Karate Kid: Legends
Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
3,5
gut
Karate Kid: Legends

Ein würdiges Vermächtnis mit einem neuen Helden

Von Björn Becher

Als im Herbst 2022 ein neuer „Karate Kid“-Kinofilm angekündigt wurde, reagierten viele Fans erstmals skeptisch. Schließlich galt die gefeierte Netflix-Serie „Cobra Kai“ bereits als perfekte Weiterführung des legendären Franchise. Was soll ein weiterer Kinofilm da noch draufsetzen? Zumal die Serienverantwortlichen nicht direkt am Leinwandprojekt beteiligt wurden. Und dann sollte neben Original-Star Ralph Macchio auch noch Jackie Chan seine Rolle aus dem zwar finanziell erfolgreichen, aber viel gescholtenen Remake „Karate Kid“ von 2010 wieder aufnehmen. Kein Wunder, dass da erst mal die Alarmglocken schrillten.

Aber nun ist es gerade diese Zusammenführung der beiden Welten, die sich in „Karate Kid: Legends“ als Erfolgsgeschichte erweist: Jackie Chan, hier zum ersten Mal seit dem enttäuschenden Remake wieder in einem großen Hollywood-Film zu sehen, macht einfach unglaublichen Spaß. Und selbst wenn die Serien-Fans bestimmt schimpfen werden: Das weitgehende Ignorieren von „Cobra Kai“ ist ebenfalls ein schlauer Schachzug! So wird deutlich, dass „Karate Kid“ im Kino einfach viel größer als eine Netflix-Serie ist (und man sich nicht MCU-mäßig zunächst durch sechs Staffeln kämpfen muss, um alle Anspielungen zu verstehen). Aber die stärksten Trümpfe der Neuauflage von Jonathan Entwistle sind Hauptdarsteller Ben Wang, die Action-Choreografie sowie erstaunlich viel Herz...

Das neue „Karate Kid“ Ben Wang macht an der Seite seiner prominenten Co-Stars eine sehr gute Figur. Sony Pictures
Das neue „Karate Kid“ Ben Wang macht an der Seite seiner prominenten Co-Stars eine sehr gute Figur.

Trotz des Verbots seiner Mutter (Ming-Na Wen) nutzt Li Fong (Ben Wang) jede mögliche Sekunde, um in der Kung-Fu-Schule seines Onkels und Meisters Mr. Han (Jackie Chan) zu trainieren. Doch dann kommt der Schock. Auch um den Ort zu verlassen, an dem ihr ältester Sohn starb, will Li Fongs Mutter in New York ein neues Leben beginnen. Für den Junior ist Kung-Fu damit endgültig Geschichte – stattdessen heißt es plötzlich, in einem neuen Land und in einer neuen Schule für anspruchsvolle Tests zu büffeln. Immerhin freundet er sich schnell mit der Nachbarin Mia (Sadie Stanley) an. Er trainiert sogar ein wenig mit ihrem Vater Victor (Joshua Jackson), einem Pizzabäcker und Ex-Boxer mit Geldproblemen.

Allerdings macht Li Fong auch die Bekanntschaft von Mias Ex-Freund Connor (Aramis Knight) – und der Karate-Champion versohlt ihm bei einer Konfrontation mächtig den Hintern. Da taucht Mr. Han auf, der gespürt hat, dass mit seinem einstigen Schüler etwas nicht stimmt. Er ermuntert Li Fong, sich beim größten Martial-Arts-Turnier der Stadt anzumelden, um den Titelverteidiger Connor in seine Schranken zu weisen. Doch um Li Fong zu trainieren, braucht es jemanden, der Karate kann. Zum Glück erinnert sich Mr. Han daran, dass ihm sein alter Freund Mr. Miyagi einst von seinem besten Schüler Daniel LaRusso (Ralph Macchio) erzählt hat…

Eine bekannte Geschichte mit ganz viel Herz!

