Mehr noch als andere Erzählformen bietet das serielle Erzählen die Möglichkeit immersiven Erlebens: Strukturen können aufgebrochen, Zuschauer*innen mit einbezogen, Grenzen des Erzählten gesprengt werden. So waren zum Beispiel in „24” Erzählzeit und erzählte Zeit bahnbrechenderweise eins, bei „Black Mirror” und „Kalleidoskop” konnte die Handlung interaktiv mitbestimmt werden.
Die Mini-Serie „The Third Day” setzte dem Ganzen noch Eins oben drauf: Diese teilt sich nämlich in die Episoden 1 bis 3 („Summer"), 4 bis 6 („Winter") und dazwischen trumpft das Herzstück „Fall“ auf, ein 12 Stunden langes immersives Live-Event von der Insel Osea.
Die am 12. September 2020 stattfindende Übertragung war ein einmaliges Live-Event – das Ganze wurde ohne Schnitt, ohne Pause und ohne Struktur gedreht. Von Mittag bis Mitternacht konnte man hier in Echtzeit den Inselbewohnern inklusive eines blutverschmierten Jude Laws bei ihren Riten, Prozessionen und Feuertänzen beiwohnen und beinahe das Gefühl bekommen, selbst Teil einer Sekte zu sein.
Das Live-Event gibt es nun zwar leider nicht mehr im Stream – den Rest der sehr sehenswerten Serie allerdings schon. „The Third Day” ist aktuell exklusiv bei Wow verfügbar:
Die Insel, von der niemand zurückkommt
„The Third Day” spielt auf Osea Island, einer realen Insel, die an der Küste des englischen Essex liegt. Die Insel ist nur bei Ebbe erreichbar, wenn das Meer einen schmalen Damm freigibt. Hierher verschlägt es nun Sam (Jude Law), der um seinen ein Jahr zuvor gestorbenen kleinen Sohn trauert.
Nach und nach merkt er, dass die Inselbewohner*innen eine Art Kult pflegen – mit Ritualen, Opfern, und mystischen Prophezeiungen. Während er von Halluzinationen und blutigen Träumen heimgesucht wird, lässt ihn die Insel nicht los: Immer tiefer wird er selbst in den Kult hineingezogen.
Einige Monate später folgt ihm seine Frau Helen (Naomie Harris) mit ihren beiden Kindern nach Osea, um Sam zu suchen. Und kann sich am Ende ebenfalls dem Sog der Insel nicht verwehren...
Schon in den ersten Minuten von „The Third Day” wird klar: Hier wird's merkwürdig. Von Anfang an ist eine seltsam aufgeladene Stimmung zu spüren, die Farben grell, der Sound übersteuert – eine Atmosphäre irgendwo zwischen „Twin Peaks" und „Shutter Island".
Man könnte fast meinen, in einem Traum gefangen zu sein – wären die überall herumliegenden Tierkadaver nicht allzu real. Oder doch nicht? Das kluge Spiel mit Sams Wahrnehmung, Traumbildern und seinem zunehmenden Realitätsverlust führen dazu, dass man sich die ganze Zeit fragen muss, wer jetzt hier eigentlich nicht ganz dicht ist.
Die Macht der Rituale
Einen großen Reiz wie auch Verstörungsfaktor bringt der Folk-Horror in „The Third Day” mit sich: Maskierte Männer, Gesänge, Opferungen. Die Insel-Community funktioniert nur nach ihren ganz eigenen Gesetzen, als geschlossene Gesellschaft innerhalb dieser Grenzen. Und alles darüber hinaus wird gnadenlos vereinnahmt: Es ist ein immerwährender Zyklus, ein Verschlucken von Anfang und Ende und eine sich abwärts bewegende Spirale, die sich immer weiter dreht.
Am Ende ist „The Third Day” auch ohne das 12-stündige Live-Event ein Erlebnis: Die flirrenden Bilder, das Rauschhafte, vor allem der geniale Soundtrack – das alles setzt nicht zwingend auf Logik, sondern auf absolute Unmittelbarkeit.
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