"Final Destination" mit Aufziehäffchen
Von Pascal ReisDass Spielzeuge in Wahrheit ein Eigenleben führen, wissen wir ja allerspätestens seit den „Toy Story“-Filmen. Aber dabei muss ja nicht zwingend immer nur ein lustiges Abenteuer für die ganze Familie herauskommen – und quasi als Beweis startet nun „The Monkey“ in unseren Kinos. Ein Film, der bei Fans möglichst düsterer Genre-Kost regelrechte Verzückungszustände hervorrufen dürfte – jedenfalls in der Theorie: Immerhin stammt die gleichnamige Kurzgeschichten-Vorlage aus der Feder von Stephen King und damit vom Master Of Horror höchstpersönlich. Zudem hat Regisseur Osgood „Oz“ Perkins im vergangenen Jahr den Serienkiller-Superhit „Longlegs“ verantwortet, der unter anderem als „gruseligster Film des Jahrzehnts“ gefeiert wurde.
Trotzdem sollte man seine Erwartungen besser ein gutes Stück zurückschrauben, denn gerade in Anbetracht der beteiligten Namen ist „The Monkey“ dann doch eine ziemliche Enttäuschung: Nicht nur erweitert der Film die eh schon ellenlange Liste an durchwachsenen Stephen-King-Verfilmungen. Auch lässt Oz Perkins sein feines inszenatorische Gespür, mit dem er „Longlegs“ mit Nicolas Cage zuletzt zu einem so unter die Haut kriechenden Seherlebnis gemacht hat, diesmal weitgehend vermissen. Dabei beginnt der Film noch verdammt launig:
In der Eröffnungssequenz werden wir nämlich Zeuge, wie ein blutverschmierter Adam Scott („Severance“) in einem Pfandleihhaus verzweifelt all seine Überredungskünste bemüht, um ein auf den ersten Blick harmlos erscheinendes Aufziehäffchen (im Amerikanischen als „Jolly Chimp“ bekannt) loszuwerden. Sekunden später zeigt der Spielzeug-Primat seine Zähne, lässt den Drumstick in der Hand kreisen und schlägt auf seine kleine Trommel ein. Dadurch wird eine – natürlich keinesfalls zufällige – Verkettung von Ereignissen losgetreten, bei der am Ende eine Harpune den herausgerissenen Darm des Ladenbesitzers einmal quer durch das Geschäft spannt.
Wenn Adam Scott daraufhin noch unter lautem Kampfgebrüll versucht, den Spielzeugaffen mit einem Flammenwerfer zu vernichten, werden hier auch ohne Leonardo DiCaprio Erinnerungen an Quentin Tarantinos „Once Upon A Time... In Hollywood“ wach. Keine Frage, der Auftakt weckt Hoffnungen auf pulpiges Splatter-Kino, das sich einen richtig bösen Spaß daraus macht, das Ableben seiner Figuren möglichst kreativ (und derbe) in Szene zu setzen. Dieser Marschroute bleibt „The Monkey“ aber nur bedingt treu. Stattdessen verwendet Oz Perkins viel zu viel Zeit auf die emotional arg forcierte Geschichte rund um die Zwillingsbrüder Hal und Bill (als Jugendliche verkörpert von Christian Convery, im Erwachsenenalter dann von „The Gentleman“-Star Theo James).
So bremst sich der Regisseur, der auch das Drehbuch verfasst hat, immer wieder selbst aus. Wenn Perkins in den ersten 30 Minuten den Schulalltag der Zwillinge erforscht und die durchaus liebevolle Beziehung zur Mutter nachzeichnet, möchte man ihm noch ein ehrliches Interesse an der Lebensrealität der Teenager unterstellen. Doch schnell wird deutlich, dass auch die Ängste und Sorgen der Jungs nur für den nächsten Gag herhalten sollen. Bezeichnend ist dabei eine Beerdigungssequenz, die fast schon fahrlässig mit den Gefühlen von Hal und Bill umgeht, nachdem der Film vorab so viel Zeit und Ernsthaftigkeit in diese Figuren investiert hat.
Diese Zweigleisigkeit zwischen ernsthafter Emotionalität und platt-blutigen Gags setzt sich auch nach einem 25-jährigen Zeitsprung fort. Als Erwachsener hat sich Hal endgültig mit seinem Bruder überworfen. Als emotionaler Anker soll deshalb nun die Beziehung zu seinem von ihm sträflich vernachlässigten Sohn (Colin O'Brien) herhalten. Dieser soll in Kürze vom schleimigen „Vatersein-Experten“ Ted (Elijah Wood) adoptiert werden. Und so kommt es zu einem „letzten“ gemeinsamen Roadtrip, auf dem man einander inmitten all des wiedererwachenden Affen-Terrors näherkommt.
