Folgt auf "Black Bag" ein neuer Bond? Wir sprechen mit Regisseur Steven Soderbergh über seinen neuen Thriller und die Liebe zum Agenten-Film
Kamil Moll
Kamil Moll
-Freier Autor
Kamil Moll schreibt als freier Autor für zahlreiche Publikationen über Film, Literatur und Popmusik. Bei FILMSTARTS.de ist er regelmäßig als Kritiker im Einsatz und führt für uns auch zahlreiche Interviews.

Mit „Black Bag“ ist der neue Film von Steven Soderbergh in den Kinos gestartet. Der Spionagethriller erinnert dabei an große Genre-Erfolge des Regisseurs wie „Ocean’s Eleven“. FILMSTARTS-Autor Kamil Moll hatte die Gelegenheit, mit ihm zu sprechen.

Focus Features

Eine aus dem britischen Secret Service entwendete Malware stürzt ein verheiratetes Paar von Geheimagenten in eine Vertrauenskrise: Zählt die Loyalität zum Partner mehr als die zum eigenen Land? Mit „Black Bag – Doppeltes Spiel“ und seinen beiden Superstars Michael Fassbender und Cate Blanchett läuft der Regisseur Steven Soderbergh sprichwörtlich wieder zu großer Form auf: Zwischen Agententhriller und Beziehungskomödie erinnert der Film an die mühelose Eleganz und Genre-Finesse seiner frühen kommerziellen Erfolge wie „Ocean’s Eleven“ oder „Out Of Sight“.

FILMSTARTS-Autor Kamil Moll hatte die Gelegenheit, mit Steven Soderbergh darüber zu sprechen, wie sich Thriller-Twists und Beziehungskrise miteinander vertragen oder ob er gerne einen James-Bond-Film drehen würde. Doch zuerst wollten wir wissen, warum 90-Minüter für ihn die perfekte Filmlänge haben.

Regisseur Steven Soderbergh am Set von Claudette Barius/Focus Features © 2025 All Rights Reserved
Regisseur Steven Soderbergh am Set von "Black Bag"

FILMSTARTS: „Black Bag“ dauert rund 90 Minuten. Die Geschichte läuft recht schnell ab, was ungewöhnlich für so einen komplizierten Thrillerstoff ist. War das ein langer Prozess, zu schauen, was weggelassen werden kann, ohne dass man als Zuschauer nicht mehr mitkommt?

Steven Soderbergh: Das Drehbuch war von Anfang an knapp bemessen und umfasste rund 105 Seiten. Es war so konzipiert, dass alles sozusagen schlank und rank abläuft. Einen Erzählstrang gab es, einen zweiten Mord, den wir letztlich gestrichen haben. Da dachte ich mir: Das wirft zu viele Fragen auf und verlangsamt den Film. Weder David [Koepp, der Drehbuchschreiber] noch ich hatten das Gefühl, dass das zum Kern des Films, nämlich der Ehegeschichte, beitragen würde. Es hätte letztlich nur mehr Handlung hinzugefügt. Aber das war auch das Einzige, was ich herausgenommen habe.

FILMSTARTS: Kommt das auch eher dem entgegen, was du selbst im Kino sehen möchtest?

Steven Soderbergh: Ich denke einfach, dass die meisten Filme derzeit zu lang sind. Das mag belanglos klingen, aber ich habe da auch mich selbst vor Augen, wenn ich zu Hause bin und mir einen Film anschauen möchte. Sagen wir, es ist 21 Uhr und ich fange an, etwas herauszusuchen, was ich gerne sehen würde. Da weiß ich bei einem Film, der 140 Minuten dauert nicht, ob ich das gerade in mir habe. Ich suche dann sozusagen eher nach etwas, was nur aus Muskeln und nicht aus Fett besteht. Und ich denke mir, wenn ich eher zu etwas greifen würde, das 93 Minuten dauert, dann geht es anderen wahrscheinlich auch so. Es gibt natürlich auch Ausnahmen. Am Wochenende fange ich vielleicht etwas früher an, dann ist auch Zeit für „Der Pate“.

FILMSTARTS: Du hast ja gerade erwähnt, dass „Black Bag“ im Kern eine Ehegeschichte ist. Wie kam es zu dieser Vermischung verschiedener Genres?

Steven Soderbergh: Unsere Vorstellung war, dass diese Malware namens Severus eigentlich nur ein trojanisches Pferd ist, um einen Film über ein Ehepaar zu machen, das von seinen Kollegen angegriffen wird. Da haben wir einerseits jemanden, der einen Komplott in Gang setzt, indem eine Malware nach Russland gebracht werden soll. Teilweise mag die Motivation dahinter ein Regimewechsel in einem anderen Land sein, aber auf der anderen Seite ist ein großer Teil davon einfach die Tatsache, dass diese Person die Figuren von Cate und Michael wirklich hasst, ihnen ihre Ehe neidet und sie zerstören will. Mir gefiel, wie persönlich das eigentlich ist. Die Tatsache, dass vielleicht ein Weltereignis stattfinden könnte, weil jemand es nicht erträgt, dass zwei Personen miteinander glücklich sind, fand ich sehr interessant. Das hatte ich vorher noch nicht gesehen.

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"Black Bag" ist im Kern eine Ehegeschichte

FILMSTARTS: Eigentlich ja recht aktuell, dass jemand aus rein persönlichen Gründen in die Weltpolitik eingreift.

