Der Film, auf den Adam-Sandler-Fans seit 29 Jahren warten!
Von Kamil MollWie hieß noch mal dieser jüdische Golfer aus den Neunzigern mit dem aufbrausenden Temperament eines Hockeyspielers? Happy Goldberg? Happy Gudenstein? Skippy Goldenbaum? 29 Jahre nachdem Happy Gilmore (Adam Sandler) seine erste Meisterschaft gewonnen hat, kommen die Teilnehmer einer TV-Gameshow nicht mehr auf dessen Namen. Seitdem er bei einem unglückseligen Golfaufschlag seine Frau Virginia (Julie Bowen) tödlich verletzte und sich daraufhin aus dem Sportgeschäft zurückzog, ging es abwärts mit dem ehemaligen Hoffnungsträger.
Zu Beginn des exklusiv für Netflix produzierten „Happy Gilmore 2“ von „Murder Mystery“-Regisseur Kyle Newacheck ist Gilmore zu einem verpeilten Alkoholiker verkommen, der seinen Schnaps an den eigensinnigsten Orten versteckt: In seiner elektrischen Zahnbürste ist ein Schluck deponiert, ebenso in der Fernbedienung und einem Pfefferstreuer. Selbst der Supermarkt, in dem er mittlerweile hauptberuflich Regale einräumt, beheimatet in der Gemüseabteilung eine Gurke, die sich aufschrauben und aussüffeln lässt.
1996 war „Happy Gilmore“ ein erster Höhepunkt in Adam Sandlers Laufbahn als Kinoschauspieler, der exemplarisch alles aufbot, was für lange Zeit seine Paraderolle ausmachte: nämlich die eines hitzköpfigen Mannskindes, das erst lernen muss, erwachsen und gesellschaftsfähig zu werden, indem es seine unkontrollierten Impulse kanalisiert. Unter Fans des Schauspielers gilt der Film bis heute als möglicherweise Sandlers bester und meistgeliebter (auch ich habe wahrscheinlich keinen Film in meinem Leben öfter gesehen). Eine Fortsetzung galt lange als abgemacht und scheiterte letztlich wohl doch immer wieder am sich zunehmend anstauenden Erwartungsdruck.
Als 58-jähriger Mann besitzt Adam Sandler nun längst nicht mehr jene juvenile Energie, die ihn jahrelang zum erfolgreichsten amerikanischen Comedy-Schauspieler machte. An die Stelle eines so auftrumpfenden wie herzensgut charmanten Alleskönners und Alleinunterhalters ist ein bärtiger Teamspieler mit sentimentalem Blick und hängenden Schultern getreten. Als solcher weiß er inzwischen auch, wann er zurücktreten muss, um anderen die Szenen zu überlassen. Als Produzent für seine Firma Happy Madison konzipiert er Filme für seine Freunde und seine Familie, stützt dabei oftmals eher deren schauspielerische Stärken, als selbst im Vordergrund zu stehen. Für „Happy Gilmore 2“ erweist sich dieser altersgenügsame Groove als ein Geschenk und macht den Film trotz aller nostalgischen Rückbezüge zu einer würdigen und durchweg gelungenen Fortsetzung.
Um seiner Tochter Vienna (Sunny Sandler, seit einiger Zeit der heimliche Star zahlreicher Happy-Madison-Produktionen) eine Ballettausbildung an der Pariser Oper zu ermöglichen, die pro Semester deftige 75.000 Dollar kostet, treibt es Happy Gilmore widerwillig zurück in die Welt der Pro-Golf-Meisterschaften. Inzwischen steht die altehrwürdige Sportinstitution jedoch selbst unter Modernisierungszwang: Mit der Maxi-Gold-Liga möchte der neureiche Geschäftsmann Frank Manatee (Benny Safdie) eine aufgepimpte Alternative etablieren, bei der die Spieler auf präparierten Spielfeldern, vereist oder von Feuer umringt, ihre Golfbälle hindurchmanövrieren müssen.
Als erste Lockkarotte gewinnt er dafür Gilmores alten Widersacher Shooter McGavin (Christopher McDonald), den er aus einer psychiatrischen Klinik befreit, in die ihn ursprünglich vor Jahrzehnten die Golfmatches in „Happy Gilmore“ gebracht hatten. Welche Liga zukunftsfähiger ist, soll eine kämpferische Gegenüberstellung klären: Jeweils fünf Spieler treten gegeneinander an. Darunter ist auch der sich erst mal nur mühsam qualifizierende Gilmore…
Wie bereits beim Vorgänger hat Adam Sandler das Drehbuch wieder gemeinsam mit Tim Herlihy, einem lebenslangen kreativen Partner seit College-Tagen, geschrieben. Mit leichter Hand variieren sie die ikonisch gewordenen Gags und oft zitierten Sprüche des Originals. Gilmores „happy place“, ein mentaler Rückzugsort, an dem er seine aufgestaute Wut loswerden kann, bekommt ein altersgemäßes Update: Positive Gedanken bestehen für den angejahrten Golfer nicht mehr aus vollen Bierkübeln, sondern einer Krankenschwester, die ihm mitteilt, dass seine Cholesterinwerte wieder in Ordnung sind, sowie der für ihn längst illusorisch scheinenden Unterhosengröße M.
Auch die zahlreichen Cameos, in dieser Dichte und Fülle wohl momentan rekordverdächtig, geraten nicht zum reinen Schaulaufen bekannter Gesichter, sondern bereichern den Film mit einer Vielzahl an schönen Comedy-Miniaturen, sei es der Football-Spieler (und Taylor-Swift-Boyfriend) Travis Kelce als ranschmeißerischer Kellner oder Latin-Rap-Weltstar Bad Bunny, der sich in der Rolle von Gilmores unterqualifiziertem Caddie für eine größere Komödienkarriere empfiehlt. Als Legacy Sequel ist „Happy Gilmore 2“ ein Film, der sich nichts beweisen muss – quasi das, was im Sport gemeinhin eine Ehrenrunde genannt wird. Sichtlich ist er aber auch ein Herzensprojekt, dem würdevoll und ideenreich einen Brückenschlag zurück an den Anfang einer jahrzehntelangen Karriere gelingt: Das überdimensionierte Hockey-Trikot passt Adam Sandler immer noch wie angegossen.
Fazit: Mit „Happy Gilmore 2“ gelingt Adam Sandler und Regisseur Kyle Newacheck ein Spagat, den viele sogenannte Legacy Sequels vergeblich versuchen: Statt sich allein auf nostalgische Zitate und altbekannte Sprüche zu verlassen, entwickelt der Film seine Hauptfigur auf glaubwürdige und berührende Weise weiter – vom jähzornigen Slapstick-Golfer zum sentimentalen Familienmenschen. Das mag alles ein bisschen gesetzter und sentimentaler sein als noch 1996 – aber genau darin liegt der Reiz dieser späten Fortsetzung.