alten Opel Admiral über den Haufen gefahren. Um Stress mit der Versicherung zu vermeiden, verarztet sie den Gauner kurzerhand zu Hause. Die oberbayerische Unternehmerin hofft auf einen Auftrag eines Kunden in Innsbruck, damit sie den drohenden Bankrott ihres Betonwerks doch noch abwenden kann – und heuert Karli spontan als ihre Begleitung an. Nach einer Panne und einer Explosion der klapprigen Karre gerät der Trip nach Österreich jedoch ohne Auto und ohne Geld abenteuerlicher als gedacht – und Marie entwickelt nicht nur zunehmend Sympathien für ihren schrulligen Begleiter, sondern findet auch Gefallen an kleinen Gaunereien.

Beim Verarzten von Karlis Wunden kommt schnell sein Auslandseinsatz in Afghanistan zur Sprache. Da gäbe es doch Spätfolgen, meint Marie, posttraumatischen Stress? „Kaffee hilft“, meint der kleptomanisch veranlagte Karli lakonisch. Schon hier zeigt sich, wie gut die Chemie zwischen den beiden Charakteren passt. Während Luise Kinseher die überforderte und vom Leben enttäuschte Spießerin gibt, die von ihrem Ex-Mann mit der Sekretärin betrogen wurde, gibt Sigi Zimmerschied genüsslich den ebenso schrulligen wie entwurzelten Überlebenskünstler, der schon mal Probeteller aus einem Innsbrucker Gourmetrestaurant stibitzt und immer wieder Geschichten vom Militär erzählt.

Zu wenige Gags – von denen viele nicht zünden!

Für Situationskomik gut sind eine ungläubige Polizistin, die ob ihres nicht funktionierenden PCs komplett ausrastet, und eine versehentlich falsch deponierte Autobombe. Das hört sich nun reichlich wahnwitzig an, aber die biedere Inszenierung von Christian Lerch (er schrieb u.a. mit am Drehbuch für „Wer früher stirbt, ist länger tot“) neigt bei unterm Strich dann doch eher moderater Witzdichte zu langen und entsprechend auch öden Einstellungen, welche – wie bei wiederholten Gags bei Bühnenprogrammen – trotz der überschaubaren Laufzeit von 85 Minuten für eine gewisse Ermüdung sorgen. Immerhin schleichen sich für Findige immer wieder einige Anspielungen auf Kino-Klassiker in „Karli & Marie“, wobei Lerch in den letzten Minuten sowohl „Fight Club“ (1999) als auch dem Schlussbild von Charlie ChaplinsModerne Zeiten“ (1936) seine Ehrerbietung erweist.

In seinem Drehbuch kommt Ulrich Limmer („Ein ganzes Leben“), dem die Geschichte angeblich am Strand in Sardinien einfiel, nicht ohne teils arg dick aufgetragene und unglaubwürdige Konstruiertheiten aus, damit der Roadtrip in der zweiten Filmhälfte dann aus Innsbruck irgendwie wieder nach Oberbayern führt. Da muss Anhalterin Marie dann schon einmal von einem schnell zudringlichen Wattenscheider eingesammelt werden, der erst mühsam überwältigt wird und dessen Mitbringsel-Präsentkorb auf dem Rücksitz des gestohlenen Autos abends in einer abgelegenen Scheune als Vesper dient, wo mit einem alten Traktor natürlich gleich das nächste einsatzfähige Gefährt bereitsteht. Immerhin bieten die malerische Berg- und Wiesen-Kulissen und das Lokalkolorit (gedreht wurde unter anderem am Bahnhof in Steinhöring – Lerchs Heimatort –, der Schlossbrauerei Ebersberg und in Wasserburg) ein paar hübsche Postkartenansichten zu der substanzarmen Feelgood-Komödie in bayerischer Mundart, der zuweilen etwas der Antrieb fehlt.

Fazit: Die Chemie zwischen Sigi Zimmerschied und Marie Luise Kinseher als ungleiches oberbayerisches Gaunerpaar stimmt, aber „Karli & Marie“ plätschert trotz einiger netter Gags und hübscher Postkartenmotive etwas betulich dahin.

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