Heute Abend streamen: Diese meisterhafte Bestseller-Verfilmung mit Starbesetzung ist einer der besten Thriller des letzten Jahrzehnts!
Björn Schneider
Björn Schneider
-Freier Autor
Seit Björn als Kind „Spiel mir das Lied vom Tod“ und „Hook“ gesehen hat, ist er vom Medium Film und seinen (audio-)visuellen Möglichkeiten fasziniert. Am liebsten schaut er Horror, Western, Mystery und Thriller. Musicals und romantische Komödien kosten ihn allerdings Überwindung.

Welches Geheimnis birgt das Buchmanuskript im Safe? Der unter erschwerten Umständen fertig gestellte Thriller „Der Ghostwriter“ nimmt sich viel Zeit, um das Rätsel zu lösen. Doch jede Sekunde lohnt. Ein virtuoser, effektiver Film der alten Schule!

Es gibt vermutlich nur einen Filmemacher, der in sechs aufeinanderfolgenden Jahrzehnten seiner kreativen Arbeit mindestens ein Meisterwerk inszeniert hat. Gemeint ist der heute 91-jährige polnisch-französische Regisseur und Drehbuchautor Roman Polanski. Sein jüngstes Werk, die Komödie „The Palace“ (2023), einmal ausgenommen, schuf er seit den 1960er-Jahren eine Reihe an unvergessenen cineastischen Meilensteinen. Und das in gänzlich unterschiedlichen Genres!

Alles fing mit dem einflussreichen Horrorfilm „Rosemary's Baby“ (1968) an, dem sechs Jahre später der Krimi-Klassiker „Chinatown“ folgte. Den 1980ern drückte Polanski mit dem Thriller „Frantic“ seinen Stempel auf. Es folgten das stimmungsvolle Mystery-Rätsel „Die neun Pforten“ ein Jahrzehnt später und schließlich das Oscar-prämierte Historiendrama „Der Pianist“ von 2002.

Bisweilen ein wenig in Vergessenheit gerät Polanskis 2010 erschienener, brillanter Politthriller „Der Ghostwriter“, der auf dem drei Jahr zuvor veröffentlichten Roman „Ghost“ des britischen Schriftstellers Robert Harris basiert. Und das völlig zu Unrecht. Mit seinem atmosphärischen Feinsinn, der unaufdringlichen aber mitreißenden Erzählweise und seinem erlesenen Cast zählt „Der Ghostwriter“ zu den herausragenden Thrillern des vergangenen Jahrzehnts. Ein Film, der gekonnt auf der Klaviatur klassischer Polit- und Paranoia-Thriller spielt – und dennoch Bezüge zum (damals aktuellen) Zeitgeschehen herstellt.

Wer „Der Ghostwriter“ noch nicht kennt oder sich ihn gerne mal wieder ansehen möchte, sollte sich den Film im Heimkino nicht entgehen lassen. Aktuell gibt es den Film als kostenpflichtiges VoD bei Amazon Prime Video in der Leih- und Kaufversion:

Der Biograf und die Verschwörung: Das ist "Der Ghostwriter"

Der „Ghost“ (Ewan McGregor) ist ein erfolgreicher britischer Ghostwriter, der mit einer besonders attraktiven – und gut bezahlten – Aufgabe betraut wird: Er soll die Memoiren des ehemaligen Premierministers Adam Lang (Pierce Brosnan) schreiben. Der vorherige Biograf, Langs langjähriger Berater Mike McAra, kam unter seltsamen Umständen ums Leben – nicht weit weg von Langs gewaltigem Anwesen auf der Insel Martha’s Vineyard an der US-Ostküste. Dorthin hat sich der frühere einflussreiche Politiker zurückgezogen. Schließlich haben es die Presse und etliche Demonstranten auf ihn abgesehen.

Der Grund: Seine undurchsichtige Rolle im Irakkrieg einige Jahre zuvor. Außerdem wird Lang vom früheren Außenminister Richard Rycart (Robert Pugh) beschuldigt, britische Terrorverdächtige an die USA ausgeliefert zu haben, die diese im Anschluss folterten. Ehe er sich versieht, befindet sich der „Ghost“ inmitten einer globalen Verschwörung, bei der auch sein Leben auf dem Spiel steht.

Das geheimnisvolle Manuskript

Vieles ist undurchsichtig und nebulös in Polanskis von Macht, Kontrollverlust und moralischen Verwerfungen handelndem 130-Minuten-Thriller. Das beginnt bereits bei der von Ewan McGregor gespielten Hauptfigur, die die ganze Zeit über namenlos bleibt – und nur als „Ghost“ oder „Ghostwriter“ auftritt. Schwer greifbar und undurchschaubar aber sind vor allem die Protagonisten der „Gegenseite“. Zum einen ist da natürlich Adam Lang, der sich nicht in die Karten schauen lässt und ein abgekartetes Spiel zu spielen scheint. Umgeben ist er von einem harten Kern aus langjährigen Vertrauten und treu ergebenen Mitstreitern, bei denen sich Privates und Berufliches mitunter recht zweifelhaft vermengen.

