Tilda lebt in einem streng getakteten Alltag: Zwischen ihrem Studium, ihrem Job im Supermarkt und der Verantwortung für ihre kleine Schwester Ida bleibt kaum Zeit für sie selbst. Zusätzlich trägt sie die Last, sich um ihre alkoholkranke Mutter zu kümmern – ein Balanceakt, der sie immer wieder an ihre Grenzen bringt. Einen der wenigen Momente der Ruhe findet Tilda im Schwimmbad, wo sie unbeirrt ihre 22 Bahnen zieht.
Als ihr ein Jobangebot in Berlin winkt, das ihre Zukunft entscheidend verändern könnte, steht Tilda vor einer schwierigen Entscheidung: Wer kümmert sich um ihre Familie, wenn sie geht? Inmitten dieses inneren Konflikts tritt Viktor in ihr Leben – gerade zu einem Zeitpunkt, an dem die Situation zu Hause zunehmend außer Kontrolle gerät.
Diese packende Geschichte wurde jetzt verfilmt. Nach dem gleichnamigen Roman von Caroline Wahl erscheint „22 Bahnen“ am 4. September 2025 in den Kinos. Wir können euch das Ergebnis empfehlen: In der offiziellen FILMSTARTS-Kritik gab es für das Drama gute 3,5 von 5 möglichen Sternen.

In den Hauptrollen als Tilda und Viktor sind Luna Wedler und Jannis Niewöhner zu sehen. Im großen FILMSTARTS-Interview sprechen die beiden mit den Redakteur*innen Pascal Reis und Chantal Neumann über die besonderen Herausforderungen einer Romanverfilmung, ihre erneute Zusammenarbeit sowie über die intensiven Dreharbeiten zu den Schwimmszenen.

FILMSTARTS: Wie wichtig ist es für euch, bei einer Romanverfilmung auch die Vorlage zu kennen? Oder reicht euch das Drehbuch?
Luna Wedler: Ich habe ja schon ein paar Romanverfilmungen gedreht und stelle mir jedes Mal wieder die Frage: Lese ich das Buch überhaupt? Und wenn ich es lese, dann zuerst den Roman oder zuerst das Drehbuch? Aber bei „22 Bahnen“ war ganz klar, dass ich die Vorlage lesen werde, denn in der gibt ganz viel inneren Monolog – man erfährt also viel über die Figur, ihre Gedankenwelt und im Fall von Tilda auch ganz viel über ihren Humor. Auch ihr Zuhause beschreibt Caroline Wahl so gut, dass man sich noch besser einfühlen kann. Deshalb war der Roman in diesem Fall zur Vorbereitung ein großes Geschenk.
Jannis Niewöhner: Das ging mir ganz genauso.
FILMSTARTS: Wie habt ihr denn auf die Veränderungen im Vergleich zur Vorlage reagiert? Die größte und schönste Neuerung ist ja wohl die Tokio-Hotel-Szene, in der aus dem Märchenerzählen im Buch das Nachsingen eines der erfolgreichsten Songs aller Zeiten wird…
Luna Wedler: Das ist super, oder? Schlussendlich ist unser Drehbuch unser Drehbuch! Trotzdem hatten wir auch sehr viele Freiheiten: Die Dinge aus dem Buch, die wir lieben, haben wir auch im Film untergebracht. Zudem sind auch ein, zwei Anspielungen versteckt, die man beim ersten Schauen vermutlich gar nicht entdeckt. Manchmal ist es ja enttäuschend, die Verfilmung eines Buches zu sehen, weil man sich beim Lesen ganz andere Bilder und Welten vorgestellt hat. Aber unser Film ist sehr ähnlich – auch einfach von der ganzen Stimmung her. Und jetzt hoffe ich, dass die Fans das auch so sehen.
FILMSTARTS: Ist es eine besondere Herausforderung, wenn man weiß, dass da jetzt ein riesiger Bestseller verfilmt wird? Hat man das immer im Hinterkopf?
