
Die Herausforderungen der Jugend und die Gefahren des Waldes stehen im Mittelpunkt eines Rekordfilms, der mittlerweile fast in Vergessenheit geraten ist: „Bambi 2 – Der Herr der Wälder“ sicherte sich 2006 den Rekord für die größte Lücke zwischen dem Start eines abendfüllenden Kinofilms und seiner direkten Fortführung. 63 Jahre lagen zwischen „Bambi“ und „Bambi 2“, was im Zusammenspiel mit dem hohen Ansehen der Erstlings für Gegenwind sorgte:
Wird dieser Film nicht bloß den Ruf des Disney-Klassikers ruinieren? Nun, fast 20 weitere Jahre später, wissen wir: „Bambi“ hat nicht unter der Existenz von „Bambi 2“ gelitten – dafür ist die Fortsetzung zu rasch aus der popkulturellen Erinnerung verschwunden. Ob das Sequel dies verdient hat, könnt ihr leicht überprüfen: „Bambi 2“ ist bei Disney+ abrufbar.
Darum geht es in "Bambi 2"
Was ist Bambi (im Englischen: Alexander Gould / in der deutschen Fassung: Luka Andres) kurz nach dem Tod seiner Mutter widerfahren? „Bambi 2“ blickt auf die Zeit im Leben des Rehs, die im Originalfilm ausgespart wird, und erzählt, wie Bambis in Erziehungsdingen unerfahrene Vater (Patrick Stewart / Thomas Fritsch) mit dieser Aufgabe konfrontiert wird.
Eingangs ist das Vater-Sohn-Verhältnis kühl: Bambi will spielen und toben, wofür sein stoischer Vater keinen Nerv hat. Also setzt sich Bambi in den Kopf, dass sein Vater sich für ihn erwärmen wird, sobald er beweist, wie mutig und grimmig er sein kann. Doch diese Bemühungen bringen Bambi in Bredouille...
Ein Film zwischen den Dingen
Es ist beinahe sinnig, dass dieser Film über ungelenke Kindheitsjahre selbst etwas verloren zwischen den Dingen steht: Er ist nicht so besonnen erzählt wie der Zeichentrickklassiker „Bambi“ und es gelingt ihm weitaus seltener, die Poesie des Waldes einzufangen. Jedoch ist Brian Pimentals Regiearbeit merklich ruhiger und nachdenklicher, als viele Filme aus derselben Trickschmiede:
„Bambi 2“ wurde von den DisneyToon Studios verantwortet, einem mittlerweile aufgegebenem Zweig des Disney-Konzerns. Trotz interner Bemühungen, auch anspruchsvollere Produktionen in Gang zu setzen, dienten die DisneyToon Studios primär als Produktionsmaschine für kostengünstige Fortsetzungen, Prequels und Zwischengeschichten.
So entstanden allerlei desaströse Filme (Disney-Fans, die in den 1990ern und 2000ern groß wurden, dürfen hier ein Beispiel ihrer Wahl einsetzen) und vereinzelte, positive Überraschungen (Disney-Fans, die in den 1990ern und 2000ern groß wurden, dürfen hier ihr Lieblingsbeispiel einsetzen). Doch eines eint den Großteil des DisneyToon-Kanons: Diese ursprünglich für den Heimkinomarkt entwickelten Animationsfilme haben ein jüngeres Zielpublikum als ihre Vorlagen. Das lässt sich auch im Falle von „Bambi 2“ nicht verleugnen, jedoch weiß Alicia Kirks Drehbuch zu überraschen.

Mehrmals wird Bambis Verlusttrauma angeschnitten, darunter in einer rührenden Traumsequenz. Und die federführend von Pimental und Jeanne Rosenberg entwickelte Story dreht sich konstant darum, dass Bambis Vater genauso überfordert ist wie sein Sohn. Das Potential einer aus beiden Perspektiven klug und emotional ausgearbeiteten Vater-Sohn-Geschichte schöpft „Bambi 2“ wohlgemerkt nicht voll aus – dieses Wald-Abenteuer ist leider nicht „Der Goofy Film“!
Doch am DisneyToon-Maßstab gemessen, sind Bambis Lernkurve und der Charakterwandel seines Vaters, von emotional abgeschottet zu ehrlich bemüht, durchaus glaubhaft. Dabei kommt der Produktion die Leistung von „Star Trek“-Legende Patrick Stewart respektive „Der König der Löwen“-Fiesling Thomas Fritsch zugute: Beiden gelingt ein schwieriger Drahtseilakt entlang stoischer Arroganz, performativer Kälte und einer aufgetauten, dennoch unbeirrt majestätischen Art. Den unangenehmen Beigeschmack des Skripts, dass Leistung allein zählen würde, können aber auch sie nicht aus dem Stoff schütteln.
Von einem Disney-Meister veredelt
Zudem gerät die episodenhafte Erzählweise von „Bambi 2“ mehr kindlich, wohingegen dem ebenso sprunghaften Original ein intellektueller Reiz innewohnt. Hinzu kommt der Umstand, dass sich die DisneyToon-Crew einige platte Stinktier-Gags nicht verkneifen konnte, die man unter Walt Disneys Führung noch stecken ließ.
Allerdings imitierten die „Bambi 2“-Verantwortlichen digital unerwartet gut den Ölgemälde-Look ihres Vorbilds, und auch die Figurenanimation kann sich sehen lassen: Andreas Deja, Zeichner unvergesslicher Figuren wie Scar aus „Der König der Löwen“ und Lilo aus „Lilo & Stitch“, wirkte am Sequel mit und brachte eine gute Dosis Glanz aus dem Disney-Hauptstudio mit.
Wie beim Original machte auch bei „Bambi 2“ die Zeichen-Crew ausführliche Anatomie- und Bewegungsstudien, um das Wesen der realen Tiere einfangen. Da der Film in Australien produziert wurde, musste dabei auf ungewöhnliche Wege zurückgegriffen werden, wie Deja dem Deutschen Filminstitut & Filmmuseum verriet: „In Australien gibt's aber nur Kängurus in der Natur, keine Rehe. Wir unternahmen damals eine Studienreise zu einer örtlichen Farm, die Rehe aufzog und sie später an diverse Restaurants verkaufte.“
Kurzum: Irgendwelche Leute in Australien haben die Rehe verzehrt, die für „Bambi 2“ Modell gestanden haben! Und das ist auch schon die bitterste Realität an dieser späten Fortführung eines Klassikers – denn obwohl sich „Bambi 2“ längst nicht mit dem Disney-Meilenstein messen kann, ist dieses Sequel wahrlich keine Schandtat. Es ist der kleine, kindliche Regenschauer zwischendurch, mit einem leichten, dramatischen Beiklang, der wenigstens an die Ambition des Originals erinnert – wenngleich er sie nicht zu wiederholen vermag.
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