Cleaner
Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
2,5
durchschnittlich
Cleaner

"Stirb langsam" trifft "Fridays For Future"

Von Lutz Granert

Eine Weihnachtsfeier im Hochhaus Nakatomi Plaza endete in einem regelrechten Blutbad – und führte zu einem äußerst einflussreichen Genre-Klassiker. „Stirb langsam“ (1988) zeichnete sich dabei neben seiner Hochspannung vor allem durch die trockenen Oneliner seines von Bruce Willis gespielten Helden John McClane aus, dem damit nach Engagements u.a. in der TV-Serie „Das Model und der Schnüffler“ der Sprung in Hollywoods erste Liga gelang. Unzählige Male wurde in den letzten Jahrzehnten das „Ein Mann gegen eine ganze Bande von Terroristen“-Schema kopiert – wobei „Alarmstufe: Rot“ (auf einem Schiff), „Speed“ (in einem Bus) und „Sudden Death“ (in einem Eishockey-Stadion) bei geändertem Schauplatz zu den besten Rip-Offs zählen.

Cleaner“ versucht sich nun sichtlich an einer zeitgemäßen Neuinterpretation: Keine Weihnachtsfeier, sondern eine PR-Veranstaltung im Londoner Hochhaus eines Energiekonzerns wird von (Öko-)Terroristen gecrasht – und die heldenhafte Identifikationsfigur ist nicht der zufällig anwesende Polizisten-Ehemann einer Angestellten, sondern eine Fensterputzerin mit militärischer Vergangenheit, die ihren autistischen Bruder im Schlepptau hat. Letzteres ist nur eine von vielen halbgaren Zutaten des handwerklich soliden Actionthrillers von „Green Lantern“-Regisseur Martin Campbell, in dem es „Star Wars“-Star Daisy Ridley trotz vieler (weitestgehend selbst absolvierter) Stunts kaum gelingt, die großen und inzwischen schon eingestaubten Fußstapfen von Bruce Willis annähernd auszufüllen.

Muss unverhofft eingreifen, als ein Londoner Hochhaus von Öko-Terroristen belagert wird: Fensterputzerin Joey (Daisy Ridley) SquareOne / Eurovideo
Muss unverhofft eingreifen, als ein Londoner Hochhaus von Öko-Terroristen belagert wird: Fensterputzerin Joey (Daisy Ridley)

Der Tag beginnt für Joey (Daisy Ridley) äußerst stressig: Ihr autistischer Bruder Michael (Matthew Tuck) ist wegen eines Hacks aus einer Betreuungseinrichtung geflogen. Da sie kurzfristig keine andere Unterbringung organisieren kann, nimmt ihn seine Schwester mit ins Hochhaus des Energiekonzerns Agnian Energy, in dem eine PR-Veranstaltung zu grüner Stomerzeugung stattfinden soll. Doch die Veranstaltung wird von Öko-Terroristen empfindlich gestört:

Partygäste werden mit Gas betäubt, und die führenden Köpfe des Unternehmens sollen vor laufender Kamera ihre Umweltsünden gestehen. Als unter dem radikalen Anführer Noah (Taz Skyler) die ersten Opfer zu beklagen sind, ist die militärisch ausgebildete Joey die letzte Hoffnung der Geiseln. Doof nur, dass sie auf ihrer luftigen, zwischenzeitlich gekippten Arbeitsbühne auf halber Höhe der 50-stöckigen Glasfassade festsitzt ...

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… was sich erst in der 69. Filmminute wirklich ändert. Danach dreht Martin Campbell in den folgenden 20 Filmminuten bei mehreren blutigen und souverän inszenierten Fights in einem Heizungs- und Technikraum sowie im finalen Duell ordentlich auf – von diesem Moment an muss sich die Action vor seinen beiden Bond-Abenteuern „GoldenEye“ und „Casino Royale“ nicht verstecken! Dafür regiert zuvor zähes und zuweilen absurdes Machtgerangel das Geschehen, bei dem Schauwerte eher Mangelware bleiben. Clive Owen („American Crime Story“) in einer ungewöhnlichen Rolle verabschiedet sich nach 15 Minuten Screentime wieder aus dem Film, und was Noah eigentlich im Schilde führt, wissen nur die Wenigsten im Aktivisten-Kollegium – was bei aller perfider Planung der Aktion ziemlich unglaubwürdig wirkt.

Daisy Ridley reicht einfach nicht an Bruce Willis ran

Nur Polizei-Einsatzleiterin Hume (Ruth Gemmell) hat nach kurzer Recherche sofort den richtigen Riecher – und muss immer wieder den aktionistischen Leiter eines Sondereinsatzkommandos zurückpfeifen. So kämpft neben der spät wirklich ins Geschehen eingreifenden Joey auch die mit ihr über Funk verbundene Polizistin gegen toxische Männlichkeit um ihre Autorität. Eigentlich ein erfrischend subversiver feministischer Aspekt im von Männerschweiß und -muskeln geprägten Actiongenre – wenn er nicht so schnell wieder versanden würde, wie er unverhofft aufgekommen ist.

Auch wenn Daisy Ridley mit betont unangepasster Scheißegal-Attitüde darum bemüht ist, einen toughen weiblichen Gegenentwurf zu John McClane zu zeichnen, so gelingt ihr das mangels Markigkeit nicht. Rauchte das Vorbild cool Zigaretten, bevor ein Bösewicht nach den anderen mit trockenen Sprüchen ausgeknipst wurde, wirkt die chaotische und regelrecht humorbefreite Joey, die auf den Weg zur Arbeit schon mal in den falschen Bus steigt und Gewissensbisse im Umgang mit ihrem von den „Avengers“-Filmen faszinierten Bruder plagen, stets hektisch und gehetzt. Klar, ist das nur allzu menschlich – aber für eine ikonische oder glaubwürdige Actionheldin taugt das nicht.

Fazit: Einige Ungereimtheiten und mangelnder Biss lassen „The Cleaner“ gegen das große Vorbild „Stirb langsam“ ordentlich abstinken. Erst im letzten Filmdrittel des immerhin mit 90 Minuten erstaunlich kompakten Actionthrillers zeigen Bond-Regisseur Martin Campbell und Daisy Ridley, dass sie bei Actionszenen immer noch souverän liefern können.

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