Wenn Rapper ins Schauspielfach wechseln, kann das Ergebnis höchst unterschiedlich ausfallen. Während Bushidos darstellerische Leistung in seinem Biopic „Zeiten ändern Dich“ doch eher bescheiden ausfiel, überzeugte Eminem in „8 Mile“ Kritiker*innen rund um den Erdball mit einem überraschend nuancierten Spiel.
Nun betritt Asche mit „Haps - Crime Doesn't Pay“, der seit dem 27. März 2025 in den deutschen Kinos läuft, die Schauspielbühne. Der für seinen harten Straßenrap bekannte Künstler verkörpert in seinem Debüt einen russischen Gangster, der eine lebenslange Haftstrafe verbüßen muss. Mehr über seine Performance erfahrt ihr in der offiziellen FILMSTARTS-Kritik zum Film von Ekrem Engizek.
Anlässlich des Kinostarts hat sich FILMSTARTS-Redakteur Pascal Reis für ein ausführliches Interview mit Asche zusammengesetzt – unter anderem über die kreativen Freiheiten, die die Schauspielerei im Vergleich zum Rapbusiness bietet. Viel Vergnügen beim Lesen!
FILMSTARTS: Wie kam es eigentlich dazu, dass du in „Haps“ mitspielst? Gab es ein klassisches Casting, an dem du teilgenommen hast?
Asche: Also ich muss wirklich sagen – zu meiner Verteidigung und zur Verteidigung aller – ich wäre gerne zu einem Casting gegangen, weil ich mir auch vorgestellt habe, irgendwann mal in einem Film mitzuspielen und dann zu einem klassischen Casting zu gehen. In meinem Fall war es etwas anders. Der Ekrem Engizek hat über Ecken meine Handynummer bekommen und hat mich einfach kontaktiert und mir erzählt, dass er einen Film dreht. Ich muss sagen, als Künstler, als Rapper, gehen da die Alarmglocken an, weil du dir denkst: 'Das hast du schon 1000 Mal gehört.' Es kamen schon so oft Leute zu mir, die das gesagt haben.
Aber Ekrem und ich haben es kurz und knapp gemacht, er hat mir das Drehbuch geschickt und ich habe gesagt, ich lese es mir durch und rufe zurück. Und ich habe das Drehbuch bekommen, bin zum Sport gegangen, habe mir Entspannungsmusik angemacht und das Drehbuch komplett durchgelesen. Komplett. Dann habe ich den Ekrem zurückgerufen und gesagt, dass ich dabei bin und er meinte nur: 'Weißt du was, du hast die Rolle.' Ich habe gefragt: 'Was ist mit Casting?' und er meinte: 'Gibt's nicht'. Das war der Weg von mir zu „Haps“.
FILMSTARTS: War es denn so, dass die Rolle des Viktor schon für dich eigentlich geschrieben wurde? Hatte dich Ekrem schon im Kopf beim Schreiben?
Asche: Darüber haben wir auch gesprochen. Er meinte, dass es nicht so gewesen wäre, aber er hatte wohl eine ganz spezielle Vorstellung von der Rolle, optisch und charakterlich, von seiner Attitüde, der Aura her. Und er meinte, dass er niemand Passendes gefunden hat, bis er dann ein Musikvideo von mir gesehen hat und ihm klar wurde: 'Das isser!'.
Jeden Tag vier Stunden in der Maske
FILMSTARTS: Wie lange waren deine Dreharbeiten für „Haps“?
Asche: Ich war knapp eineinhalb Monate in Berlin, natürlich mit einigen Drehpausen. Ich meine, es war Ende 2022. Ich war über einen Monat in Ost-Berlin.
FILMSTARTS: Und dann wirklich jeden Drehtag aufs Neue die vielen Tattoos aufkleben lassen?
Asche: Ja. Jeden Tag.
FILMSTARTS: Wie lange hat das immer gedauert?
Asche: Es hat jeden Tag zwei Stunden gedauert. Mindestens zwei Stunden. Es war Winter. Ich musste immer in Boxershorts sitzen, mir war also die ganze Zeit kalt. Und nach dem Dreh mussten die Tattoos wieder entfernt werden, das heißt, ich habe jeden Tag vier Stunden in der Maske verbracht. Aber das war es wert.
FILMSTARTS: Konntest du dir die Motive selbst aussuchen? Waren die vorgegeben?
