Lesbian Space Princess
Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
4,0
stark
Lesbian Space Princess

Das heitere, queere Gegengift zu "Rick And Morty"

Von Sidney Schering

Von raren Ausnahmen wie Disneys „Strange World“ abgesehen, findet Repräsentation von Nicht-Heteronormativität in den Kino-Trickproduktionen der großen Studios nur am Rande statt – wenn überhaupt! Da die Platzhirsche nicht vorwärts kommen, müssen es also die (noch) unbekannten Kreativköpfe richten, wie etwa Leela Varghese und Emma Hough Hobbs.

Hough Hobbs war unter anderem für die Requisiten des Horror-Phänomens „Talk To Me“ zuständig, während Varghese bislang größtenteils in der australischen Comedyszene auf sich aufmerksam machte. Als sich das Paar eines Tages stritt, weil es nie zusammenarbeitet, entstand zuerst der Titel „Lesbian Space Princess“. Daraus wurde schnell die Idee, ein gemeinsames Regiedebüt voller Camp zu formen. Und wir können Hobbs und Varghese nur zu diesem Streit gratulieren, denn „Lesbian Space Princess“ wird ganz bestimmt zum bunten, queeren Gute-Laune-Kult!

Prinzessin Saira erlebt ein Abenteuer. Salzgeber
Prinzessin Saira erlebt ein Abenteuer.

Prinzessin Saira (Stimme im Original: Shabana Azeez) vom Planeten Clitopolis ist erleichtert: Stets musste sie sich anhören, sie sei völlig langweilig. Doch jetzt hat sie sich die heiße, begehrte Kopfgeldjägerin Kiki (Bernie Van Tiel) geangelt, mit der sie tüchtig angeben kann! Saira hat ihrer Liebsten sogar ein Album gebastelt, das auf ihre gemeinsame Zeit zurückblickt. Das kommt bei der taffen Kämpferin allerdings nicht gut an: Kiki macht ganz blasé Schluss.

Für die adlige Stubenhockerin bricht eine Welt zusammen, aber dann bekommt sie die Chance, sich zu behaupten: Drei Straight White Maliens entführen die Kopfgeldjägerin und erpressen Saira, um so an ihre königliche Labrys zu gelangen. Die hat Saira zwar noch nicht, aber das müssen die Incel-Milchgesichter ja nicht wissen!

Ab in die Hölle, also in die Männerhöhle mit Marvel-Diskussionen

Kaum verlässt Saira in einem vorgestrigen, sarkastischen Raumschiff den ihr bekannten, sicheren, schwul-lesbischen Raum, wird sie mit einem befremdlichen Kosmos konfrontiert. Der besteht unter anderem aus aggressiven Phallussymbolen und einem Hetero-Bengel, der jämmerliche Liebesmusik winselt, während er in seine Klampfe haut. Auch Kiki wird in der Männerhöhle ihrer Geiselnehmer mit Gesprächen über Marvel, Reddit und Fantasy-Sammelkarten an die Grenzen ihrer Geduld gebracht. Doch es ist nicht alles schlecht da draußen!

So begegnet Saira während ihrer Odyssee Willow (Gemma Chua-Tran), Ex-Mitglied einer Queer-Pop-Band und jetzt auf einem einsamen Mond auf der Suche nach Inspiration für nachdenkliche Indie-Musik. Die fand das nicht-binäre Gesangstalent zwar nicht, dafür wird aus Saira und Willow in Windeseile ein verständnisvolles Gespann. Das tut dem Selbstwertgefühl der (vermeintlichen) Langweilerin gut, könnte aber ihre Rettungsmission verkomplizieren...

Auf so einer Reise trifft man auch neue Leute... Salzgeber
Auf so einer Reise trifft man auch neue Leute...

Das sich über desinteressierte Frauen beklagende, konturlose Typen-Trio, eine sich an ihre Partnerin klettende Stubenhockerin im Flauschpulli und ihre abenteuerlustige, forsche Ex: Hough Hobbs und Varghese betreiben ein temporeiches, amüsantes Spiel mit Stereo- und Archetypen. Was schnell zur gemeinen Schelte respektive Selbstgeißelung werden könnte, wird in „Lesbian Space Princess“ zur heiteren Katharsis: Schaut auf genüsslich zugespitzte, scharf beobachtete Macken, Ärgernisse sowie Eigenheiten und kichert sämtlichen, berechtigten Gram und alle falsche Scham hinfort!