Jannis Niewöhner: Den Druck kann man sich machen, muss man aber nicht. Es ist klar, dass so ein Film immer nur der Versuch einer Gruppe von Filmleuten ist, die Geschichte aus ihrer Sicht zu präsentieren. An erster Stelle steht die Regie – und auch wir geben natürlich unseren Teil dazu. Aber man kann ja die Figur nur so spielen, wie man sie selbst empfunden hat – und das wird nicht komplett deckungsgleich sein mit dem, was andere empfunden haben. Wenn man das als Fakt hinnimmt, dann ist es auch einfach zu sagen: „Wir geben einfach unser Bestes – und hinterher kann jeder sagen, was er anders gemacht hätte oder was auch nicht.“ Diesmal ist es gutgegangen: Ganz viel von dem Gefühl, das beim Lesen des Romans entsteht, ist auch im Film.
FILMSTARTS: Was war es eigentlich genau, was euch an dem Buch so begeistert hat, dass ihr dann gesagt habt: „Ja, da will ich dabei sein!“
Luna Wedler: Bei mir war es in erster Linie die Geschwisterliebe. Ich finde es spannend, so etwas auch bei meinen Freunden oder in meinem Umkreis zu beobachten. Das Band, was man zwischen Geschwistern hat, ist untrennbar – eine besonders wertvolle und tiefe Liebe. Man versteht sich ohne Worte. Deshalb hat mich das Schicksal der zwei Schwestern mit ihren komplexen Herausforderungen so angesprochen. Das Buch greift Themen auf, die uns allen nicht fremd sind, es beschreibt eine Welt, in der sich jeder irgendwo auch selbst sieht, weil es sehr authentisch und nah am Leben geschrieben ist.

FILMSTARTS: „22 Bahnen“ ist euer zweiter gemeinsamer Film nach „Je suis Karl“. Was hat sich denn bei dieser Zusammenarbeit verändert?
Jannis Niewöhner: Wir hatten zwischendurch tatsächlich noch eine Zusammenarbeit. Allerdings war das nur ein Drehtag – bei „Allegro Pastell“, ebenfalls einer Romanverfilmung, die nächstes Jahr ins Kino kommt. Nach der intensiven Erfahrung bei „Je suis Karl“ war es zunächst einmal eine sehr befremdliche Erfahrung, sich plötzlich in neuen Rollen gegenüberzusitzen. Das war aber okay, weil unsere Figuren ja sowieso irgendwie so ein leicht weirdes Verhältnis zueinander haben. Bei „22 Bahnen“ hatten wir zudem auch die nötige Zeit zum Proben. Wir sind über all die Jahre und „Je suis Karl“ auch beieinander angekommen und vertrauen uns. „Vertrauen“ sagt sich ja immer so leicht. Aber wenn es da ist, dann stimmt erstmal ganz, ganz viel. Vertrauen ist etwas, was man oft erst einmal über eine längere Zeit aufbauen muss – und dann ist der Dreh manchmal schon vorbei. Wir konnten jetzt direkt damit starten, das war auch wieder ein Geschenk.
FILMSTARTS: Wie schwer ist das eigentlich, sich in eine Figur hineinzufühlen, die emotional so abgeschottet ist wie Viktor?
Jannis Niewöhner: Ich glaube, dass sich auch deshalb so viele Leute mit dem Buch identifizieren können. Es ist ja nicht nur Viktor, der so eine Einsamkeit in Verbindung mit einer gewissen inneren Trauer an sich hat – das ist doch ehrlich gesagt niemandem komplett fremd. Wir alle haben im besten Fall eine Grundempathie, die uns hilft zu verstehen, wie sich das anfühlt, wenn man so allein ist. Ich kenne das und dazu den Wunsch, sich zu verbinden. Auch die Freude, die aufkommt, wenn man so ein Gefühl von Trauer oder Schmerz irgendwie mit einer anderen Person teilen kann. Und manchmal dauert es eben, bis man so eine Person findet. Das geht mir nah, ohne damit sagen zu wollen, dass ich mich selbst immer einsam fühle. Dem ist Gott sei Dank nicht so.

FILMSTARTS: Das Wetter spielt im Buch und im Film eine große Rolle, vor allem die Gewitter. Wie habt ihr das am Set gemacht? Habt ihr auf schlechtes Wetter gewartet – oder gab’s Regenmaschinen …
Jannis Niewöhner: … und dazu noch eine Zwischenfrage: Der Blitz, wenn du und Zoe Fürmann auf dem Feld stehen – war der wirklich da oder wurde der nachträglich eingefügt?