Asche: Wir hatten damals Bilder gesammelt. Es geht ja um einen ganz speziellen Typen eines Russen. Es ist ja ein Mafia-Russe. Wir haben uns also Bilder herausgesucht und ich habe da auch etwas mitgeholfen. Es muss ja authentisch aussehen, es muss genau dieser russische Style sein, der auch diese Mafia geprägt hat und dafür haben wir zusammengearbeitet.
FILMSTARTS: Als du dich dann das erste Mal vor dem Spiegel mit den Tattoos gesehen hast. War das der Moment, wo du dir dachtest: Jetzt bin ich Schauspieler?
Asche: Ja, als ich mich das erste Mal mit den ganzen Tattoos gesehen habe, dachte ich mir nur: 'Wow. Ich bin ein komplett anderer Mensch.' Ich hab ja kein einziges Tattoo. Mit den Tattoos kam sofort das Feeling für die Rolle bei mir an.
FILMSTARTS: Was ist dir am schwersten an der Rolle gefallen? Oder ist es dir überraschend leicht gefallen, zu Viktor zu werden?
Asche: Es ist mir überraschend leicht gefallen. Ich bin kein Mensch, der sich viele Gedanken macht. Ich vertraue immer auf das Momentum, ich vertraue auf mich, ich vertraue dem Umfeld. Es ist immer dabei, wenn andere gut spielen...
FILMSTARTS: Das reißt einen mit.
Asche: Genau. Und ich muss sagen, dass ich echt gute Schauspieler um mich herum hatte. Die haben nicht nur Erfahrung, sondern sind auch wirklich gute Schauspieler. Und in diesem Moment entsteht ein Gefühl, und diese Erkenntnis, dass wirklich jeder in seine Rolle vertieft ist, war unglaublich. Ich hätte nicht gedacht, dass es so wird. Aber ich war positiv überrascht, wie leicht es mir gefallen ist und wie schön ich es fand, diese Rolle zu spielen.
FILMSTARTS: Es hat dir keinen Druck gemacht, mit erfahrenen Schauspielern zu arbeiten?
Asche: Es hat mich motiviert. Ich bin ja Rapper und das Genre ist allgemein ja eher etwas verpönt, man hat ja ein gewisses Klischeebild von Rappern vor Augen. Und ich kam zum Set und am dritten oder vierten Tag haben die Jungs mir erzählt, dass sie dachten: 'Oh, nein. Ein Rapper. Der wird hier hinkommen und sagen, dass er der Krasseste und Coolste ist.'
Aber ich bin nicht so. Ich weiß, ich komme in ein neues Metier, in dem ich ein Niemand bin. Ich wollte lernen. Ich glaube, dass das der Schlüssel zum Erfolg gewesen ist, dass ich eine gute Visitenkarte hinterlassen und nicht unter den Schauspielern untergehen wollte. Denn ich bin ja kein gelernter Schauspieler. Das hat mich so motiviert, mein Bestes zu geben und so konnte ich mithalten.

FILMSTARTS: Waren deine Musikvideos vielleicht auch eine gewisse Vorbereitung auf die Schauspielerei? Die sind von dir ja auch oft sehr filmisch, und du verkörperst in den Videos ja auch einen gewissen Typus.
Asche: Ja, natürlich. In meinen Musikvideos schaue ich auch öfters böse und versuche eine gewisse Stimmung zu erzeugen. Ich versuche, es immer so zu vergleichen: Wenn ein Boxer in die Kampfvorbereitung geht, ist er ein anderer Mensch, als wenn er Off-Season ist. Und das ist Rap. In diesem Moment bin ich Rapper und dann wird auf den Tisch gehauen. Und ja, du hast Recht. Ich kenne das von Musikvideos, ein wenig zu acten, aber es ist eine komplett andere Welt.
Und das will ich allen sagen: Jeder, der auch nur im Leisesten denkt, weil er mal in einem Musikvideo dabei gewesen ist, dass das zu vergleichen wäre mit einem Film … das ist ein Unterschied wie Tag und Nacht. Schauspielern ist ein sehr, sehr harter Job. Sehr schwer. Man muss permanent konzentriert sein, Szenen immer wieder drehen, immer wieder die gleichen Bewegungen. Man muss wirklich sehr tief in der Rolle drin sein, um das zu meistern.