Konsequent sind die ignoranten Straight White Maliens keine reale Bedrohung, sondern erleichternd-inkompetente Schurken mit Hang zu genüsslich-lächerlichen Debatten – alles andere wäre zu deprimierend für diese campy Komik. Klares Highlight: Ihre irrwitzige Suche nach dem Unterschied zwischen „lesbisch“ und „thespisch“! Clitopolis ist derweil ein Sammelsurium aus überspitzten LGBTQIAA+-Wirklichkeiten und Referenzen auf von der queeren Community eingemeideten Mainstream. Natürlich liegt in Sairas Schlafzimmer ein „Twilight“-Band herum, eine an „Sailor Moon“ angelehnte Verwandlungssequenz ist ebenso ein Muss, und wer genau hinschaut, wird erkennen, dass Saira einen „Der Babadook“-Anhänger besitzt. Schließlich wurde das titelgebende Monster des australischen Horror-Hits zur queeren Ikone ernannt, nachdem ein Streamingdienst den Film versehentlich in seine Regenbogen-Sektion aufnahm...

Farbenfroh und schlagfertig zur Selbstakzeptanz

All das setzen Hough Hobbs und Varghese mit süffisanter Verspieltheit (man denke an ein deutlich weniger garstiges „Rick And Morty“) sowie ansteckender Heiterkeit um: Das Sci-Fi-Trickabenteuer ist zwar kostensparend animiert, doch charmant-farbenfroh gestaltet und rappelvoll mit gewitzten, visuellen Randnotizen. Zudem rasselt der launige Cast geschwind Blödel-Wortspiele sowie jugendlich-naive Dialogkomik herunter und verleiht dem Ganzen zugleich emotionale Wertigkeit.

Denn Sairas zotig-süße, rasant-wilde Rettungsmission wird zur echt erfrischenden Reise gen Selbsterkenntnis: „Lesbian Space Princess“ ist nicht die x-te Coming-Out-Geschichte einer mit ihrer sexuellen Orientierung hadernden Heldin! Saira muss hingegen lernen, ihre eher introvertierte Persönlichkeit (und die damit verbundene Art, ihre Sexualität auszudrücken) zu respektieren – ohne sich deshalb zu verschließen. So spaßig-herzlich sich dies entfaltet, völlig makellos ist es nicht: Sairas Fortschritte verdichten sich auf wenige, kompakte Wendepunkte, wie auf eine durch die spitzzüngige Drag Queen Blade (Kween Kong) ausgelöste Traumsequenz – da wäre mehr möglich gewesen!

Normalerweise kann die coole Kiki auf sich selbst aufpassen. Salzgeber
Normalerweise kann die coole Kiki auf sich selbst aufpassen.

Und die Lieder, mit denen „Lesbian Space Princess“ bespickt ist, hätten mehr Verve gebraucht, um mit dem turbulenten Geschehen mitzuhalten. Trotzdem findet dieses Regiedebüt zum verspielten, feschen Loblied darauf zusammen, dass es viele Wege gibt, sich auszuleben – und dass sie alle an der äußersten Oberfläche klischeehaft wirken können, letztlich aber valide sind. Jedenfalls, solange man sich nicht in lähmendes Selbstmitleid hineinsteigert oder gar zur Attacke auf andere ausholt. Und sogar die deutliche Verbalisierung dieser Moral verwandelt „Lesbian Space Princess“ in eine hervorragende Pointe – da sei das kurz darauf folgende, hastige Ende prompt verziehen!

Fazit: „Rick And Morty“ für Leute, die wissen, was eine Klitoriseichel ist: „Lesbian Space Princess“ ist ein zünftig-zügiges, selbstbewusst nicht-heteronormatives Gute-Laune-Weltallabenteuer voller kreativer Albernheiten und mit feschen Schnellfeuerdialogen.

Wir haben „Lesbian Space Princess“ auf dem Filmfest Aachen gesehen, wo der Film im Wettbewerb lief.

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