Mein Leben, mein Ding
Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
2,5
durchschnittlich
Mein Leben, mein Ding

Kaum einem anderen Film hätte man es so sehr gewünscht

Von Gaby Sikorski

Ein Blick in die Filmografie von Sophie Fillières gleich einem Flanieren durch das französische Arthouse-Kino. Sie hat oft als Co-Autorin an Filmen, meist von Regisseurinnen, mitgeschrieben. Am bekanntesten in Deutschland sind vermutlich „Madame Sidonie in Japan“ mit Isabelle Huppert sowie „Der Flohmarkt von Madame Claire“ mit Catherine Deneuve und Chiara Mastroianni. Eigentlich aber war Sophie Fillières vor allem gelernte Regisseurin, sie gehörte zum ersten Jahrgang des entsprechenden Studiengangs an der FEMIS, der renommieren, 1986 gegründeten halbstaatlichen Pariser Filmhochschule. Als Regisseurin hatte sie sich auf Komödien spezialisiert, von denen nun mit „Mein Leben, mein Ding“ erstmals eine den Weg auch in die deutschen Kinos findet – tragischerweise erst zwei Jahre nach ihrem frühen Tod.

Als Sophie Fillières im Juno 2023 starb, waren die Dreharbeiten zu „Mein Leben, mein Ding“ gerade beendet. Es sollte ihr Vermächtnis und ihr persönlichster Film werden, mit einer Protagonistin, über die sie sagte, dass sie „vielleicht schön war, vielleicht geliebt wurde, vielleicht eine große Liebhaberin war und eine gute Mutter für ihre Kinder“. Eine perfekte Beschreibung für diese Barberie Bichette (Agnès Jaoui), die nicht gern „Barbie“ genannt wird, sich aber gelegentlich selbst so anspricht. Barberie ist Mitte 50 – und sie hat alles, was landläufig zu einem angenehmen Leben gehört: genug Geld, einen sicheren Job in einer Werbeagentur, einen erwachsenen Sohn und eine zickige 17-jährige Tochter. Aber Barberie ist eine Vielleicht-Frau, unsicher in allem, was sie tut, und unglücklich, weil sie immer noch nicht weiß, wer sie ist und was das Ganze überhaupt soll.

„Mein Leben, mein Ding“ ist ein zutiefst melancholischer Film, das zeigt sich schon im Gesicht der Protagonistin. Filmwelt
„Mein Leben, mein Ding“ ist ein zutiefst melancholischer Film, das zeigt sich schon im Gesicht der Protagonistin.

Ihr Leben lang hat sie funktioniert, hat sich für die Kinder aufgeopfert, vermutlich auch für ihren Ex-Mann. Sie hat also getan, was nötig war, aber nie das, wozu sie Lust hatte. Und dabei hat sie den Spaß am Leben verlernt. Nun möchte sie ihre Memoiren schreiben, kommt damit aber nicht voran. Also verabredet sie sich mit Männern, und auch dabei hapert es. Stattdessen lässt sich von ihrer besten Freundin zutexten, die sie lieber anschwindelt, statt ehrlich über ihre Probleme zu reden, nur um endlich ihre Ruhe zu haben. Denn in Wahrheit hat Barberie viele Probleme, sie geht sogar zur Therapie, allerdings bisher erfolglos. Das könnte auch an ihrem Analytiker (Marc Strauss) liegen, dessen Kommentare sich auf Gegrummel oder zustimmendes Nicken beschränken.

Immerhin weiß Barberie, dass es so nicht weitergehen kann. „Ich brauche neue Lebensfreude“, sagt sie, die gern mit ihrem Spiegelbild spricht und sich selbst den Mittelfinger zeigt, sich aber so leicht auch nicht unterkriegen lässt, nicht einmal von einem Zusammenbruch, der sie ruckfrei in die Psychiatrie befördert. Denn Barberie verfügt trotz allem über eine beträchtliche Energie und viele positive Eigenschaften, denen sie es verdankt, dass sie bis jetzt durchgehalten hat: Sie ist klug und fantasievoll – und sie hat Humor, der oft sehr trocken kommt und gelegentlich in Richtung Sarkasmus abgeht. Barberies Gedichte, die sie ab und an schreibt, spiegeln ihre Persönlichkeit und ihre Stärke. Ihre Verse sind ungewöhnlich, witzig und traurig zugleich, erfüllt von Liebe, Fantasie und natürlich Unsicherheit…

