Der neue Star aus "Drachenzähmen leicht gemacht" hat sichtlich Spaß am Retro-Grusel
Von Lutz GranertMitte der 1980er Jahre schien die Welt noch in Ordnung: Die gleichnamige Kinderbande aus dem Kult-Klassiker „Die Goonies“ (1985) begab sich mit analoger Karte auf die Jagd nach einem Piratenschatz, während die vier Teenager aus der Stephen-King-Adaption „Stand By Me – Das Geheimnis eines Sommers“ (1986) ohne Smartphone-Navigation nach der Leiche eines Jungen suchten. Seit ein paar Jahren erleben solche – mehr oder weniger kindgerechten – Abenteuer ein umfassendes Nostalgie-Revival. Mit seinem Achtzigerjahre-Zeitkolorit, das sogar den Kate-Bush-Song „Running Up That Hill“ nach Jahrzehnten zu einer erneuten Platzierung in den Charts verhalf, steht Netflix’ Mystery-Megahit „Stranger Things“ ganz vorne an der Spitze dieser Retro-Welle.
Nach seinem Debüt mit der in der Gegenwart angesiedelten Teenagerkomödie „This Is The Year“ versucht nun auch der Filmemacher David Henrie auf diesen Trend aufzuspringen: „Monster Summer“ kann dabei zwar mit einem prominenten Cast punkten – allen voran Mel Gibson und dem 17-jährigen Mason Thames, der dank seiner Hauptrolle als Hicks im Realfilm-Remake von „Drachenzähmen leicht gemacht“ gerade gewaltig an Popularität zugelegt hat. Unterm Strich fehlt es dem zwar kindgerechten, aber auch etwas naiv geratenem Mystery-Abenteuer allerdings an originellen Ideen und jenem unverwechselbaren Charme, den man mit den großen Vorbildern verbindet.
Sommer 1997, kurz nach dem Start der Hochsaison auf der Insel Martha’s Vineyard sucht der leichtgläubige Nachwuchsjournalist Noah Reed (Mason Thames) nach seiner ersten Story für die örtliche Tageszeitung. Dafür will er den finsteren Gerüchten um den Einsiedler Gene Caruthers (Mel Gibson) auf den Grund gehen, der sich bei den Recherchen jedoch schnell als harmloser Ex-Polizist entpuppt.
Als immer mehr Kinder auf der Insel nach einem nächtlichen Ausflug am Strand wie katatonisch vor sich hinstarren, beginnen Noah und seine Freunde Sammy (Abby James Witherspoon) und Eugene (Julian Lerner) zunächst noch widerwillig, mit Gene gemeinsam zu ermitteln. Das Ergebnis ihrer Nachforschungen: Offenbar gibt es eine Hexe, die den Kindern ihre Lebensenergie aussaugt…
Wenn ihr schon beim letzten Satz der Synopsis mit dem Kopf geschüttelt habt, solltet ihr „Monster Summer“ lieber gleich links liegen lassen. Selbst auf dem Papier offensichtlich komische Szenen werden von Regisseur David Henrie nämlich bierernst inszeniert – etwa, wenn der selbsternannte Spurenleser-Experte Gene aus zwei großen und zwei kleinen Fußabdrücken im Sand allzu Offensichtliches folgert oder Noah anschließend am Tatort einen zerbrochenen Besen als eindeutiges Indiz für eine Hexe identifiziert. Das liegt wohl auch daran, dass „Monster Summer“ vor allem für eine junge Teenager-Zielgruppe konzipiert wurde – obwohl Erwachsene zugleich auch mit einem durchaus spielfreudigen 90er-Jahre-Allstar-Cast in den Nebenrollen adressiert werden.
Lorraine Bracco („GoodFellas“) gibt eine auffallend und schwarz gekleidete Kinderbuchautorin mit exzentrischer Noblesse. Die Figur von Ex-Teenie-Star Patrick Renna heißt Umpire, also genau so, wie im Englischen Baseball-Schiedsrichter genannt werden – eine offensichtliche Verbeugung vor seinem Part in „Herkules und die Sandlot-Kids“. Mel Gibson sind als humpelndem Ex-Polizisten mit väterlicher Attitüde sogar einige berührende Momente rund um eine traurige Episode aus seiner Vergangenheit vergönnt. Aber: Als getriebenem Hobby-Detektiv gelingt es Jungdarsteller Mason Thames mit seiner quirligen Art, die Sympathien sofort auf seine Seite zu ziehen. Trotz einer gewissen Blauäugigkeit weist er von den halbwüchsigen Charakteren am meisten Profil auf – auch weil seine von seinen absurden Thesen irritierten Freunde zeitweise aus dem Film verschwinden.
Der Plot gewinnt nach einigen ernsten, aber wenig einfallsreichen Zwischentönen um den Wert von Freundschaft und Familie im letzten Drittel dann noch einmal ordentlich an Spannung. Zum düsteren und effektvollen Finale wird dann sogar ein ungeahnter und gelungener jump scare aufgeboten – was man im bis dahin (vielleicht sogar zu) familienfreundlichen Drehbuch von Cornelius Uliano und Bryan Schulz („Peanuts – Der Film“) so wohl nicht (mehr) erwartet hätte.
Wirkliche nostalgische Gefühle werden in „Monster Summer“ abseits des wiederholten Umherradelns mit BMX- und Bonanza-Fahrrädern aber nur selten geweckt. Anspielungen auf „Akte X“ und den T-1000 aus „Terminator 2 – Tag der Abrechnung“ (1991) in einzelnen Dialogzeilen reichen nicht, um das alles in allem arg spärlich eingesetzte Zeitkolorit zu ersetzen. Da wird einmal mehr klar, dass „Stranger Things“ eben doch etwas ganz Besonderes ist und sich so leicht nicht kopieren lässt.
Fazit: Der betont familienfreundliche und zuweilen etwas naiv und plump geratene Gruselfilm „Monster Summer“ punktet zumindest mit einem spannenden Finale. Mason Thames, der parallel in „Drachenzähmen leicht gemacht“ mit seinem beflügelten Kumpel Ohnezahn über die große Leinwand rast, beweist im Zusammenspiel mit einem souveränen Mel Gibson, dass tatsächlich einiges an Star-Potenzial in ihm steckt.