Als wir „Superman“-Regisseur James Gunn in einem Hotel in London zum Interview treffen, wollen wir als erstes von ihm wissen, wie sich die Arbeit an „Superman“ von der Arbeit an seinem vorherigen DC-Film „The Suicide Squad“ unterschieden hat. Schließlich hat er uns damals erzählt, dass er für diesen Film extra nach einer Liste mit den dümmsten DC-Figuren gesucht hat.
Wir sprechen mit Gunn zudem über Superman (David Corenswet), Lois Lane (Rachel Brosnahan) und Lex Luthor (Nicholas Hoult) sowie über die sehr stark von John Williams inspirierte Filmmusik. Und natürlich geht es auch um die Zukunft des neuen DC-Universums, das nach dem starken Streaming-Start „Creature Commandos“ mit „Superman“ jetzt auch auf der großen Leinwand begonnen hat...
FILMSTARTS: Beim Junket zu „The Suicide Squad“ hast du mir damals erzählt, dass du zur Vorbereitung auf den Film nach einer Liste der dümmsten DC-Figuren gesucht hast. Ich schätze mal, da war der Prozess bei „Superman“ schon ein bisschen anders ...
James Gunn: Das stimmt! Ich meine, es ist eine ganz andere Situation als bei allen anderen Filmen, die ich gemacht habe. Zuerst einmal habe ich noch nie wirklich einen Superheldenfilm gemacht. Die Leute sagen immer wieder: Du hast mehr Superheldenfilme gemacht als jeder andere. Aber das stimmt nicht.
Denn erstens habe ich einen Film namens „Super“ gemacht, der von einem verrückten Mann handelte, der ein Kostüm trug und Leute verprügelte. Ich habe die „Guardians Of The Galaxy“-Filme gemacht. Das sind eigentlich Weltraumabenteuer. Sie sind keine Superhelden. Sie tragen keine Kostüme. Sie haben keine wirklichen Superkräfte. Und dann habe ich „The Suicide Squad“ gemacht, das waren Superschurken. Das ist also mein erster Superheldenfilm. Und deshalb gab es so viele Unterschiede, dass ich mich erst mal neu auf das Erzählen ausrichten musste, um überhaupt anzufangen. Aber es war eine großartige Herausforderung und hat deswegen viel Spaß gemacht.
FILMSTARTS: „Superman“ scheint ein sehr persönlicher Film für dich zu sein. Glaubst du, du hättest ihn schon vor zehn Jahren so schreiben und inszenieren können?
James Gunn: Nein, auf keinen Fall. Ich meine, er wurde mir 2018 angeboten und ich dachte nur: Ich weiß nicht, was ich mit Superman anfangen soll. Daher denke ich, dass ich all die Dinge durchmachen musste, die ich in den letzten paar Jahren durchgemacht habe, um an den Punkt zu kommen, wo ich diesen Film machen konnte. Ich fühle mich als Autor und Regisseur seit „The Suicide Squad“ viel sicherer.
Der Titel und die Figuren
FILMSTARTS: Der Film trug zunächst den Titel „Superman: Legacy“ (also „Vermächtnis“), bevor er einfach zu „Superman“ wurde. Aber es ist immer noch sehr eindeutig ein Film über ein Vermächtnis. Über seine Herkunft, seine Familie. Er mag Jor-Els und Karas leiblicher Sohn sein, aber Martha und Jonathan sind seine Eltern. Wolltet du diese Dualität erforschen?
James Gunn: Oh, ja. Genau deshalb hieß er ursprünglich „Legacy“, weil es darum ging, wer Superman ist. Ist er Kryptonier? Ist er Mensch? Wo kommt er her? Wohin geht er? Es geht darum, wer er ist und wie wir uns selbst definieren. Nicht nur Superman, sondern wir alle in Beziehung zu den Menschen, die vor uns kamen.
FILMSTARTS: Apropos Familie: Es gibt im Film eine überraschende Wendung bezüglich Supermans leiblicher Eltern. Ich schätze, das spielte auch in das ganze Thema Familie und Eltern rein. Wer sind deine Eltern und was ist dein Erbe?
