
Quentin Tarantino ist nicht nur der Kult-Regisseur hinter Filmen wie „Pulp Fiction“ oder „Kill Bill“ – er ist auch ein glühender Cinephiler, der mit seinen Meinungen über die Kinogeschichte selten hinterm Berg hält. Viele seiner Ansichten sind dabei, nun, mindestens kontrovers. So liebt der 62-Jährige beispielsweise einen Sci-Fi-Flop, der zu den schlechtesten Filmen aller Zeiten gezählt wird. Auch das gemeinhin verschmähte Remake eines Thriller-Klassikers steht hoch in seiner Gunst.
Umgekehrt verachtet Tarantino einen Meisterregisseur, der übrigens ganze vier (!) Oscars gewonnen hat – und damit mehr als jeder andere Filmemacher vor und nach ihm: Die Rede ist von John Ford, der heute vor allem für seine oft mit John Wayne besetzten Western berühmt ist, darunter „Ringo“, „Der schwarze Falke“ und „Der Mann, der Liberty Valance erschoss“.
Quentin Tarantino hasst John Ford – das ist der Grund!
Tarantino ist bekanntlich ein großer Fan des Western-Kinos – schon in seinen früheren Filmen fanden sich zahlreiche Verweise auf das uramerikanische Genre. Mit „Django Unchained“ (2012) und „The Hateful 8“ (2015) hat er dann schließlich seine eigenen Versionen gedreht. In einem Gespräch mit dem US-amerikanischen Literatur- und Kulturwissenschaftler Henry Louis Gates hat der „Once Upon A Time... In Hollywood“-Schöpfer allerdings unmissverständlich klar gemacht, dass Ford „ganz sicher nicht“ zu seinen Western-Helden gehört.
„Um es milde auszudrücken: Ich hasse ihn“, so Tarantino (via Far Out Magazine). „All die gesichtslosen Indianer, die er wie Zombies abschlachten ließ. Solche Leute haben die Vorstellung einer überlegenen anglo-sächsischen Menschlichkeit gegenüber allen anderen Ethnien aufrechterhalten. Das sieht man gut im Kino der 1930er- und 1940er-Jahre […] – und sogar in den 1950ern war es noch da. Die Idee, dass das Unsinn ist, ist vergleichsweise neu.“
Als weiteren Beleg für Fords fragwürdiges Menschenbild führt der zweifache Oscar-Gewinner die Tatsache an, dass der Regisseur als Statist in D. W. Griffiths berüchtigtem Bürgerkriegs-Epos „Die Geburt einer Nation“ (1915) aufgetaucht ist – als Mitglied des Ku-Klux-Klans.
Eine Beschäftigung mit John Ford lohnt sich dennoch unbedingt
Tarantino mag in einigen Punkten nicht Unrecht haben, und doch greift seine Einordnung zu kurz. Das Bild, das gerade Fords frühere Filme von den amerikanischen Ureinwohnern gezeichnet haben, ist in der Tat vom zeittypischen Rassismus durchzogen, doch in späteren Werken hat er sich an einer differenzierteren Darstellung versucht. Die politische Ausrichtung des Regisseurs war mindestens ambivalent – auf der einen Seite war er sozialdemokratisch geprägt und solidarisierte sich mit Arbeiter*innen, Armen und anderen marginalisierten Menschen (nachzuvollziehen etwa im oscarprämierten „So grün war mein Tal“), auf der anderen Seite war er ausgeprägter Patriot und ein Verfechter von militärischer Disziplin.
Ohnehin lohnt sich unbedingt auch abseits seiner Western eine Beschäftigung mit Ford. Wer tiefer in sein Werk einsteigt, stößt so früher oder später auf poetische, humanistische Meisterwerke wie „Pilgrimage“ (1933) oder „... dann kam der Orkan“ (1937), die einen ganz anderen Blick auf das Œuvre des Filmemachers eröffnen – vielleicht gilt das sogar Quentin Tarantino!
Wenn ihr übrigens wissen wollt, welchen im Vergleich zu Ford kaum bekannten Western-Regisseur Tarantino verehrt, dann lest doch direkt auch den nachfolgenden Artikel:
"Ich kann seine Filme allen zeigen und sie sind umgehauen": Das ist laut Quentin Tarantino der am meisten unterschätzte Regisseur der Kinogeschichte