Mit weltweiten Einnahmen von fast 360 Millionen Dollar bei einem Budget von nur 40 Millionen Dollar war das „Karate Kid“-Remake mit Jaden Smith ein finanzieller Megahit. Deshalb sollte es auch zeitnah eine Fortsetzung geben. Doch Co-Star Jackie Chan trat auf die Bremse. Er wollte sicherstellen, dass die Fortsetzung besser wird. Mehrere Skriptentwürfe soll der Action-Superstar deshalb abgelehnt und zurück zur weiteren Überarbeitung geschickt haben. So verstrich immer mehr Zeit, bis man in Hollywood das Projekt absagte. Dass Chan jetzt bei einem komplett neuen Anlauf plötzlich zustimmte, war da schon mal eine gute Nachricht.

Den China-Superstar hat womöglich gereizt, dass sich „Karate Kid: Legends“ vom Ballast der Reihe schnell befreien kann. Im Stile eines Legacy-Sequels werden mit der Auftaktszene inklusive „Karate Kid II“-Verweis und einer kurzen animierten Einführung zwar die bisherigen Universen vereint – zugleich wird aber auch schnell klar, dass man keinen der Kino-Vorgänger und schon gar nicht „Cobra Kai“ kennen muss, um hier Spaß zu haben. Es ist ein neuer, für sich alleinstehender Film. Der erzählt auch sicher keine innovative Geschichte: Erneut ist der Held verliebt, aber der Ex-Freund seines Schwarms entpuppt sich als durch und durch böser Schläger, der auch noch von einem sadistischen Ex-Trainer angetrieben wird. Und erneut verläuft die Auflösung in erwartbaren Bahnen.

„Karate Kid: Legends“ vereint viele bekannte Elemente, besticht aber auch mit sehr viel Herz! Sony Pictures
„Karate Kid: Legends“ vereint viele bekannte Elemente, besticht aber auch mit sehr viel Herz!

Was „Karate Kid: Legends“ trotzdem sehenswert macht: Es steckt sichtlich unglaublich viel Herz in dieser Geschichte. Das offenbart sich vor allem in den grundsympathischen Figuren, die sich hier versammeln und denen man konsequent die Daumen drückt. Das gilt gerade auch für einige Nebenfiguren, wie dem von „Dawson's Creek“-Kultstar Joshua Jackson verkörperten Victor. In seinem Kino-Comeback nach einem Jahrzehnt voller Serienrollen hat dieser einen überraschend großen Handlungsstrang als Ex-Boxer, der sich mit der Hilfe von Li Fong wieder fit für den Ring machen will. Die wunderbare Chemie zwischen Jackson und Ben Wang macht die auf den Kopf gestellte Schüler-Mentor-Dynamik (der Junge trainiert den Alten) zu einem kurzweiligen Vergnügen. Hier gibt es auch die spaßige Trainingsmontage, die man in einem „Karate Kid“-Film sehen will.

Sie entschädigt sogar dafür, dass die reihenprägenden Montagen bei der späteren Ausbildung von Li Fong durch Mr. Han und Daniel LaRusso deutlich zurückgefahren werden. Sowieso dürfte es einige Fans enttäuschen, dass hier alles recht schnell erzählt wird. Es ergibt zwar Sinn, weil Li Fong schon als Kampfsport-Ass eingeführt wird und es nur noch darum geht, sein Kung-Fu mit Karate-Kenntnissen zu veredeln. Doch gerade in der zweiten Hälfte wirkt das Geschehen teilweise sehr gehetzt. „Karate Kid: Legends“ hat eine knackige Laufzeit von nur 94 Minuten – aber schon das Original hat ja bewiesen, dass sich die Geschichte auch über zwei Stunden trägt. Das hat zur Folge, dass der Auftritt von Ralph Macchio am Ende recht klein bleibt – und sich viel übereilt ereignet. So schmiert der Film in der zweiten Hälfte nur deshalb nicht ab, weil die ersten 30 Minuten eine starke Basis gelegt haben und man die Figuren längst in Herz geschlossen hat.