FILMSTARTS: Du hast dich bei den Dreharbeiten also zwischendurch auch gefreut, wenn du endlich wieder im Bett liegst und dich ausruhen darfst?
Asche: Auch da muss ich wirklich ehrlich sein: Ich habe keinerlei Erinnerung an einen solchen Moment. Ich bin ein Mensch mit sehr viel Energie und wenn ich etwas mache, was mir Freude bereitet, dann verfliegt die Zeit. Ich hatte nie das Gefühl, dass ich ausgelaugt bin. Ich habe mich auf den nächsten Tag gefreut.
FILMSTARTS: Das zeugt dann ja auch von einem sehr, sehr guten und gesunden Arbeitsklima, oder?
Asche: Richtig.
FILMSTARTS: Wie stark warst du in der Entwicklung des Soundtracks zum Film involviert?
Asche: Fast gar nicht. Das hat Ekrem fast allein gemacht. Ich wollte mich da aber auch nicht involvieren. Ich bin Künstler und ich habe ein gewisses Verständnis von meiner Kunst. Das ist halt sehr subjektiv, das heißt, ich würde auch andere Künstler womöglich so bewerten, wie sie für meinen Geschmack passen würde. Das wollte ich nicht, denn ich wollte ein objektives Bewertungssystem. Deswegen habe ich da meinen Schritt herausgemacht und meinen Song beigetragen und gut.
FILMSTARTS: Da sind einige echt große Namen dabei. Haftbefehl, Azad…
Asche: Ja, ein toller Soundtrack.
FILMSTARTS: Aber der Schritt zurück von dir war wahrscheinlich am besten, weil du es so vermieden hast, eben doch wieder stärker mit der Musik in Verbindung gebracht zu werden.
Asche: Genau, richtig.
Schauspieler dürfen mehr als Rapper
FILMSTARTS: Im Deutschrap hat Image ja einen sehr hohen Stellenwert, vor allem wenn das Image auch durch Realness gestützt wird. Wie ist das beim Film? Du hast jetzt einen russischen Gangster gespielt, einen Mörder. Darf man sich in der Schauspielerei grundsätzlich also ein bisschen mehr herausnehmen oder kommt es beim Rap genauso darauf an, dass man es einfach nur gut transportieren muss?
Asche: Das ist eine sehr, sehr gute Frage. Das ist eine sehr, sehr schöne Frage. Und deswegen gefällt mir die Schauspielerei mehr, einfach von der Kreativität. Denn als Schauspieler darfst du mehr. Du bist immer in deiner Rolle und wenn die Kameras nicht mehr laufen, dann bist du wieder du selbst. Als Rapper wirst du auch in deiner Freizeit damit assoziierst, was du in deiner Musik sagst. Wenn du zum Beispiel sagst, du magst keine Holztische und sitzt gerne auf weißen Ledercouches, dann bestimmt das die Art und Weise, wie die Menschen mit dir privat umgehen. Beim Rap vermischt die Kunst mit der Person sehr, sehr stark. Es wird immer irgendwie eins. Wie bei Spider-Man und Venom.
FILMSTARTS: Und alles, was du sagst, kann dir immer wieder aufs Neue vorgeworfen werden.
Asche: Genau. Und in der Schauspielerei kannst du dich komplett entfalten, du kannst jede Rolle spielen, und das ist so schön. Man kann sich wirklich einmal freimachen, man kann sich innerlich reinigen und sich voll in die Rolle stürzen.
FILMSTARTS: Aber trotz der Freiheiten, die dir Schauspiel gibt, bist du ja noch an die Rapszene gebunden. Wie wäre denn die Reaktion der Deutschrapszene gewesen, wenn du jetzt eine Rolle wie die Manfreds gespielt hättest? Einer augenscheinlich zuvorkommenden Person, die sich aber an Kindern vergriffen hat?
Asche: Wahrscheinlich nicht so gut (lacht).
FILMSTARTS: Das wäre dir dann auch immer wieder um die Ohren geflogen, oder?
