Bereits mit „Talk To Me“ wusste das Regie- und Brüder-Duo Danny und Michael Philippou zu überzeugen – und ihr Publikum mit einem der heftigsten Genre-Beiträge der letzten Jahre zu schocken. Am 14. August 2025 ist mit „Bring Her Back“ ihr neuer Film in den Kinos angelaufen – der ihr Kino-Debüt sogar noch einmal toppen kann (4,5 Sterne in der FILMSTARTS-Kritik).
FILMSTARTS-Redakteur Stefan Geisler hatte die Möglichkeit, mit den Filmemachern zu sprechen und wollte wissen, wie viel Druck nach dem Erfolg des Vorgängers auf ihnen lastete, wie sie es schaffen, selbst junge Schauspieler*innen zu absoluten Höchstleistungen vor der Kamera zu treiben und ob in uns allen ein Fünkchen pure Bösartigkeit steckt. Doch zuerst muss eine Frage geklärt werden, die uns nach der Darbietung von Sally Hawkins (spielt in „Paddington 1 + 2“ die Ziehmutter des liebenswerten Bären) schon die ganze Zeit unter den Nägeln brannte.

FILMSTARTS: Zunächst einmal muss ich sagen, dass ich nach Sally Hawkins' Auftritt ernsthaft um Paddington Bear besorgt bin. Geht es euch auch so oder bin ich mit meiner Sorge allein?
Danny Philippou: (lacht) Hinter den Kulissen gab es einige Dinge, die passiert sind. Ich weiß nicht, worum es in „Paddington 4“ gehen wird.
Michael Philippou: (lacht) Ja, aber er wird mit Sicherheit furchterregend werden.
Danny Philippou: Was spannend an der Besetzung von Sally war, ist, dass sie so natürlich mütterlich, liebevoll und freundlich wirkt. Und genau so war Laura, bevor diese Tragödie mit ihrer Tochter sie traf und sie in etwas anderes verwandelte. Und es ist so interessant, dass man immer noch diese Einblicke in die Person sieht, die Laura einmal war.
FILMSTARTS: Der zweite Film ist immer der schwierigste, sagt man zumindest. Habt ihr nach dem Erfolg von „Talk to Me“ mehr Druck verspürt?
Danny Philippou: Es war einfach nur Druck. Es war so überwältigend und beängstigend. Es war wirklich schrecklich. Wir mussten sofort etwas unterschreiben, weil ich nicht einfach dasitzen und darüber nachdenken konnte. Sonst hätte ich nie etwas gemacht. Das war also einer der Gründe, warum wir so schnell etwas unterschrieben haben, weil ich Angst hatte.
Michael Philippou: Ja, und ich glaube, das ist eine reale Sache. Ich wusste das nicht, bis wir mit den Dreharbeiten begonnen haben und alle über den Sophomore Slump gesprochen haben [Anm. d. Red.: Der Begriff Sophomore Slump (auf Deutsch etwa „Zweitjahrestief“) beschreibt ein Phänomen, das oft im zweiten Studienjahr oder in der zweiten Saison einer Sportlerkarriere auftritt und einen drastischen Leistungs- oder Motivationsabfall beschreibt].
Danny Philippou: Ich wusste nichts davon.
Michael Philippou: Es gibt so etwas wie den Sophomore Slump. Und deshalb war es so viel schwieriger zu drehen als „Talk to Me“. Es war viel komplizierter. In vielerlei Hinsicht fühlt es sich kleiner an, weil es nur drei oder vier Charaktere gibt, nicht so viele, und es überschaubarer ist, aber in anderer Hinsicht war es viel komplizierter.

FILMSTARTS: Es gibt einige Aufnahmen hinter den Kulissen, die unglaublich fröhlich und unbeschwert sind. Ihr hattet anscheinend eine richtige Party am Set. War das eure Art, mit dem Druck umzugehen?
Danny Philippou: Ich denke, dass alle unsere Sets von Natur aus so sind. Es fühlt sich immer ein bisschen wie eine Party an. Es gibt zwar Druck, aber es ist ein so aufregender und ein so magischer Ort. Man ist auf einem Filmset, umgeben von all diesen Künstlern. Das ist sehr aufregend und wir sind sehr begeistert. Wenn man sich also Aufnahmen hinter den Kulissen von „Bring Her Back“ oder „Talk to Me“ ansieht, ist das genau das Gegenteil von dem, wie der Film ist. Es ist immer wie eine Party.
Michael Philippou: Ja, vielleicht ist es das, eine Möglichkeit, mit dem Druck umzugehen. Aber wir sind so dankbar und glücklich, dort zu sein, und deshalb möchten wir, dass es ein Ort ist, an dem die Leute gerne hingehen und am Set sein wollen. Man hat es ja schon mit einem so schweren Thema zu tun. Man möchte nicht, dass das die Art von Umgebung ist, in die man kommt. Es ist schon schwer genug, einen Film zu drehen. Warum sollte man das noch mit einer negativen Einstellung verschlimmern? Deshalb versuchen wir, am Set eine positive Stimmung aufrechtzuerhalten.

