2001 und 2004 sorgten nicht die USA für das schallendste Gelächer des Filmjahres, sondern Michael Bully Herbig. Sowohl „Der Schuh des Manitu“ als auch „(T)Raumschiff Surprise – Periode 1“ waren riesige Kassenschlager und verursachten massig Lachmuskelkater. Ob Herbig mit „Das Kanu des Manitu“ diese Erfolge bald wiederholen kann, muss sich zeigen.
Denn eine spritzige, parodistische, temporeiche und kreative Komödie hat im Kampf um den Titel „lustigster Film des Jahres“ gewaltig vorgelegt: „Dead Talents Society“ enthüllt das emsige Treiben der Geisterwelt! Die taiwanesische Komödie sorgte auf mehreren Festivals für Begeisterung und gewann unter anderem den Publikumspreis in Sitges sowie beim Fantastic Fest. Ab sofort könnt ihr „Dead Talents Society“ via Netflix abrufen.
Darum geht es in "Dead Talents Society"
Das Leben nach dem Tod ist nicht leicht: Wenn du stirbst, geisterst du weiter durch die Welt – sofern man sich gebührend an dich erinnert und das, was deine Relevanz verdeutlicht, wertschätzt. Ansonsten erlischst du! Es gibt jedoch Wege, um das Leben nach dem Tod zu verlängern: Wer die Lebenden richtig verängstigt, darf weiter herumspuken. Mehr noch: Gruselgeister sind gefeierte Superstars in der Gespensterwelt – so wie Poltergeistdiva Catherine (Sandrine Pinna).
Doch als Jessica (Eleven Yao) sie mit einem Internet-Schreckvideo überflügelt, verliert sie rapide an Ansehen. Vier Jahre später stirbt eine Jugendliche (Gingle Wang) und muss dringend in die „Dead Talents Society“ aufgenommen werden und eine Spuklizenz erlangen, um nicht zu verblassen! Ihr Vorsprechen ist eine Vollkatastrophe, doch nicht nur ihre Geisterfreundin Camilla (Bai Bai) glaubt weiter an sie: Auch Catherines Agent Makoto (Bolin Chen) erkennt Potential in der Novizin – sehr zum Unmut seines altbewährten Stars...
Quirlig wie bei Bully, Aufwand wie in einem guten, "echten" Horror
Würde man einen Humor-Stammbaum skizzieren, „Dead Talents Society“ und Bullys Hits könnte man als Zweige desselben Asts einzeichnen: „Detention“-Regisseur John Hsu, der diese Komödie inszenierte und mit Vincent Tsai verfasste, geht mit ähnlicher Freude an liebenswerten, übertreibenden Figuren und skurril ausufernden Situationen vor wie Bully.
Die größte „Familienähnlichkeit“: Obwohl es sich bei „Dead Talents Society“ um eine Vollblutkomödie handelt, zieht sich ehrliche Passion für das verballhornte Genre durch den Film! So, wie Bullys „Winnetou“-Persiflage optisch eine wertige Aktualisierung alter Karl-May-Verfilmungen darstellt und einige „(T)Raumschiff Surprise“-Szenen so manchen „echten“ Sci-Fi-Film in die Tasche stecken, glänzt „Dead Talents Society“ mit umfangreich ausgestatteten Sets, markanten Kostümen und atmosphärischer Lichtsetzung.
Würden die Figuren anders ticken und würden ihnen nicht immer wieder Missgeschicke geschehen, die aus potentiell fiesen Schreckmomenten oder garstig-ekligen Augenblicken gehörige Schenkelklopfer formen: „Dead Talents Society“ hätte ein „normaler“ Geisterhorror werden können – wie Hsu ihn schon mit „Detention“ ablieferte.
Wir dürfen uns aber glücklich schätzen, dass sich Hsu für eine tonale 180°-Wende entschieden hat. Allein schon der Findungsreichtum, der in „Dead Talents Society“ steckt, ist brillant! Hsus und Tsais Geisterwelt ist ein ulkiges, anachronistisches Chaos, in dem TV-Formate mit Retro-Look aufgekratzt-euphorisch davon berichten, wenn sich Sterbliche richtig doll erschrecken und sich Grusel-VIPs in die Wolle kriegen. Influencer, die mit urbanen Mythen aufräumen, sind dagegen sowas wie der Staatsfeind Nummer Eins!
Mit Herz und Köpfchen Horror auf links gekrempelt
Der zentrale Clou des Films ist aber der Umstand, dass Heimsuchungen für einige Verstorbene die letzte Chance sind, um dem Tod nach dem Tod zu entgehen! So krempeln Hsu und Tsai das Horrorgenre auf links – und bringen uns dazu, verkehrt auf typische Genresituationen zu reagieren:
Eine sich beruhigende Lage wird zum Ärgernis, ein zünftig-blutiger Schrecken zum freudigen Event! Die immense Gag-Trefferquote, die dabei zusammenkommt, ist nicht nur auf die pfiffigen, abwechslungsreichen Situationen zurückzuführen, in die das Autorendoppel seine Figuren manövriert, sondern auch auf das harmonische, komödiantische Timing des Ensembles: Es versteht hervorragend, wie man sich die Bälle zuspielt, und wann ein Hauch von Zurückhaltung gefragt ist.
Sei es, weil mal die Situation selbst der Star ist (etwa während des verbissenen Wettgruselns im Schlussakt), oder weil zwar nach einem charakterbezogenen Moment gefragt wird – aber nach einem ruhigen! „Dead Talents Society“ ist zwar in erster Linie ein sorgloser, flotter Spaß, um Trübsal zu verscheuchen. Allerdings hat die Komödie auch Köpfchen und Herz: Im Zuge des Trubels teilt der Film gehörig gegen ständigen Leistungsdruck und die „Wer nichts schafft, ist nichts wert“-Kultur aus.
Das äußert sich bereits in der Prämisse, dass selbst (bestimmte) Geister einen Job benötigen, um existieren zu dürfen, aber auch in den Ängsten der namenlosen Protagonistin, die sich nicht fähig genug und daher ungeliebt fühlt. Deswegen mischen sich bei „Dead Talents Society“ unter die vielen Lachtränen auch einzelne Tränen der Rührung. Das letzte Wort hat aber stolz und bunt ausgelebte Skurrilität, also bloß nicht den Abspann abbrechen!
Und wenn ihr euch nach „Dead Talents Society“ noch nicht kringelig genug gelacht habt, müsst ihr unserem folgenden Streaming-Tipp nachgehen:
Streaming-Tipp: Ein durchgedrehtes Meisterwerk, bei dem ihr euch kringelig lachen werdet – Filmfans müssen diesen Klassiker gesehen haben!