Asche: Ja, definitiv. Ich habe sehr, sehr großen Respekt davor. An alle, die dort gewisse Szenen gedreht haben. Constantin von Jascheroff, mit dem ich auch sehr gut befreundet bin... ich muss sagen, der musste nach dem Film noch sehr viel mit mir über das reden, was er da gespielt hat, damit er das alles verarbeiten konnte. So sehr war er in der Rolle. Und da musst du erst mal wieder herauskommen, weil du erst mal denkst: 'Das ist mir gerade wirklich passiert.' Das musst du erst mal trennen können, denn in dem Film passieren ja wirklich harte Dinge. Und nein, ich würde die Rolle des Manfred nicht spielen. (lacht)
FILMSTARTS: Der Regisseur hat auf der Premiere bereits bestätigt, dass die Produktion von „Haps 2“ im November beginnt. Bist du wieder dabei?
Asche: (überlegt) Es sieht... sehr stark danach aus.
FILMSTARTS: Kannst du noch mehr darüber erzählen?
Asche: Ich weiß noch nichts darüber.
FILMSTARTS: Sicher?
Asche: Ja, gut, ich weiß ein bisschen was, aber ich darf nicht aus dem Nähkästchen plaudern, Ekrem bringt mich um. Ich freue mich sehr darauf. Vor allem, nachdem ich „Haps“ gestern das erste Mal gesehen habe. Es waren so viele Emotionen in mir. Heute verarbeite ich den Film erst und wie ich den Film wahrgenommen habe. Und es ist auch schön, das Feedback der Menschen zu bekommen. Ein Durchschnitt von Menschen aus allen Branchen und allen gesellschaftlichen Schichten.
Wie geht es für Asche im Kino weiter?
FILMSTARTS: Gibt es denn schon weitere Pläne für deine Schauspielkarriere, auch neben „Haps 2“?
Asche: Es hat mir sehr, sehr viel Spaß gemacht. Ich fühle das sehr, sehr, sehr, stark. Ich würde mich freuen und ich werde auch sehr wahrscheinlich in diese Richtung weitermachen. Es gibt bereits 1-2 Sachen, die mir angeboten worden sind.
FILMSTARTS: Über die du noch nicht sprechen kannst?
Asche: Noch nicht, aber es sind Dinge im Gespräch. Und ich freue mich sehr, sehr darauf.
FILMSTARTS: Wie wäre es denn mit einem Asche-Biopic?
Asche: Auch das wurde mir schon vorgeschlagen. Vor zwei Jahren habe ich das Angebot bekommen, eine Biographie zu schreiben. Vor Kurzem wurde dann die Idee an mich herangetragen, meine Lebensgeschichte zu verfilmen. Wer weiß, vielleicht kommt das auch. Es ist echt viel passiert in meinem Leben.
FILMSTARTS: Wie würde dein Biopic heißen?
Asche: Ich habe einen Namen, den sage ich dir aber erst nach dem Interview. (lacht)

FILMSTARTS: Deine Albentitel haben ja auch Filmbezug gehabt, „Sie nannten ihn Knochenbrecher“, „Natural Born Killas“. Warum ist dieser Bezug zum Kino so stark im Rap – und das nicht nur bei dir, sondern quasi durch die Bank weg. Warum sind Filme so prägend für Rapper?
Asche: Ich habe letztens noch mit Freunden zusammengesessen und wir haben genau dieses Thema angeschnitten, warum wir alle, egal in welche Stadt ich komme, immer dieselben Filme aufzählen, wenn wir über Filme sprechen. Es liegt natürlich zuerst daran, dass uns Filme wie „Scarface“, „La Haine“ oder „Menace II Society“ sehr stark geprägt haben, weil wir uns irgendwo in dem Film gesehen haben. Wir wollten alle Scarface sein, auch wenn es eine Tragödie und er kein korrekter Typ ist.
FILMSTARTS: Und er kommt aus dem Nichts, arbeitet sich nach oben.
Asche: Genau und wenn man dann noch Migrationshintergrund hat und Tony Montana sieht, der ohne Papiere kommt und sich an die Spitze arbeitet. Das ist der Weg, den viele gehen wollen. Tony Montana ist ein Vorbild, leider, weil es oft auch keine andere Perspektive gibt. Er kommt aus dem Nichts und wird ein Mogul. Und, man muss natürlich auch noch dazu sagen, ich kenne keinen schlechten Al-Pacino-Film. Diese Filme geben uns eine Möglichkeit, in eine Welt abzutauchen, die wir verstehen, in der wir uns selber sehen oder in der wir einfach abschalten können. Das ist wie mit der Musik. Ich bin der festen Überzeugung, dass deswegen die guten Filme so stark prägend waren, weil sie Inspiration gegeben haben.