Eine kongeniale Besetzung

Die Melancholie der Gedichte zieht sich durch Barberies Leben – und sie zieht auch immer wieder durch das Gesicht von Agnès Jaoui, die sich die Rolle der Barberie scheinbar mühelos aneignet und in dieser schwierigen, spröden Persönlichkeit aufgeht, die vielleicht eine verhinderte Künstlerin ist, vielleicht aber auch eine ganz normale Frau, eine von vielen, die es nie gelernt haben, sich durchzusetzen oder auch nur mal den Mund aufzumachen, wenn etwas nicht passt. Agnès Jaoui, selbst auch als Autorin („Das Leben ist ein Chanson“) und Regisseurin („Champagner & Macarons“) unterwegs, spielt sie so natürlich, dass die permanent herausgeforderte Barberie immer liebenswerter wird.

Barberies Unglück wird fühlbar, ohne dass sie jemals um Mitleid heischen würde oder quengelig wirkt. Im Gegenteil: Sie bleibt humorvoll, als ob sie sich ständig selbst mit einem Augenzwinkern betrachtet. Und wenn sie irgendwann in Richtung England aufbricht, um etwas zu ändern, notfalls auch sich selbst, dann ist das zwar ein bisschen rührend, vor allem aber lustig.

Eine perfekte Besetzung: Agnès Jaoui spielt nicht einfach nur Barberie, sie geht völlig in der Rolle auf. Filmwelt
Eine perfekte Besetzung: Agnès Jaoui spielt nicht einfach nur Barberie, sie geht völlig in der Rolle auf.

Agnès Jaoui trägt die Komödie mit ihrer Verletzlichkeit, mit ihrem Lächeln und mit ihrem ganzen Charme … und rettet damit den Film vor der endgültigen Zerstörung, denn besonders in der zweiten Hälfte mehren sich merkwürdige Handlungssprünge. Die Komödie wird erst sperriger, dann rätselhaft – und am Schluss passt doch so einiges gar nicht mehr zusammen. Das hat mit Sicherheit damit zu tun, dass „Mein Leben, mein Ding“ auf Wunsch von Sophie Fillières, die wusste, dass sie bald sterben würde, von ihren beiden Kindern posthum fertiggestellt wurde. Aber selbst, wenn man als Zuschauender um die tragischen Hintergründe weiß, wird das Scheitern zwar verständlich, aber ein Scheitern ist es trotzdem.

Vielleicht hätten ihre Kinder, die Schauspielerin Agathe Bonitzer und der Regisseur und Schauspieler Adam Bonitzer, Barberies Courage und ihre ganze Fantasie, aber auch eine Portion mehr Komödienerfahrung brauchen können, um aus dem vorhandenen Material ein schlüssiges Finale zu basteln. So gibt es zwar wunderschöne Bilder aus Schottland und eine Barberie, die unter dem wolkenreichen Himmel des Nordens aufblüht wie eine verwahrloste Topfpflanze, die endlich mal wieder gegossen wird. Aber es bleiben eben auch einige Ungereimtheiten. Immerhin wird klar, dass es einen neuen Anfang gibt, und darin steckt eine Menge ansteckender Optimismus.

Fazit: Die Frauenkomödie „Mein Leben, mein Ding“ beeindruckt vor allem durch die sympathische Hauptdarstellerin Agnes Jaoui. Sie fungiert mit viel Humor und Energie als Alter Ego der Drehbuchautorin und Regisseurin Sophie Fillières, die kurz nach Abschluss der Dreharbeiten mit 56 Jahren verstarb, nachdem sie die Fertigstellung des Films in die Hände ihrer beiden ebenfalls im Filmgeschäft tätigen Kinder gelegt hatte. Die beiden taten, was sie konnten, aber das war leider nicht genug.

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