Entscheidende Rollen spielen etwa die ebenso attraktive wie durchtriebene Assistentin Amelia Bly (Kim Cattrall) und zuvorderst Langs Frau Ruth (Olivia Williams), deren Charisma der „Ghost“ zunehmend verfällt. Und das sich in einem Safe im Ferienhaus der Langs befindliche Manuskript von McAra? Das darf unter keinen Umständen kopiert werden oder nach draußen gelangen. Wie gesagt, nebulös und höchst verdächtig. Umso eindeutiger sind aber die anspielungsreichen Parallelen zum britischen Ex-Premier Tony Blair, dessen Rolle im Irakkrieg viele Jahre Anlass zu Spekulationen bot. Er schied im selben Jahr aus dem Amt, als der Roman „Ghost“ erschien.

(Ein)geschlossene Gesellschaft

Ein großer Reiz des in Deutschland gedrehten Films (Drehorte waren u.a. die Babelsberger Studios in Potsdam und die Ostseeinsel Usedom) ergibt sich aus dem klaustrophobischen Setting. Denn die scheinbare Abgeschiedenheit und Ruhe der Insel ist mehr Schein als Sein: Langs eher einem Bunker als einem gemütlichen Wohnhaus ähnelndes Domizil ist quasi ein abgeschirmter Hochsicherheitstrakt ohne Entkommen. Die Aufnahmen aus dem Inneren erzeugen ein Gefühl der Enge und Einsamkeit.

Kein Zufall: „Der Ghostwriter“ ist ein unnachgiebiges Spiegelbild der damaligen Lebenssituation und seelischen Verfassung Polanskis. Während der Nachbearbeitungen am Film befand sich der Regisseur in Hausarrest. Polanski durfte, eine elektronische Fußfessel um den Knöchel, sein Landhaus in der Schweiz nicht verlassen. Und so leitete er von seinem isoliert gelegenen Chalet in den Bergen aus die Postproduktion an „Der Ghostwriter“. Wenige Monate zuvor war er bei der Einreise in die Schweiz wegen eines internationalen Haftbefehls von 2005 verhaftet worden. Zurückzuführen war dieser auf ein mehr als 30 Jahre zurückliegendes Sexualdelikt.

Der Ghostwriter
Der Ghostwriter
Starttermin 18. Februar 2010 | 2 Std. 08 Min.
Von Roman Polanski
Mit Ewan McGregor, Pierce Brosnan, Kim Cattrall
Pressekritiken
3,7
User-Wertung
3,8
Filmstarts
4,0

Ein Fest für Polit-Thriller-Nerds und Film-Rätsel-Fans

Polanski erzählt auf angenehm nüchterne, fast altmodische Weise, ohne Effekthascherei, spektakuläre Verfolgungsjagden oder sonstige Action-Einlagen. Stattdessen entfaltet er seine Story langsam, verlässt sich ganz auf eine sich behutsam aufbauende Dramaturgie und entführt schließlich gekonnt in ein Labyrinth aus bruchstückhaften Erinnerungen, Täuschungen und Mehrdeutigkeiten. Fans verwirrender (Polit-)Rätsel und doppelbödiger Dramen wie „Fletchers Visionen“ und „Enttarnt“ kommen hier voll auf ihre Kosten!

Einen entscheidenden Anteil daran haben gleichsam die tollen Darsteller. Überzeugen kann vor allem Ex-Bond Pierce Brosnan als sarkastischer Ex-Politiker, dessen One-Liner von Hohn und Spott künden. Und: Ewan McGregor als Ghostwriter, der zu Beginn noch etwas arglos und naiv agiert. Doch er merkt schnell, dass er in einen gefährlichen Strudel aus Machtspielchen, Korruption und Verschwörungen geraten ist. Unvergessen bleibt natürlich auch das pessimistische, destruktive Ende mit den wild durch die Gegend wehenden Manuskript-Seiten.

„Der Ghostwriter“ gehört zweifelsfrei zu den besten Filmen von Ewan McGregor. Nur zwei Jahre später drehte der „Star Wars“-Star aber einen Film, auf den er – aus heutiger Sicht – nicht gerade stolz ist. Ein Fantasy-Abenteuer, das bei der Kritik und an den Kassen radikal durchfiel. Hier lest ihr, um welchen Film es geht:

"Ein schrecklicher Film": Ewan McGregor hasst diesen Fantasy-Blockbuster von ganzem Herzen

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