Sechswochenamt
Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
3,5
gut
Sechswochenamt

Allein mit der Trauer

Von Ulf Lepelmeier

In Jacqueline Jansens autofiktionalem Spielfilmdebüt „Sechswochenamt“ ist der Tod eines gebliebten Menschen nicht das Ende, sondern der Ausgangspunkt. Direkt die erste Szene lässt uns an den finalen Atemzügen der schwerkranken Martha teilhaben, deren Tochter Lore an ihrem Bett wacht. Der Film begleitet sie daraufhin in den Wochen nach diesem Moment, in denen sie mit Trauer, Bürokratie, Familienkonflikten und gesellschaftlichen Erwartungen zu ringen hat. Eingebettet in die ersten Wochen der Corona-Pandemie 2020, erzählt „Sechswochenamt“ von einer sich einsam und überfordert fühlenden Frau, die dennoch funktionieren muss. Ein rheinisches Drama voller emotionaler Härte und leiser Komik, das beim Filmfest München mit dem Förderpreis Neues Deutsches Kino im Bereich Produktion für die mutige Projektumsetzung jenseits etablierter Strukturen sowie für die herausragende Darstellung von Magdalena Laubisch („Love Addicts“) ausgezeichnet wurde.

Im nordrhein-westfälischen Erkelenz stirbt Lores Mutter Martha (Suzanne Ziellenbach) nach langer Krebserkrankung mit nur 55 Jahren in einem Hospiz. Überfordert mit der Organisation der Beerdigung, ringt Lore (Magdalena Laubisch) damit, eine Seebestattung als letzten Wunsch ihrer Mutter zu ermöglichen. Doch diese Art der Beisetzung ist weder gesetzlich erlaubt noch kirchlich vorgesehen, und auch Großmutter Inge (Gerta Gormanns) heißt das Vorhaben nicht gut. Nach ihrem Willen soll die Verstorbene ein traditionelles Begräbnis erhalten. Lores Schwester Sophie (Lola Klamroth) wiederum will sich gar nicht erst die Mühe machen, in die alte Heimat zurückzukehren – und auch sonst scheint niemand wirklich auf Lore einzugehen oder Anteil an ihrer Trauer nehmen zu wollen...

Wird nicht nur mit ihrer Trauer um ihre Mutter, sondern auch mit der Planung der Beerdigung allein gelassen: Lore (Magdalena Laubisch) Filmweh
Wird nicht nur mit ihrer Trauer um ihre Mutter, sondern auch mit der Planung der Beerdigung allein gelassen: Lore (Magdalena Laubisch)

In den ersten Minuten von „Sechswochenamt“ vernimmt man das schwere Atmen von Lores Mutter, gefolgt von einem langen finalen Seufzer, der den Tod nach sich zieht. Was darauf folgt, ist kein klassisches Drama um das Abschiednehmen, sondern ein leiser, teils etwas spröder Film über das Danach, also den Umgang mit der sich einstellenden Leere sowie den Regeln und Zumutungen, mit denen sich die Hinterbliebenen zusätzlich auseinandersetzen müssen. Regisseurin Jansen, die in ihrem Spielfilmdebüt eigene Erfahrungen verarbeitete, fängt diesen besonderen emotionalen Ausnahmezustand authentisch ein, wobei sie mit ihrer Inszenierung das Gefühl der Isolation noch verstärkt. Die Kamera bleibt oft statisch, und viele Szenen muten fast dokumentarisch an. Es gibt weder Musik noch erklärende Rückblenden. So erfährt man nur beiläufig in Nebensätzen, dass Lore wohl ihr Studium abgebrochen hat, sich Martha zeitlebens nicht in die Dorfgemeinschaft einreihte und die Familie mit finanziellen Problemen zu kämpfen hat. Der häufig zu hörende örtliche Dialekt verankert die Handlung dabei stark im Lokalen.

„Sechswochenamt“ wirkt in Teilen auch zermürbend-lethargisch. In seinen besten Momenten verbindet der Film präzise beobachteten Alltagsrealismus mit einer eigentümlichen, fast lakonischen Komik. Etwa wenn die Nachbarin ihre Kondolenzbekundung allzu rasch in Fragen nach dem Fortbestehen von Marthas Wohnung und einer noch offenen Pauschale fürs Rasenmähen übergehen lässt oder der Priester mehr Interesse an Möbelspenden als an dem Seelenheil der Verstorbenen und ihrer Hinterbliebenen an den Tag legt. So unpassend und teils absurd diese Gespräche auch verlaufen, erscheinen sie doch allzu bekannt und (erschreckend) realistisch. Man weiß selbst nicht recht, wie man reagieren soll und spürt förmlich, wie es in Lore brodelt. Wie sie die Ignoranz und das fehlende Mitgefühl ihrer Mitmenschen ärgern, nerven und betrüben. Und wie sie das alles dennoch meist stoisch über sich ergehen lässt und drohenden potenziellen Konflikten aus dem Weg geht. Wohl auch, weil sie in ihrer Situation schlicht keine Kraft mehr für Auseinandersetzungen aufbringen kann.

Magdelena Laubisch trägt auch den Film fast ganz allein

Im Zentrum der mit geringen Mitteln realisierten Produktion steht Magdalena Laubisch, die mit ihrem pointierten, wunderbar zurückgenommenen Spiel die Gefühlswelt einer Trauernden auf ebenso subtile wie eindringliche Weise vermittelt. Lore muss nach dem Tod ihrer Mutter einfach alles allein regeln, von der Beerdigung über die Trauerfeier und Wohnungsauflösung bis hin zu bürokratischen Hürden. Ihr Umfeld zeigt zwar anfängliche Anteilnahme, zieht sich jedoch schnell zurück, sodass es ihr nie erlaubt ist, sich einfach ihrem Schmerz hinzugeben. Laubisch macht dieses Spannungsfeld aus Trauer, Überforderung und innerem Zusammenreißen allein durch kleine Gesten und Blicke spürbar.

Fazit: „Sechswochenamt“ begleitet die um ihre Mutter trauernde Protagonistin zwischen Überforderung, Sprachlosigkeit und stiller Einsamkeit. In reduzierten Bildern und langen Einstellungen erzählt Regisseurin, Drehbuchautorin und Produzentin Jacqueline Jansen vom Ringen um Trauer in einer Welt, die sich durch die Corona-Pandemie immer weiter verschließt. Dabei richtet er den Blick auf zwischenmenschliche Risse und auf die von Magdalena Laubisch großartig verkörperte Hauptfigur, die versucht, sich ihren eigenen Weg durch eine emotional fordernde Zeit zu bahnen.

Wir haben „Sechswochenamt“ auf dem Filmfest München gesehen, wo er als Teil der Reihe Neues Deutsches Kino gezeigt wurde.

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