FILMSTARTS: Ihr habt ein besonderes Talent dafür, mit jungen Schauspielern zu arbeiten und sie zu Höchstleistungen anzuspornen. In diesem Fall ist Jonah Wren Phillips zum Beispiel einfach unglaublich. Was ist euer Geheimnis?
Danny Philippou: Wir versuchen mit den Schauspielern wirklich zusammenarbeiten, ihnen ein Gefühl der Sicherheit geben und sie nicht zu etwas zwingen. Zum Beispiel Sora [Wong], die Piper spielt. Sie hat von uns die Möglichkeit bekommen, ihre Zeilen zu ändern. Sie kann sie ändern und ihre Kostüme selbst auswählen. Wir lassen sie wissen, dass es keine schlechten Takes gibt, dass sie niemanden enttäuschen können, dass wir selbst nicht wissen, was wir tun. Wir finden es gemeinsam heraus. Und es geht darum, sicherzustellen, dass der Prozess offen und unterhaltsam ist. Bei Jonah [Wren Phillips] sind seine beiden Eltern Schauspieler. Sie waren also da, um ihm zu helfen, diese Figur zu finden, und damit er sich wohlfühlt. Das macht es wirklich zu einem Ort, an dem sie arbeiten wollen, und sie wollen wirklich, dass das Beste passiert, weil sie so sehr in den Prozess involviert sind.
Michael Philippou: Ich denke, jeder Schauspieler braucht etwas anderes, und es geht darum, mit ihnen zusammenzuarbeiten. Und ich weiß, dass Sora manchmal Angst hatte, es zu vermasseln oder in diesem Moment alles zu ruinieren. Und es geht darum, zu sagen: Wir sind so lange da, wie wir brauchen. Fühl dich nicht unter Druck gesetzt, du musst es nicht beim ersten Mal schaffen. Lass uns das durchgehen. Lass uns darüber reden. Und dann versuchen wir, gemeinsam den besten Weg zu finden. Lass sie einfach nicht den Druck spüren, der mit dem Filmemachen einhergeht. Bleib offen und kooperativ. Es ist immer lohnenswert, mit jungen Schauspielern zu arbeiten, das ist sicher.
FILMSTARTS: Der Horror fühlt sich in „Bring Her Back“ trotz der übernatürlichen Elemente extrem realistisch und irgendwie geerdet an. Eine Pflegemutter, die ihr Kind misshandelt, ist eine grausame Idee. Ist es der alltägliche und unsichtbare Horror, der uns wirklich erschreckt?
Danny Philippou: Ja, genau. Ich denke, wenn wir schreiben, greifen wir immer auf Dinge zurück, die uns wirklich Angst machen. Und die Vorstellung, dass jemand, der eigentlich auf diese Kinder aufpassen soll, andere Pläne hat, ist so erschreckend, oder die Vorstellung, dass ein Therapeut, der all diese Werkzeuge hat, um jemanden zu heilen, genau diese Werkzeuge benutzt, um jemanden zu zerstören. Solche Dinge sind genauso erschreckend wie Dämonen oder Besessenheit. Solche realen menschlichen Dinge sind genauso beängstigend wie jedes Monster, wenn nicht sogar noch beängstigender.

FILMSTARTS: Ich möchte nochmal auf die Figur von Sally Hawkins zu sprechen kommen. Trotz all des Bösen kann man sie einfach nicht vollständig hassen. In der letzten Szene tat sie mir als Mutter wirklich leid. War das euer diabolischer Plan? Die Tatsache, dass es so etwas wie das reine Böse nicht gibt – und man nicht einfach unbeschwert hassen kann?
Danny Philippou: Ja, das ist interessant, weil Laura, bevor all das passiert ist, eine wirklich aufrichtige, schöne Person war. Das hat uns sehr beschäftigt, dass sie immer mit dem kämpft, was sie tun muss, und dass sie eine Figur ist, mit der man sich unbehaglich identifiziert. Ich glaube, das hängt aber wirklich vom Zuschauer ab, denn manche Leute hassen sie immer noch aus tiefstem Herzen.
Michael Philippou: Diese letzte Szene mit ihr, war das erste Mal am Set, dass ich beim Ansehen des Monitors geweint habe, weil es so real und so unverfälscht und so ehrlich war. Sally war so herzzerreißend schön, dass ich einfach nicht anders konnte, als den Monitor anzustarren, zu weinen und Sally zu sagen: „Lass es uns noch einmal machen.“ Weil es einfach so war, als würde man pure Magie auf der Leinwand sehen. Es war unglaublich, wirklich unglaublich.
Danny Philippou: Und allein ihre Schauspielkunst verleiht dieser Rolle automatisch mehr Menschlichkeit. Sie fügt so viele Ebenen hinzu, und das ist es, was sie so bemerkenswert macht.
FILMSTARTS: Glaubt ihr, dass jeder Mensch das Potenzial für absolutes Böses hat, wenn nur der richtige Auslöser gefunden wird?
Danny Philippou: (lacht) Oh mein Gott! Es gibt einige Leute, die ... Nein. Ich glaube, ich glaube, es gibt einige Leute, die das nicht tun würden, die nicht so weit gehen würden.
Michael Philippou: Nun, ich denke, es sind die Umstände. Menschen, die in unglückliche Situationen geraten, tun manchmal schreckliche Dinge. Es gab eine Studie mit Zwillingen, Brüdern, die unter unterschiedlichen Bedingungen aufwuchsen. Einer wuchs unter schrecklichen Bedingungen auf und tat schreckliche Dinge, und der andere in einer anderen Umgebung – und war völlig in Ordnung. Wenn es umgekehrt gewesen wäre, hätten sich dann einfach die Rollen vertauscht?
Danny Philippou: Vielleicht würden wir auf diese Frage alle gerne „Nein“ sagen, aber wenn es uns passiert.... Vielleicht würden wir auch zu der Ritual-VHS greifen...
Michael Philippou: Was ist mit dir? Was würdest du tun? Würdest du versuchen, dieses Ritual durchzuführen?
FILMSTARTS: (lacht) Ich hoffe nicht, aber sag niemals nie!
