The Amateur
Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
3,0
solide
The Amateur

Agenten-Thriller alter Schule – gut gemacht, aber ohne den letzten Kick

Von Christoph Petersen

Nach vier Staffeln und 45 Folgen seiner preisgekrönten Hacker-Hitserie „Mr. Robot“ wird niemand mehr ernsthaft daran zweifeln, dass ein von Oscargewinner Rami Malek („Bohemian Rhapsody“) verkörperter Protagonist überragende Computerkenntnisse besitzt. Aber als CIA-Analyst Charles Heller wird er von den „echten“ Geheimagenten wie The Bear (Jon Bernthal) trotzdem nicht für voll genommen: Für die Real-Life-007s ist er bestenfalls ein besserer IT-Nerd – und auch wenn es am Ende wohl vor allem Sicherheitsgründe hat, passt es da einfach perfekt ins Bild, dass Charles und seine Kolleg*innen ihre Decodierungs-Tätigkeiten in fensterlosen Kellerräumen verrichten müssen.

Nun gibt es immer wieder Romane, Serien und Filme, in denen sich jemand mit einer rein analytischen Ausbildung plötzlich doch im Feldeinsatz wiederfindet, so zum Beispiel Melissa McCarthy als titelgebende Analystin in „Spy – Susan Cooper undercover“. Aber „The Amateur“ von James Hawes geht da noch mal einen entscheidenden Schritt weiter – und gerade der macht die Ausgangssituation so spannend: Charles Heller wird nämlich nicht von seinen Bossen in den Einsatz geschickt. Stattdessen ist er es selbst, der den CIA-Direktor Moore (Holt McCallany) mit kompromittierenden Unterlagen dazu erpresst, ihn als Killer auszubilden – um sich so an den Mörder*innen seiner bei einer terroristischen Geiselnahme getöteten Frau Sarah (Rachel Brosnahan) rächen zu können.

Die letzten glücklichen Momente, bevor CIA-Analyist Charles Heller (Rami Malek) seine Frau Sarah (Rachel Brosnahan) bei einem grausamen Anschlag verlieren wird. Disney und seine verbundenen Unternehmen
Die letzten glücklichen Momente, bevor CIA-Analyist Charles Heller (Rami Malek) seine Frau Sarah (Rachel Brosnahan) bei einem grausamen Anschlag verlieren wird.

Der frühere kanadische Journalist Robert Littell hat seit Beginn der 1970er-Jahre eine ganze Reihe von Spionage-Romanen vor allem über die Machenschaften von CIA, KGB und Stasi während des Kalten Krieges geschrieben. Aber trotz des Erfolgs der Bücher wurden bislang erstaunlich wenige davon verfilmt. Neben den britischen Mini-Serien „The Company“ (2007) und „Legends“ (2014) hat es bislang nur „The Amateur“ auf die große Leinwand geschafft – dieser dafür aber gleich doppelt: Nach dem B-Movie-Agenten-Actioner „Der zweite Mann“ (1981) mit John Savage in der Titelrolle kommt die Neuverfilmung nun sehr viel hochwertiger produziert daher. James Hawes („One Life“) war zwar noch nie ein Regisseur, der mit inszenatorischen Sperenzchen auffällt, aber „The Amateur“ ist sauberes Handwerk und damit die perfekte Bühne für seinen dominierenden Hauptdarsteller.

Bond-Bösewicht Rami Malek („Keine Zeit zu sterben“) brilliert in dem ambivalenten Part, gerade weil dieser in zwei so gegensätzliche Teile auseinanderfällt: Auf der einen Seite gibt es die vornehmlich aus Nullen und Einsen bestehenden Gebiete, in denen der hochintelligente Charly natürlich alle übertrumpft. Zugleich stellt er sich aber oft genug wie der titelgebende Amateur an, der auf dem Schießstand selbst aus nächster Nähe nur zu 50 Prozent ins Schwarze trifft. Sein Crashkurs-Ausbilder Henderson (Laurence Fishburne) glaubt jedenfalls aus gutem Grund, dass Charly nicht den Hauch einer Chance hat, seine umfassenden Rachepläne in die Tat umzusetzen – schon allein deshalb, weil sein Naturell schlicht nicht das eines Killers ist, weshalb er es auch nicht schafft, den Abzug einer auf eine Person gerichteten Pistole zu drücken.

Pollen und Pool

„The Amateur“ kommt fast ohne Action aus. Und so richtig spektakulär wird es auch nur das eine Mal, wenn Charly – wie bereits im Trailer zu sehen – den real existierenden Pool in die Luft sprengt, der in 35 Metern Höhe zwei Gebäude des Embassy-Gardens-Komplexes in Baltimore miteinander verbindet. Aber spannend ist das Ganze trotzdem, weil Charly eben gerade nicht alles und jeden einfach James-Bond-mäßig abräumen kann, sondern seine Pläne an seine eigenen fachlichen Fähigkeiten und ethischen Einschränkungen anpassen muss. Statt auf Schießeisen und Folter muss er dann eben auch schon mal auf einen Sack voll Blumenpollen als Folter- und Mord-Methode zurückgreifen.

Charles bleibt nichts anderes übrig, als den CIA-Direktor Moore (Holt McCallany) zu erpressen, um seinen persönlichen Rachefeldzug starten zu können. Disney und seine verbundenen Unternehmen
Charles bleibt nichts anderes übrig, als den CIA-Direktor Moore (Holt McCallany) zu erpressen, um seinen persönlichen Rachefeldzug starten zu können.

Achtung, im folgenden Absatz geht es um die Auflösung von „The Amateur“, die wir natürlich inhaltlich nicht vorwegnehmen, aber manch einer mag auch schon eine allgemeine Einordnung als Spoiler verstehen. Also Weiterlesen ab hier auf eigene Gefahr!

Nach allem, was bisher zu den Nachdrehs für den Marvel-Blockbuster durchgesickert ist, wurde der politkritische Anteil bei „Captain America: Brave New World“ nachträglich spürbar eingeschmolzen. Wir wissen nicht, ob aufgrund der aktuellen politischen Stimmung eine ähnliche Entscheidung auch bei „The Amateur“ getroffen wurde, aber es fühlt sich auf jeden Fall ganz so an: Immer und immer wieder schaut Charles im Verlauf des Films das Video von der Ermordung seiner Frau, um doch noch ein kleines Detail zu entdecken, das er bislang übersehen hat – und auch sonst deutet Vieles darauf hin, dass uns am Ende noch ein entscheidender Twist erwartet. Aber Pustekuchen!

„The Amateur“ zieht seine Geschichte konsequent geradlinig durch. Und fast möchte man sagen, dass das doch eine erfrischende Abwechslung ist. Nur gibt es im Roman und auch in der ersten Verfilmung sehr wohl noch einen Twist, der auch in der Neuverfilmung sehr gut gepasst hätte. Hier bleibt er ohne ersichtlichen dramaturgischen Grund aus. Vielleicht wollte man aus Gründen außerhalb des Films nicht mehr auf die US-Institutionen einprügeln als unbedingt nötig. Und so wurde das verstörende Originalende durch eine Auflösung ersetzt, die aufgrund ihrer anbiedernd-versöhnlichen Harmlosigkeit fast noch verstörender wirkt.

Fazit: „The Amateur“ liefert gradlinigen Agenten-Thrill mit aufregender Prämisse und spannendem Protagonisten – nur am Ende gibt es dann lediglich ein laues Lüftchen statt des erwarteten großen Sturms.

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