Jackie Chan bringt mehr ein als sein Schauspiel

Auch Jackie-Chan-Fans sollten vorher wissen, dass sie ihren Liebling nur in einer Nebenrolle sehen. Bei einem amüsanten Küchen-Kampf beweist der „Police Story“-Star aber, dass er es auch jenseits der 70 noch draufhat. Das Beste, was er neben seinem Charisma zu „Karate Kid: Legends“ beisteuert, ist seine Action-Expertise. So war am Film nicht nur er selbst beteiligt, er hat auch gleich noch sein persönliches Stunt-Team mitgebracht. Stunt-Koordinator und Second-Unit-Regisseur Peng Zhang ist zudem ein ehemaliges Double von Chan (bei „Rush Hour 3“) – und seit gut zwei Jahrzehnten in Hollywood tätig. Zudem war es sicher nicht von Nachteil, dass er zuletzt für die Action von „American Born Chinese“ verantwortlich zeichnete.

Denn in der Disney-Serie bekleidete niemand anderes als Ben Wang die Hauptrolle – und der ist nicht nur der wahre Star von „Karate Kid: Legends“, sondern eine echte Action-Entdeckung: Wang besitzt die nötige Körperbeherrschung, die es für grandiose Choreografien braucht – und hat zugleich das Charisma, um uns zu involvieren und zu fesseln. Das Highlight ist dabei ein Hinterhof-Kampf, in dem der gerade frisch in den Big Apple gezogene Li Fong die Schläger eines Kredithais vermöbelt, als diese seinem Nachbarn Victor ans Leder wollen. Die Sequenz steckt voller Ideen und Einfälle, die dem Kampf durchgehend WOW-Momente verleihen. Die Choreografie kombiniert gekonnt Wangs Fähigkeiten mit dem Einsatz typischer New-York-Utensilien, wie herunterfahrbaren Feuerleitern oder herumstehenden Mülltonnen.

Sie wurde zwar in Montreal gedreht, aber die beste Actionszene des Films nutzt den Schauplatz New York trotzdem gekonnt. Sony Pictures
Sie wurde zwar in Montreal gedreht, aber die beste Actionszene des Films nutzt den Schauplatz New York trotzdem gekonnt.

Allerdings gehört zur Wahrheit auch dazu, dass man gleich an mehreren Stellen das Gefühl hat, dass die Szene noch besser hätte sein können: Mehrfach hätte man gerne länger am Stück die durchgängige Choreografie und Wangs Kampffähigkeiten gesehen! Ist das einer gewissen Entschärfung für die gewünschte Altersfreigabe geschuldet? Oder – was wahrscheinlicher ist – mit dem Versuch zusammenhängen, mit mehr Schnitten mehr Dynamik zu erzeugen? Aber statt den Protagonisten längere Zeit in einer Totalen zu beobachten, wechseln wir zwischen mehreren Perspektiven, die nicht immer alle die Übersicht fördern. Es ist eine Schwäche, die nicht nur hier im Hinterhof, sondern auch beim ansonsten spannenden Finalkampf an einem beeindruckenden Schauplatz durchschimmert.

Fazit: Mit Ben Wang betritt ein möglicher neuer Martial-Arts-Star die Kinobühne. Unterstützt von Jackie Chan (in seinem Hollywood-Comeback) begeistert das neue Karate Kid – und das nicht nur in den stark choreografierten, aber nicht immer ganz perfekt geschnittenen Actionszenen. Statt dem Publikum Vorwissen abzuverlangen, erzählt man dazu eine kurzweilige (wenn zugleich auch arg kurze) Abwandlung der inspirierenden Gut-gegen-Böse-Geschichte, wo es „nur“ einen Sieg in einem Kampfsport-Turnier braucht, um doch wieder alles geradezurücken.

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