Der fragwürdige Ruf von Videospielverfilmungen gehört mittlerweile der Vergangenheit an. Leinwand-Abenteuer wie „Der Super Mario Bros. Film“ oder aktuell „Ein Minecraft Film“ begeistern die Massen in den Kinos und mausern sich zu gigantischen Hits. Aber auch der Serienbereich hat ganz entscheidenden Anteil daran, dass bei der öffentlichen Wahrnehmung von Videospiel-Adaptionen ein Umdenken stattfand und noch -findet.
2024 sorgte etwa „Fallout“ für (absolut verdiente) Begeisterungsstürme. Doch schon ein Jahr zuvor machte sich die Adaption eines anderen postapokalyptischen Meisterwerks daran, die Messlatte für Videospiel-Adaptionen ein gutes Stück höher zu hängen. Die Rede ist natürlich von „The Last Of Us“. Mit Prestige-Sender HBO und der bereits grandios erzählten Vorlage im Rücken sowie deren kreativem Mastermind Neil Druckman und „Chernobyl“-Macher Craig Mazin am Ruder, kamen genau die richtigen Zutaten zusammen, um die in unseren Augen beste Serie 2023 auf die Beine zu stellen.
„The Last Of Us“ überzeugte mit seiner Nähe zum Spiel, bot aber selbst dessen Fans noch genügend Überraschungen, um auch sie abzuholen. Doch nach diesem mehr als geglückten Auftakt türmte sich natürlich bald die nächste, noch einmal größere Mammutaufgabe für Druckman und Mazin auf: Mit der schnell bestätigten zweiten Staffel nahm man sich die weitaus umfangreichere und kontroversere Spiel-Fortsetzung „The Last Of Us Part II“ als Grundlage zur Brust. Und wir können sagen: Sie haben es erneut vollbracht – zumindest größtenteils...
Die Vergangenheit lässt Joel und Ellie nicht los
Fünf Jahre sind vergangen, seit Joel (Pedro Pascal) und Ellie (Bella Ramsey) durch das von einer Pandemie und blutrünstige Pilz-Zombies heimgesuchte Land gereist sind, um gemeinsam mit den Widerständlern der sogenannten Fireflies für ein mögliches Heilmittel zu sorgen. Da dessen Herstellung Ellie jedoch das Leben gekostet hätte, hat Joel mit seinem Schützling im Gepäck kurzerhand wieder kehrt gemacht, ein wahres Firefly-Massaker angerichtet und anschließend Zuflucht in der florierenden Überlebendensiedlung Jackson gesucht.

Dort haben sich Joel und Ellie mittlerweile gut eingelebt – obgleich Joels Lüge über die damaligen Ereignisse noch immer im Hintergrund schwelt und das Verhältnis des bärbeißigen Texaners und seiner Ziehtochter überschattet, ohne dass die Wahrheit jemals offen ausgesprochen wurde. Das zieht letztlich so weite Kreise, dass sich Ellie bald auf eigene Faust auf einen gnadenlosen Rachefeldzug begibt, der mehr und mehr zu einer regelrechten Obsession wird...
So radikal wie die Vorlage
Fans der „The Last Of Us“-Vorlagen brennt natürlich vor allem eine Frage zur zweiten Staffel unter den Nägeln: Ist die Adaption ähnlich radikal wie das so einige schockierende Haken schlagende „The Last Of Us Part II“? Und das können wir klar bejahen – zumindest in Bezug auf die erste Hälfte des Spiels. Denn wie im Vorfeld angekündigt, wird in den sieben neuen Folgen der Serie nur ein Teil der Vorlage adaptiert, wobei der Cut an einer passenden und logischen Stelle gesetzt wird – das Warten auf eine dritte Staffel aber nichtsdestotrotz noch unerträglicher macht.
Generell führt die zweite „The Last Of Us“-Staffel den Weg, den die erste Season eingeschlagen hat, sehr konsequent fort. Keiner anderen Videospieladaption ist es bis dato gelungen, Geschichte, Figuren und Vibe der Vorlage so verlustfrei in einen Film oder eine Serie zu übertragen. Wer als Fan genau das will, wird bestens bedient. Der Mehrwert für Kenner und Kennerinnen der Spiele hält sich dabei aber einmal mehr in Grenzen – und das sogar noch stärker als bei Staffel 1. Auch diesmal sorgen Mazin und Druckman zwar wieder für die eine oder andere Überraschung und Nuance, eine komplett eigene episodenfüllende neue Geschichte wie die Bill-und-Frank-Highlight-Folge aus Staffel 1 gibt es allerdings nicht.
Eine Welt der Grauzonen
Manche dürften es jedoch gerade begrüßen, dass die Ergänzungen diesmal noch mehr auf die übergreifende Handlung und die Figurenbeziehungen einzahlen. Und die sind einmal mehr das Kernstück von „The Last Of Us“ und wurden völlig zu Recht ohne große Abwandlung von einem Medium ins andere gehievt. Wenn hier mutige moralische Fragen aufgeworfen und nicht direkt mit einfachen Antworten weggewischt werden, geht das erneut – selbst ohne interaktives Element – ein ums andere Mal an die Nieren.
Den Nährboden dafür liefert natürlich die eindrucksvoll inszenierte Endzeit, die dank vieler eigenwilliger Details und geschicktem Storytelling allein über die Umgebung und das aufwändige Produktionsdesign trotz aller postapokalyptischer Fantasterei doch immer sehr greifbar erscheint. Das ist nicht zuletzt aber auch den so natürlich wie überaus nahbar agierenden Figuren zu verdanken. Kaum einer der Charaktere hat nur eine Seite.
Bis in die Nebenfiguren hinein ist die Welt von „The Last Of Us“ eine Welt der Grauzonen ohne eindeutige Schuldzuweisungen, in der althergebrachte Heldenbilder regelrecht demontiert und selbst vermeintliche Antagonist*innen nach und nach so sehr ausstaffiert werden, dass man sich letztlich unweigerlich fragt, wer hier eigentlich noch Held*in und wer Schurk*in ist?

