Dangerous Animals
Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
3,5
gut
Dangerous Animals

Ein Serienkiller und ein ganzer Haufen Haie!

Von Christoph Petersen

Als kleiner Junge wurde Bruce Tucker (Jai Courtney) von einem Hai gebissen, der ihn erst in allerletzter Sekunde wieder freigab. Die Narbe des gewaltigen Gebisses umfasst bis heute seinen halben Oberkörper. Aber anstatt die Tiere deshalb zu hassen oder sich zumindest vor ihnen zu fürchten, verehrt er sie sogar. Als Kleinunternehmer bietet er regelmäßig Touren an der australischen Küste an, damit Tourist*innen in einem Stahlkäfig mit den Haien schwimmen und so die majestätische Aura der eleganten Meeresräuber aus nächster Nähe erfahren können.

Wäre es eine wahre Biografie, böte sie sich doch perfekt für eine erbauliche Netflix-Doku an, oder? So im Stile von „Mein Lehrer, der Krake“, also inhaltlich dünn und tendenziell kitschig, aber weil beim Schauen alle losheulen, gibt's am Ende trotzdem den Oscar als Bester Dokumentarfilm.

Tierlieber Serienmörder

Aber ich drohe abzuschweifen. Denn Bruces Vergötterung der Haie geht so weit, dass das mit dem Deal für eine Streaming-Doku doch eher schwierig werden dürfte: Schließlich fährt der Kutter-Kapitän mit seiner urlaubenden Kundschaft nicht nur zum Tauchen aufs Meer – er kidnappt sie auch, um sie anschließend zeremoniell (und mit einer alten Kamera auf VHS-Kassetten aufgezeichnet) an seine Lieblingstiere zu verfüttern.

Der australische Regisseur Sean Byrne hat zuletzt vor zehn Jahren den herausragenden Okkult-Metal-Schocker „The Devil's Candy“ abgeliefert. Noch bekannter ist allerdings sein Langfilmdebüt „The Loved Ones – Pretty In Blood“, das bei Fans vor allem deshalb den Status eines modernen Klassikers innehat, weil die Abschlussball-Foltersessions so gnadenlos-fies ausgefallen sind. Eine Qualität, die nun auch bei „Dangerous Animals“ einmal mehr deutlich sichtbar wird.

Im Frachtraum seines Kutters lagert Bruce Tucker (Jai Courtney) das Lebendfutter für seine Hai-Freunde. Constantin Film
Im Frachtraum seines Kutters lagert Bruce Tucker (Jai Courtney) das Lebendfutter für seine Hai-Freunde.

Trotzdem zeigte sich sogar Sean Byrne selbst überrascht, dass ausgerechnet sein Film nach Cannes eingeladen wurde: „Der erste Hai-Film zu sein, der jemals offiziell für Cannes ausgewählt wurde, war irgendwie unfassbar. Und dann auch noch in der Directors’ Fortnight, die traditionell eine sehr cinephil geprägte Sektion ist – das war ein großartiges Zeichen des Vertrauens.“ Zwar ist „Dangerous Animals“ längst nicht die erste Horror-Produktion, die in der Sektion gezeigt wurde – aber normalerweise laufen dort eben allenfalls „gehobene“ Genrefilme wie „Men“ (Alex Garland), „Der Leuchtturm“ (Robert Eggers) oder „In Flames“ (Zarrar Kahn). Ein geradliniger Serienkiller-Thriller mit gefräßigen Haien fällt hingegen so gar nicht in das übliche Beuteschema der Programmmacher*innen …

… und womöglich wurde er vom Kinokunst-übersättigten Publikum gerade deshalb so begeistert aufgenommen! „Dangerous Animals“ erfindet das Rad sicherlich nicht neu und versucht auch nie, mehr zu sein, als er ist. Aber manchmal reicht das pure Genrehandwerk, wenn es nur gut genug gemacht ist: Auf dem Papier hat die Story definitiv das Zeug zum üblichen Hai-Trash für die allerhintersten Videothekenregale – aber dann sind Regie, Kamera und vor allem die Darsteller*innen alle viel besser, als man es von so einer Hochsee-Räuberpistole eigentlich erwarten dürfte.

Moses (Josh Heuston) zappelt bereits in der Vorrichtung, mit dem Serienmörder Bruce Tucker regelmäßig seine mit Frischblut angelockten Lieblingstiere füttert. Constantin Film
Moses (Josh Heuston) zappelt bereits in der Vorrichtung, mit dem Serienmörder Bruce Tucker regelmäßig seine mit Frischblut angelockten Lieblingstiere füttert.

Die texanische Newcomerin Hassie Harrison („Yellowstone“) erinnert ein wenig an Jennifer Lawrence in den „Panem“-Filmen: Ihr nimmt man die surfende Alleingängerin, die sich notfalls nicht nur den Daumen bricht, sondern ihn sogar abbeißt, um den Handschellen zu entkommen, jederzeit ab. Zur Abwechslung mal ein gar nicht dummes Final Girl – und sogar ihr One-Night-Stand Moses, der zunächst aussieht wie ein Mormone auf Abwegen, entpuppt sich dank des Spiels von Josh Heuston (in „Thor 4“ noch als Zeus’ Pretty Boy zu sehen) als überraschend sympathisch.

Aber die bleibende Performance liefert natürlich „Terminator: Genisys“- und „Suicide Squad“-Star Jai Courtney: Für seine Rolle als stämmiger, wuschelköpfiger Serienkiller hat er zur Vorbereitung viel Zeit in Aquarien verbracht, um tatsächlich eine Nähe zu Haien aufzubauen. Aber selbst, wenn die Fütterungssequenzen – auch weil die Effektabteilung die übriggebliebenen Viertelkörper ziemlich glaubhaft gestaltet hat – tatsächlich ziemlich creepy sind, ist es eine „Reservoir Dogs“-artige Tanzsequenz, die das alles noch toppt: Courtney selbst war der Dreh dieser Szene so peinlich, dass er sie nur in alkoholisiertem Zustand heimlich mit Chefkameramann Shelley Farthing-Dawe („Outlaws“) aufnehmen konnte. Es hat sich gelohnt!

Fazit: Das Konzept klingt nach purem Trash, aber Sean Byrne liefert mit „Dangerous Animals“ einen handwerklich durchweg überzeugenden und vor allem stark gespielten Serienkiller-Schocker – bei dem Genrefans die blutigen Hai-Einlagen noch als nettes Extra zusätzlich geboten bekommen.

Wir haben „Dangerous Animals“ im Rahmen des Cannes Filmfestivals 2025 gesehen, wo er im offiziellen Programm der Directors' Fortnight seine Weltpremiere gefeiert hat.

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