Dass Oz Perkins die Vater-Sohn-Beziehung so ernst nimmt, könnte womöglich auch mit seiner eigenen Biografie zusammenhängen – und hier bekommt „The Monkey“ eine interessante Meta-Ebene. Schließlich verhandelt die Stephen-King-Verfilmung auch die Bürden, die Väter ihren Söhnen unweigerlich vererben. Ein Umstand, den Oz Perkins vielleicht auch am eigenen Leibe erfahren hat, schließlich war sein Vater niemand Geringeres als der vor allem für seine legendäre Serienkiller-Performance in Alfred Hitchcock Jahrhundertmeilenstein „Psycho“ bekannte Anthony Perkins.
Ein selbstreflektierter, womöglich sogar therapeutischer Ansatz lässt sich in „The Monkey“ aber trotzdem allenfalls erahnen, denn die im Verlauf der Handlung immer Cartoon-artigere Züge annehmende Gewalt torpediert nicht nur das seriös gemeinte Charakterdrama. Als Zuschauender stellt man sich auch unweigerlich die Frage, ob Oz Perkins sich nur nicht getraut hat, einfach einen bitterböse-zynischen, sich in seiner Hemmungslosigkeit suhlenden Splatterfilm in Szene zu setzen. Oder ob ihm die Geschichte womöglich gar so nah gegangen ist, dass der die absurden Blutmengen als Mittel zur Distanzschaffung hat fließen lassen.
Unausgereift, ja, fast schon ideenlos wird dabei auch die Geschichte von Hal und Bill wieder aufgegriffen, wenn sich die Brüder in einer Festung voller Fallen im Stile einer FSK-18-Version von „Kevin – Allein zu Haus“ wiedertreffen. Hier merkt man am deutlichsten, dass „The Monkey“ auf einer gerade einmal 68 Seiten umspannenden Kurzgeschichte basiert. Denn dass Oz Perkins letztlich daran scheitert, die Handlungsfäden und Charaktere zusammenzubringen, lässt sich vor allem mit der fehlenden Aufrichtigkeit erklären, die der Regisseur seinen Protagonisten entgegenbringt.
Themen wie Schuld, Trauer oder der richtige Umgang mit dem Tod erhalten zwar (zu) viel Raum, aber dann wird doch nur wieder alles dem nächsten Kill geopfert. Schlussendlich bleiben so vor allem die blutigen Pointen, die in ihren besten Momenten Erinnerungen an die „Final Destination“-Reihe wecken: Da explodiert unter anderem eine Schwimmerin beim Sprung in einen elektrisch geladenen Swimmingpool in Tausend Fleischteile und einer Maklerin wird der Schädel mit einer Schrotflinte gesprengt – und zwar so spratzig, dass sich Hal noch einen ihrer Finger aus dem Mund fischen muss.
Am Ende versinkt sogar eine ganze Kleinstadt im apokalyptischen Chaos, inklusive eines brennenden Kinderwagens und einem Surfbrett, das einen Mann zerteilt. Außerdem hat sich Oz Perkins selbst auch eine Rolle in den Film geschrieben – und wie diese dran glauben muss, ist ebenfalls amtlich matschig.
Dass es sich beim Hauptverantwortlichen von „The Monkey“ tatsächlich um den Regisseur von „Longlegs“ handelt, lässt sich indes vor allem an einem Aspekt erkennen, nämlich dem atmosphärischen Abbilden abgehängter US-Regionen. Die Impressionen des amerikanischen Nordostens erweisen sich hier jedenfalls als absoluter Stimmungsgarant: Eine abgewirtschaftete, aus der Zeit gefallene Motelanlage sowie einsame Landstriche und Familienhäuser in Maine, DEM Stephen-King-Bundesstaat schlechthin, knüpfen stimmig das Band zum Vorlagenlieferant. Dieser war schließlich nicht nur ein Meister darin, brachialen Horror zu zelebrieren, sondern auch ganz subtil die klaustrophobische Enge der ausufernden Abgeschiedenheit Neuenglands heraufzubeschwören.
Fazit: Beim Aufblasen der gleichnamigen Kurzgeschichte von Stephen King hat sich Regisseur Oz Perkins leider ein Stück weit verrannt. So derbe einige der sadistischen Splatter-Einlagen auch sind, ist „The Monkey“ insgesamt einfach nicht enthemmt genug, um Gorehounds rundum glücklich zu machen. Dafür gibt Oz Perkins den Ängsten und Sehnsüchten seiner Protagonisten (viel zu) viel Raum, nur um sie dann doch wieder für den nächstdoofen Gag über die Klinge springen zu lassen. Bei „Final Destination“ wäre ja auch keiner auf die Idee gekommen, jedem der Opfer erst mal ein ausgewachsenes Charakterdrama zu gönnen.