In (fast) jedem Kinderzimmer ist er schon – jetzt kommt er auch ins Kino!
Von Ulf LepelmeierDie Abenteuer des neugierigen Erdmännchens Tafiti, erdacht von der erfolgreichen Kinderbuchautorin Julia Boehme („Meine Freundin Conni“), gehören längst zum festen Inventar deutscher Kinderzimmer. Seit mehr als zehn Jahren erscheinen die liebevoll gestalteten Bücher mit einer Kombination aus Erzähltext und Aquarell-Illustrationen beim Löwe Verlag und richten sich an Kinder ab fünf Jahren. Tafiti und sein treuer Freund Pinsel, ein Pinselohrschwein, erleben in der Savanne Namibias zahlreiche Abenteuer. Mit „Tafiti – Ab durch die Wüste“ von Nina Wels („Latte Igel und der magische Wasserstein“) schaffen es die bekannten Figuren nun erstmals auf die große Leinwand.
Dabei orientiert sich der Animationsfilm stilistisch nicht an den ursprünglichen Büchern, sondern setzt auf einen computeranimierten Look mit wechselhafter Qualität. Die Geschichte hangelt sich episodenhaft von Schauplatz zu Schauplatz, ohne echte Figurenentwicklung oder dramaturgische Tiefe. Trotz der Werte um Freundschaft, Toleranz und Teamarbeit bleibt Tafitis Filmdebüt ein durchweg konventionelles 08/15-Kinoabenteuer, das weder optisch noch narrativ in der oberen Animationsfilmliga mithalten kann.
Tafiti wächst mit seinen zwei Geschwistern in einem strengen, aber fürsorglichen Erdmännchenbau in der afrikanischen Savanne auf. Sicherheit steht über allem, das predigt Opapa unermüdlich: Fremde sind gefährlich, die Welt da draußen ist voller Fressfeinde – selbst ein Schmetterling kann zur Ablenkung und damit zur Gefahr werden. Doch Tafiti ist mutig und aufgeschlossen. Er lässt sich von Opapas Warnungen nicht einschüchtern. Als das tapsige Pinselohrschwein Pinsel von einem Adler gepackt wird, rettet Tafiti es kurzerhand, entgegen allen Regeln der Vorsicht.
Nach der spontanen Rettung lässt sich Pinsel nicht so leicht abschütteln und folgt Tafiti zu seinem Bau. Durch seine Anwesenheit wird die Familie abgelenkt und eine gefährliche Schlange auf den Plan gerufen. Als Opapa gebissen wird, gibt es nur noch eine Hoffnung, ihn vor dem tödlichen Schlangengift zu retten: eine sagenumwobene blaue Blume, der eine heilende Wirkung nachgesagt wird. Sie soll weit entfernt hinter der Wüste in einem geheimnisvollen Tal wachsen. Tafiti will seinen Großvater retten und begibt sich – trotz der Ängste seiner Familie – auf die gefährliche Suche nach der Blume. Und der von Schuldgefühlen geplagte Pinsel trottet ihm weiter hinterher…
Die Reise, die Tafiti und Pinsel von der Savanne über unterirdische Seen und Gebirgspässen bis zur Meeresküste durch die unterschiedlichsten Lebensräume führt, schafft leider nicht wirklich Räume für die Entwicklung der Hauptfiguren. Stattdessen hetzt die Story von Szenario zu Szenario. Neue Herausforderungen werden eingeführt, nur um im nächsten Moment durch plötzliche Zufälle oder unmotivierte, sprunghafte Sinneswandel gelöst zu werden. Die Freundschaft der beiden Helden entwickelt sich so ebenfalls nur oberflächlich, inklusive des erwartbaren Bruchs, der genauso schnell wieder gekittet ist. Unterwegs begegnet das Duo verschiedenen Tieren – etwa einer egozentrischen Elefantenspitzmaus, die sich Hals- über Kopf in eine Elefanten-Lady verguckt; oder einer überdrehten Echse, die über die extrem heißen Salzpfannen tänzelt.
Solche Auftritte sind zwar witzig gemeint, bleiben aber meist rein funktional für den Fortgang der Geschichte. Die zentrale Botschaft von Freundschaft, Zusammenhalt und Offenheit kann nicht wirklich zünden, da weder Figuren noch Handlung genügend Tiefe entfalten. Charakterentwicklungen finden kaum statt. Tafiti ist von Anfang an mutig und bleibt es. Der redselige Pinsel ist von Anfang an unbeholfen und gutgläubig und bleibt dies ebenfalls. Eine innere Wandlung zeigt sich allenfalls bei Nebencharakteren, doch wirkt diese dann sehr gehetzt und unausgereift.
Wichtige Themen wie Vorurteile oder Unterschiede zwischen den Tierarten werden zwar eingeführt, aber nicht ausgeführt. So verkommt selbst Tafitis Umdenken und Aufbegehren gegen das familiäre Misstrauen gegenüber Fremden zu einer eher plakativen Geste. Ist doch bei seinem ersten Ausflug aus dem heimischen Bau schon direkt jedwede Vorsicht in Bezug auf andere Tiere vergessen – und auch im Anschluss kommt es nie zu einem ernsthaften Konflikt mit seiner Familie.
„Tafiti – Ab durch die Wüste“ wirkt deshalb wie ein Film, der primär als Franchise-Vehikel gedacht ist: bunt, laut, schnell – aber ohne erzählerische Finesse und Rückgrat. Die Story folgt exemplarisch der klassischen Heldenreise, doch statt Spannung oder Überraschungen gibt es bloß eine lose Aneinanderreihung von Stationen, Begegnungen und Problemen, die nie echte Konsequenz haben. Das Drehbuch arbeitet dabei mit vorhersehbaren Plotpunkten und folgt dem Aufbau „Hindernis, Konflikt, Lösung – und weiter geht’s!“ allzu schematisch.
Auch die Animationsqualität schwankt stark. Während manche Felltexturen und Lichteffekte gelungen sind, wirken einige Bewegungsabläufe hölzern. Insgesamt scheint die Welt etwas kahl und wenig belebt. Tafitis rotes Halstuch, dessen Faltenwurf in jeder Szene gleich sitzt, steht sinnbildlich für den eher statischen Gesamteindruck. Der Humor richtet sich an sehr junge Zuschauer*innen: Furz-Witze, ein plappernder Pinsel und quatschige Nebenfiguren bringt die Jüngsten zum Kichern, doch für ältere Kinder oder Erwachsene fehlt eine zusätzliche Ebene.
Leider gehen die Wärme und Ruhe, welche die liebevollen Zeichnungen der Bücher ausstrahlen, bei den computergenerierten Animationen vollkommen verloren. Ein individueller, reduzierter Animationsstil wie etwa bei „Meine Freundin Conni – Geheimnis um Kater Mau“ hätte wohl besser zur Vorlage und Zielgruppe gepasst. Stattdessen stellt „Tafiti“ den Versuch eines Anschlusses an internationale CGI-Projekte dar, der mit geringerem Budget und fehlender Drehbuchraffinesse allerdings nicht aufgeht.
Fazit: „Tafiti – Ab durch die Wüste“ ist ein recht uninspiriert präsentierter Kinoausflug des beliebten Kinderbuch-Erdmännchens. Weder erzählerisch noch animationstechnisch überzeugt das Abenteuer, das in zu hohem Tempo durch die Schauplätze hetzt und dabei Tiefe und Wärme vermissen lässt.
Wir haben „Tafiti – Ab durch die Wüste“ im Rahmen des Filmfests München 2025 gesehen, wo er seine Weltpremiere gefeiert hat.