James Gunn: Ich bin ein großer Superman-Fan, daher habe ich wirklich sehr darauf geachtet, allem treu zu bleiben, was ich für absolut wesentlich für den Charakter hielt. Aber wenn es etwas ist, das nicht absolut wesentlich für den Charakter ist, dann war das für mich eine Möglichkeit, Dinge in andere Richtungen zu lenken, um Überraschungen in den Film einzubauen.
FILMSTARTS: Journalismus spielt ebenfalls eine sehr wichtige Rolle im Film. Hoffst du, dass jüngere Zuschauer*innen von Lois und ihrer Arbeitsweise inspiriert werden?
James Gunn: Ja, absolut. Als ich Lois geschrieben habe, wollte ich, dass klar wird, dass sie tatsächlich eine Journalistin ist. Sie ist tatsächlich jemand, der die Wahrheit sucht. Und sie ist eine durchsetzungsfähige und starke Figur. Ich wollte, dass sie jemand ist, der Superman in Bedrängnis bringen kann, was wir vorher noch nicht oft gesehen haben. Und ich war mir sehr bewusst, dass der Journalismus heute angegriffen wird und dass sie das Beste davon repräsentiert.

FILMSTARTS: Apropos Bedrängnis: Superman hat auf der Leinwand noch nie so verletzlich gewirkt, sowohl physisch als auch emotional. Ist das der Grund, warum du den Film mit der Szene eröffnest, in der Krypto ihn rettet?
James Gunn: Ja, ich glaube, ich wollte einfach auf eine Art und Weise beginnen, die wir im Film noch nie zuvor gesehen haben. Ihm läuft Blut aus dem Mund. Er ist ein Superman, der verletzlicher und in größerer Gefahr ist, als wir ihn je gesehen haben. Und gleichzeitig von seinem fliegenden kryptonischen Hund gerettet wird. Da weiß man sofort, dass wir uns nicht in einem Superman-Film befinden, den wir schon einmal gesehen haben.
FILMSTARTS: Nicholas Hoult spielt Lex Luthor fast schon zu gut. War es wichtig, dass sich das Publikum mit ihm identifiziert, damit er als Bösewicht funktioniert?
James Gunn: Ich weiß nicht, ob sie sich mit ihm identifizieren müssen, aber ich denke, sie müssen ihn verstehen. Und so verstehe ich Lex, er ist immer noch ein Mistkerl, aber ich hielt es für wichtig, dass wir seine Motivation verstehen mussten. Ich wollte niemanden, der seinen Schnurrbart zwirbelt und einfach sagt, er wolle Superman zerstören, ohne wirkliche Absicht oder Bedeutung dahinter. Er war der großartigste Mensch der Welt war, der klügste Mensch der Welt. Er hat viel getan, um der Menschheit zu helfen.
Obwohl es andere Superhelden und Metamenschen auf der Welt gibt, galt er immer noch als der Größte. Und auf einmal taucht vor drei Jahren dieser Typ auf, der seine Unterhose außen trägt, mit einem arroganten Grinsen und einer Locke in seinen Haaren, und jeder hält ihn für den großartigsten Typen der Welt. Und Lex liegt weit abgeschlagen auf dem zweiten Platz. Diese Eifersucht darauf, dass Superman nie dafür gearbeitet hat, und dass er ersetzt wurde... Lex hat sich auf eine fast schon spirituelle Suche begeben, um Supermans Vernichtung zu rationalisieren, er will ihn vernichten, um das Universum zu retten.
Alles nur geklaut? Die Filmmmusik von "Superman"
FILMSTARTS: Die Filmmusik von John Murphy und David Fleming ist im Grunde ein Remix von John Williams' fantastischer, ikonischer Filmmusik. Woher kam diese Entscheidung? Warum kein richtiger Original-Score?
James Gunn: Nun, zuerst einmal würde ich sagen, etwa zehn Prozent ist John Williams. 90 Prozent sind Originalkompositionen von Dave und John. Aber diese zehn Prozent waren sehr wichtig. Ich betrachte das John-Williams-Thema als das Thema von Superman. Wenn wir es hören, denken wir an Superman. Jeder auf der ganzen Welt denkt an Superman.