Steven Soderbergh: Das ist total aktuell, aber auch eben jederzeit möglich. Ich habe 2003 eine Serie namens „K Street“ gemacht, die in Washington, DC spielte. Wir haben zehn Wochen lang dort gedreht. Ich war schockiert, wie persönlich die Beweggründe für die Handlungen der Menschen waren und wie klein. Wenn zum Beispiel jemand ein gutes Gesetz vorschlägt, ein Gesetz, das Menschen wirklich zugutekommt, dann versuchen andere, es zu zerstören, weil sie diese Person nicht mögen. Das blieb mir im Gedächtnis haften. Ich weiß nicht, warum mich das überrascht hat, aber es war deprimierend.

FILMSTARTS: Um noch mal auf George und Katherine zurückzukommen: Alles dreht sich in der Verschwörung um die beiden, selbst wenn sie eigentlich nicht im Bild sind.

Steven Soderbergh: Wir sehen ja nur wenige Szenen, in denen die beiden allein sind. Wie schaffen man es da, diese intime Beziehung zu vermitteln? Nun, indem es in jeder weiteren Szene immer noch um sie geht und andere Figuren über sie sprechen. Sie sind immer der Mittelpunkt des Gesprächs. Was ich gut fand, war, dass David die Erklärungen, die man normalerweise bekommt, wenn sie zusammen sind, an alle anderen Figuren weitergegeben hat, sodass man nicht das Gefühl hatte, dass man etwas auf eine unelegante Art und Weise erzählt bekommt.

Dafür braucht man Filmstars, die eine starke Verbindung zum Publikum haben, damit sie die Arbeit machen. Sie erledigen quasi einen Teil der Arbeit für dich. Es macht einfach Spaß, Michael und Cate im selben Bild zu sehen. Sie sind, glaube ich, ein wirklich gutes Paar auf der Leinwand. Aber wir mussten aufpassen, dass wir es mit ihnen nicht zu schnell übertreiben. Deswegen küssen sie sich auch erst am Ende des Films. Das ist das erste Mal, dass sie diesen Kontakt wirklich haben.

Lauert die Gefahr in den eigenen vier Wänden? Focus Features
Lauert die Gefahr in den eigenen vier Wänden?

FILMSTARTS: In der Regel führt in Spionagegeschichten Liebe zur unausweichlichen Katastrophe. Wolltest du hier bewusst gegen Genreregeln gehen?

Steven Soderbergh: Ja, David fragte sich nicht bei der Geschichte, ob Katherine eine Affäre hat. Sondern: Ist sie in Gefahr? Wird sie getötet werden? Das ist es, worüber er sich Sorgen machte. Er fragte sich nicht, ob es einen anderen Mann gibt.

FILMSTARTS: Mit Pierce Brosnan und Naomie Harris spielen zwei Schauspieler*innen mit, die bereits maßgeblich an James-Bond-Filmen gearbeitet haben. War das eine Filmwelt, an die du bewusst andocken wolltest?

Steven Soderbergh: Selbst James Bond existiert ja nicht in einem Vakuum. Man kämpft auch mit dem Erbe der „Bourne“-Filme und der „Mission Impossible“-Reihe. Das ist einfach eine Sache, die man bedenken muss: In welcher Beziehung stehen wir zu dem, was diese Filme tun?

Als ich Michael das erste Mal in der Brille sah, war ich wirklich aufgeregt, denn ein Grund, warum ich David Koepp bat, die Geschichte von Washington, DC, nach London zu verlegen, war, dass ich Teil dieser Familie von Filmen sein wollte, die über Spione in London gemacht wurden.

FILMSTARTS: Die Brille hat dich an Michael Caine in den Harry-Palmer-Filmen erinnert?

Steven Soderbergh: Ja, vor allem die Harry-Palmer-Filme. „Ipcress – streng geheim“, aber auch „Finale in Berlin“. Und dann sehr viel John le Carré. Ich wollte einfach Teil von diesem Kosmos sein. David hatte vier Jahre lang in London gelebt, und er sagte: „Klingt nach einer guten Idee.“ Das eröffnete auch Casting-Möglichkeiten, von denen ich begeistert war.

Michael Caine in Carlotta Films
Michael Caine in "Ipcress – streng geheim"

FILMSTARTS: Könntest du dir vorstellen, direkt einen James-Bond-Film zu drehen?

Steven Soderbergh: Ich glaube nicht, dass ich wüsste, was ich damit anfangen soll. Es gibt einige sehr ernste Fragen, die geklärt werden müssten: Wie kann man die Figur weiterentwickeln, ohne das zu zerstören, woran das Publikum gewöhnt ist? Ich kenne die Antwort nicht. Ich wurde diesbezüglich zweimal sehr vorsichtig angesprochen, einmal nach „Out Of Sight“ und einmal nach „Ocean’s 12“. Ob ich Interesse hätte. Beide Male habe ich gefragt: Kann ich die kreative Kontrolle über das Drehbuch haben? Beide Male sagten sie: So machen wir das nicht. Ich möchte ja eher etwas machen, das in der Größenordnung von „Black Bag“ liegt.

FILMSTARTS: Unter deinen Filmen der letzten Jahre ist „Black Bag“ ja aber auch eher eine große, kommerzielle Produktion.

Steven Soderbergh: Wenn dir jemand Material gibt, das potenziell kommerziell ist und ein Publikum erreichen kann und intelligent ist, dann musst du dich darauf einlassen. Wenn du auf ein Festival gehst, wirst du eine Menge guter Filme sehen, die Arthouse-Filme sind. Was wir meiner Meinung nach nicht haben, sind genügend große Filme, die ein breites Publikum ansprechen sollen und die großartig sind. Als George [Clooney] und ich die Firma Section 8 gründeten, bestand ein Teil des Auftrags darin, unabhängige Filmemacher in Projekte zu bringen, die echtes kommerzielles Potenzial und Filmstars in sich tragen. Das war unser Ziel, diese beiden Dinge zu vereinen. Und das ist uns auch sehr gut gelungen. Und das ist es, was ich sehen möchte.

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