Dafür sorgt insbesondere das Auftauchen von Abby, die Cast-Neuling Kaitlyn Dever („Booksmart“, „Unbelievable“) selbst ohne die Muskelberge ihres Videospiel-Pendants mit einer Mischung aus Kompromisslosigkeit und Zerbrechlichkeit zum Leben erweckt. Die gesamte Tragweite dessen wird sich durch die Aufteilung der Adaption leider erst in einer Folgestaffel zeigen, der Grundstein dafür wird aber direkt zu Beginn gelegt – wenn auch zu Lasten eines Mysteriums, das in den Spielen erst nach und nach enthüllt wurde.
Doch obwohl bei der Charakterzeichnung speziell von Abby, aber auch dem Rest des Figurenensembles in der um sich greifenden Entmenschlichung immer wieder das Menschliche durchscheint, sind sie alle am Ende vor allem eins: Sklav*innen einer nicht enden wollenden Gewaltspirale, aus der es kein Entrinnen zu geben scheint, sobald sie einmal in Bewegung gekommen ist.

Das spiegelt sich im famosen Spiel der Darsteller und Darstellerinnen wider. Pedro Pascal und Bella Ramsey haben ihre fantastische Chemie als Joel und Ellie natürlich schon in Staffel 1 zum Besten gegeben. Und wenn sie hier oftmals nur mit Blicken die feinen Risse in dem Verhältnis ihrer Figuren immer sichtbarer werden lassen, ist das ganz großes Schauspielkino. Aber auch die weiteren Neuzugänge fügen sich organisch in das Gesamtbild ein. Gerade Ellies Love-Interest Dina (wunderbar einnehmend gespielt von „Alien: Romulus“-Star Isabela Merced) sorgt mit ihrer kecken Art für kurze unbeschwerte Momente und dafür, dass Ellie eine Ahnung von einer möglichen glücklichen Zukunft bekommt – bevor dann die knallharte Realität umso heftiger zuschlägt und ebenjenen Lichtblick gleich wieder verdunkelt ...
... und das sowohl in Form der menschlichen als auch der zombifizierten Bedrohungen. Letztere tritt dabei noch etwas öfter und direkter in Erscheinung als das noch in Staffel 1 der Fall war. Das wird nicht nur effektiv für die eine oder andere schaurige Einlage genutzt, sondern auch für eine atemlose neue Action-Sequenz, die die Wucht und Dringlichkeit einer ohnehin schon schwer verdaulichen Folge in schwindelerregende Höhen treibt.
Fazit: Mindestens so emotional wie Staffel 1
Für Fans der Vorlage (noch) weniger überraschend, für alle aber dennoch (oder gerade deswegen) genauso niederschmetternd und hochemotional. Die zweite Staffel von „The Last Of Us“ scheut sich nicht vor den drastischen Story-Pfaden der Vorlage und ist damit noch mehr als Staffel 1 ein Paradebeispiel für komplex erzählte Endzeit-Tristesse, bei der die einzige Schwarz-Weiß-Malerei auf den Postern stattfindet. Einziger Wermutstropfen: Durch die Unterbrechung mitten in der Geschichte kommt die ganze Klasse dessen wohl erst zum Tragen, wenn Staffel 3 erscheint...
„The Last Of Us“ Staffel 2 startet hierzulande am 14. April 2025 bei Sky und dem zugehörigen Streamingdienst WOW. Wöchentlich erscheint dann immer montags eine neue der insgesamt sieben Folgen.