Und die Idee war, diese Stärke zu nutzen, die so leicht zugänglich ist, aber sie dann auch zu dekonstruieren und zu rekonstruieren und verschiedene Teile davon zu verwenden. Und ich bin wirklich dankbar, dass diese Jungs es ohne eigenes Ego gemacht haben und nicht gesagt haben: Nein, wir wollen alles selbst komponieren.

FILMSTARTS: Warum bilden ausgerechnet Guy Gardner, Hawkgirl und Mr. Terrific die Justice Gang? War es von Anfang an diese drei? Und warum nicht andere Superhelden?
James Gunn: Ich habe wahrscheinlich andere Leute in Betracht gezogen, aber ich liebe diese drei Charaktere. Also war es, glaube ich, eine ziemlich einfache Entscheidung. Die Tatsache, dass ich meinem Freund Nathan Fillion einen wirklich hässlichen Haarschnitt verpassen durfte, war da nur das i-Tüpfelchen.
FILMSTARTS: Metropolis, Boravia, Jarhanpur in „Superman“, Pokolistan in „Creature Commandos“: Warum ist es so wichtig für dich, fiktive Orte in deinem DC-Universum zu zeigen?
James Gunn: Das ist eines der Dinge, die ich an DC tatsächlich liebe. Bei Marvel gibt es New York und Chicago und so, es ist unsere Welt, nur mit Superhelden. Bei DC ist es ein anderes Universum. Es gibt Gotham und Metropolis. Es gibt nicht einmal ein New York oder Los Angeles in dieser Welt. Und ich mag die Idee, diesen fiktiven Planeten erschaffen zu können, der unserem Planeten sehr ähnlich, aber zugleich auch ganz anders ist. Dieses Worldbuilding macht mir Spaß und gibt mir auch viel Freiheit. Zum Beispiel ist es viel einfacher, Central City zu zerstören als Seattle.
"Supergirl" und die Zukunft des DCU
FILMSTARTS: Am Ende von „Superman“ wird sehr deutlich der nächste DCU-Film „Supergirl“ vorbereitet. Wie war die Erfahrung für dich, diesen Charakter einzuführen und sie dann für die Zukunft des DCU an einen anderen Regisseur abzugeben?
James Gunn: Ich freue mich wirklich auf „Supergirl“, und ich liebe das Drehbuch, das Ana Noguiera geschrieben hat. Ich liebe Craig Gillespie, der erstaunliche Arbeit bei der Regie des Films geleistet hat, und er war sowieso einer meiner Lieblingsregisseure, weil ich ein riesiger Fan von „I, Tonya“ und „Dumb Money“ und seinen anderen Filmen bin. Es war wirklich ein großes Glück, dass „Supergirl“ der zweite große Film der DC Studios ist, mit einfach unglaublich großartigen Leuten.
FILMSTARTS: Was wird der nächste DCU-Film nach „Supergirl“ und „Clayface“, die bereits feste Veröffentlichungstermine haben?
James Gunn: Das müsst ihr einfach abwarten...
FILMSTARTS: Du hast gesagt, dass der Film, das Projekt, das du als Nächstes schreibst, keine direkte Fortsetzung von Superman ist, was impliziert, dass Superman auch in diesem Film eine Rolle spielen wird. Wenn ich also so etwas wie „World's Finest“ oder „Batman und Superman“ oder vielleicht „Trinity“ [also Batman, Superman und Wonder Woman] sage, geht das in die richtige Richtung?
James Gunn: Nein. [lacht]
FILMSTARTS: Immerhin eine klare Antwort ...
„Superman“ läuft seit dem 10. Juli 2025 in den deutschen Kinos. Wenn ihr wissen wollt, ob sich das Sitzenbleiben beim Abspann lohnt, klickt einfach auf diesen Artikel:
Gibt es bei "Superman" eine Abspannszene? Hier erfahrt ihr, ob sich das Sitzenbleiben lohnt