"Der Beste seiner Generation": Vor 36 Jahren legte Tom Cruise eine der besten Leistungen seiner Karriere hin – doch der Oscar blieb ihm verwehrt!
Michael Bendix
Michael Bendix
-Redakteur
Schaut pro Jahr mehrere hundert Filme und bricht niemals einen ab. Liebt das Kino in seiner Gesamtheit: von Action bis Musical, von Horror bis Komödie, vom alten Hollywood bis zum jüngsten "Mission: Impossible"-Blockbuster.

Dem heutigen Publikum ist Tom Cruise vor allem als Actionheld in „Mission: Impossible“ oder „Top Gun: Maverick“ bekannt. Dabei konnte er auch als Charakterdarsteller überzeugen – vor allem in einem 36 Jahre alten Antikriegsfilm!

Wer heute an Tom Cruise denkt, hat wahrscheinlich zuallererst spektakuläre Action und waghalsige Stunts im Kopf. Doch nachdem er im Jahr 1986 mit „Top Gun“ seinen endgültigen internationalen Durchbruch gefeiert hatte, wollte sich der heute 63-Jährige erst einmal im Charakterfach beweisen.

Anstatt direkt an seinen Part des draufgängerischen Piloten „Maverick“ anzuknüpfen, arbeitete Cruise mit renommierten Regisseuren wie Martin Scorsese („Die Farbe des Geldes“) oder Barry Levinson („Rain Man“) zusammen – bevor er im Jahr 1990 jene Rolle annahm, die ihm seine erste Oscar-Nominierung einbringen sollte: die des querschnittsgelähmten Veteranen Ron Kovic in „Geboren am 4. Juli“, dem zweiten Kapitel von Oliver Stones geplanter Vietnam-Trilogie.

Geboren am 4. Juli
Geboren am 4. Juli
Starttermin 1. März 1990 | 2 Std. 25 Min.
Von Oliver Stone
Mit Tom Cruise, Raymond J. Barry, Caroline Kava
Pressekritiken
4,4
User-Wertung
3,9
Filmstarts
4,5

Nach „Platoon“, der ganz direkt von den Schrecken des Vietnamkriegs erzählte, dreht sich „Geboren am 4. Juli“ vor allem um das Danach. Kovic – der übrigens tatsächlich gelebt hat und auf dessen Autobiografie der Film basiert – ist einst als überzeugter Patriot in den Kampf gezogen, nur um schwer verletzt und desillusioniert in ein Land zurückzukehren, das seinen Einsatz weder versteht noch angemessen würdigt. Cruise erhielt viel Lob für seine nuancierte Darstellung, wenn er sich bei den Oscars auch gegen Daniel Day-Lewis („Mein linker Fuß“) geschlagen geben musste.

In der offiziellen FILMSTARTS-Kritik gab es hervorragende 4,5 von 5 Sternen für den Film, wobei auch hier die schauspielerische Leistung des späteren „Mission: Impossible“-Stars besonders hervorgehoben wird: „Getragen von einer tadellosen Inszenierung und Tom Cruise' überzeugendem Spiel entsteht das gestochen scharfe Bild eines Amerikas, das propagandistisch angefeuert in einen Krieg taumelt, dessen wahres Ausmaß es spät begreift, freilich ohne dass die Durchhalteparolen der Befürworter deswegen verhallen würden.“

Doch der Weg zum fertigen Film war steinig. Bereits Ende der 1970er-Jahre hatte Kovic erste Gespräche mit Oliver Stone über eine mögliche Verfilmung seines gleichnamigen autobiografischen Buches geführt, und 1978 stand das Projekt sogar kurz vor dem Drehstart. Doch in letzter Minute wurde es aus finanziellen Gründen gestrichen. „Ich war verzweifelt“, so Kovic später in einem Interview mit dem NBC-Moderator Bryant Gumbel (via AlloCiné). „Es war, als würde ich erneut verletzt werden, genau wie damals in Vietnam.“

Stone machte ihm das Versprechen, zu der Produktion zurückzukehren, sollten ihm die notwendigen finanziellen Mittel irgendwann zur Verfügung stehen – und 1989, nach dem durchschlagenden Erfolg von „Wall Street“ und vor allem „Platoon“ (vier Oscars, darunter Bester Film!), war es dann endlich so weit.

In Cruise fand der „JFK“-Macher dabei schnell seinen perfekten Hauptdarsteller. „Ich hielt ihn für den Besten seiner Generation“, erinnert sich der Regisseur in einem Interview (via AlloCiné). „Er ist der ideale amerikanische Sohn. Es ist nicht nur Ron, der dieses Grauen durchlebt – es ist Tom Cruise, unser Bild von Tom Cruise.“

Tom Cruise verzichtete für "Geboren am 4. Juli" auf einen Großteil seiner Gage

Cruise war derweil so überzeugt von dem Projekt, dass er sogar eine erhebliche Gehaltskürzung in Kauf nahm. „Ich hatte das Gefühl, dass es ein starkes Drehbuch ist, mit einer wunderbaren Hauptfigur“, so der „Collateral“-Darsteller ebenfalls im Gespräch mit Bryant Gumbel. „Der Film handelt nicht von einem Mann im Rollstuhl. Es ist das Land, das gelähmt war.“

Als Cruise erstmals beim wirklichen Kovic zu Hause war, zeigte sich dieser durchaus überrascht, wie gut der Hollywood-Star seinen Leidensweg verstand: „Er war sehr offen. Er sagte mir, dass er alles geben werde und mich nicht enttäuschen wolle.“

Cruise sollte Wort halten. Kovic war dabei regelmäßig am Set dabei, musste sich aber erst daran gewöhnen, den Schauspieler im Rollstuhl agieren zu sehen. „Es war am Anfang sehr schwer, ihn anzuschauen“, so der Antikriegs-Aktivist. „Ich sah mich in einem der schlimmsten Momente meines Lebens – aber es war Tom. Er beugte sich zu mir, fragte: ‚Wie mache ich mich? Wirkt es authentisch?‘ Ich wusste, dass er wie ich aus der Arbeiterklasse kommt und katholisch erzogen war – wir hatten vieles gemeinsam.“

Ron Kovic überreichte Tom Cruise eine Medaille

Selbst wenn die Kamera aus war, blieb Cruise in seiner Rolle, um ein höchstmögliches Maß an Wirklichkeitsnähe herzustellen. Kovic würdigte den Einsatz des gebürtigen New Yorkers, indem er ihm seine Bronze Star Medal überreichte – eine Auszeichnung für Tapferkeit im Kampf. „Er gab sie Tom, für seinen Mut“, so Stone. „Dafür, dass er diese Hölle mit so viel Glauben und Hingabe erlebt hat – wie jemand, der wirklich dort war.“

Einen Academy Award hat Cruise rund 35 Jahre später übrigens immer noch nicht im Regal stehen. Das wird sich zwar ändern, wenn er im kommenden Jahr seinen Ehren-Oscar verliehen bekommt – doch ein regulärer Darstellerpreis ist dann natürlich doch noch mal was anderes! Ob er mit seiner für 2026 geplanten, bislang noch unbetitelten Zusammenarbeit mit einem vierfachen Oscar-Gewinner eine Chance hat, wird sich zeigen. Mehr zu dem Projekt erfahrt ihr im nachfolgenden Artikel:

"Er bringt mich jeden Tag zum Lachen": Oscar-Regisseur schwärmt von Dreharbeiten zu neuem Film mit Tom Cruise

Ein ähnlicher Artikel ist zuvor auf unserer französischen Schwesternseite AlloCiné erschienen.

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