Luna Wedler: Da hat’s richtig gestürmt. Aber ich glaube, da hätten sie uns nicht mehr rausgelassen, wenn das kein Fake-Blitz gewesen wäre. Der Drehtag war so oder so krass. Da hat’s richtig angefangen zu stürmen und es gab dann irgendwann einen Moment, wo wir mit der ganzen Crew die Stangen festgehalten haben, weil sonst das ganze Zelt weggeweht wäre. Das war also nicht fake. Aber im Schwimmbad hatten wir tatsächlich Regenmaschinen.
FILMSTARTS: Wie waren denn die Schwimmszenen überhaupt? Der Sport spielt eine große Rolle im Film: Ist das ein willkommener Ausgleich zum Drehalltag?
Luna Wedler: Das würde ich so nicht sagen. Da muss man schon gerne im Wasser sein. Ich wusste schon beim Lesen: „Okay, das werden sehr viele Schwimmszenen und vor allem auch viele Unterwasserszenen.“ Das ist noch mal eine andere Art zu drehen, die einfach sehr technisch und kompliziert ist. Die Kamera selbst muss unter Wasser und du kannst nicht miteinander reden, das läuft alles irgendwie über Zeichen. Ich habe schon ein paar Mal unter Wasser gedreht und habe deshalb so meine Tricks, wie ich länger unten bleiben kann. Zudem habe ich das Glück, dass ich immer gern geschwommen bin – und auch das Kraulen war mir jetzt nicht fremd. Aber ich habe natürlich noch mal extra trainiert, vor allem wegen der Kondition. Die ganze erste Drehwoche waren wir nur im Freibad.
Jannis Niewöhner: Ich habe mich tatsächlich zwei bis drei Monate vorbereitet, weil ich noch gar nicht kraulen konnte und es komplett lernen musste. Ich hatte aber eine tolle Lehrerin, selbst wenn sie zeitweise an mir verzweifelt ist, weil es so lange gedauert hat. Wenn man solche Sachen als Kind lernt, dann sind die in deinem System – aber als Erwachsener ist das noch mal etwas ganz anderes.
FILMSTARTS: Wie bist du denn vorher immer geschwommen?
Jannis Niewöhner: Einfach mit Brustschwimmen. Das kann ich sehr gut. Habe ich auch für Viktor angeboten, wollte aber keiner. Das wäre nicht so sexy gewesen. Es ging dann halbwegs gut für die erste Drehwoche und dann war das auch geschafft.
FILMSTARTS: Es ist schon krass, wenn man bedenkt, dass die Schwimmszenen im Film vielleicht zehn Minuten einnehmen, man sich aber so darauf vorbereiten muss. Wie lange habt ihr denn im Anschluss „Durch den Monsun“ als Ohrwurm im Kopf gehabt?
Ich muss durch den Monsun...
Luna Wedler: Uiuiui. Ich kannte den Song natürlich und habe ihn rauf und runter gehört. Mit meiner Filmschwester habe ich auch an Drehtagen, wo die Szene noch gar nicht anstand, immer wieder gesagt: „Komm, jetzt singen wir es, damit wir uns dann beim Dreh auch wirklich trauen!“ Irgendwann ist das dann auch bei der Crew angekommen, da hat immer mal wieder angefangen, die Melodie zu summen. Da hat man gemerkt, dass es bei allen jetzt irgendwie im System steckt.
Jannis Niewöhner: Ein durchgehender Ohrwurm beim ganzen Dreh. Ich habe auch mitbekommen, wie es ständig am Set gesungen wurde. Wir haben gerade vor dem Interview noch darüber geredet – und ich habe den jetzt immer noch im Ohr.
FILMSTARTS: Ja, und dann kommt er auch im Abspann nochmal. Wir hatten jedenfalls auch ein paar Tage nach dem Film noch unsere Freude damit…
Übrigens: Auch die Autorin der Romanvorlage hat sich unseren Fragen gestellt. Das FILMSTARTS-Interview mit Caroline Wahl könnt ihr hier lesen:
"Ich war erleichtert und auch stolz": Das FILMSTARTS-Interview mit Autorin Caroline Wahl zum Kinostart von "22 Bahnen"