The Last Rodeo
Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
2,0
lau
The Last Rodeo

(Zu) Selten ein wirklich wilder Ritt

Von Lutz Granert

Religion ist nicht erst seit gestern ein potenziell einträgliches Geschäftsmodell. Die im Mormonen-Staat Utah angesiedelten Angel Studios haben das auch für Film- und Serienproduktionen für sich erkannt und adaptiert: Zahlende Mitglieder der sogenannten Angel Guild entscheiden darüber, welche von Filmemacher*innen gepitchten, in der Regel mit christlichen Werten angereicherten Stoffe realisiert werden sollen – sofern dann anschließend über eine erfolgreiche Crowdfunding-Kampagne das erforderliche Produktionsbudget zusammenkommt. Man mag kritisieren, dass die gläubige Anhängerschaft so gleich doppelt zur Kasse gebeten wird – und zugleich weitestgehend unter sich bleibt, denn abgesehen vom auch den Mainstream erreichenden Megahit „Sound Of Freedom“ bildet die Community dann auch meist den größten Teil des Kinopublikums.

So ist auch eine überragende Publikumswertung von 95% für die Angel-Studios-Produktion „The Last Rodeo“ auf Rotten Tomatoes zu erklären, während die Kritiken zugleich sehr viel durchwachsener ausfielen. Das in den USA mit beachtlichen 2.200 Kopien flächendeckend in den Kinos gestartete Drama von Jon Avnet („Das Baumhaus“) quillt dabei vor ermüdend-erbauenden Dialogen rund um Glauben und Mitmenschlichkeit regelrecht über. Dem gegenüber stehen immerhin packend und zuweilen erfrischend lässig inszenierte Rodeo-Szenen, die in ihren besten Momenten sogar an die späte Fortsetzung einer bekannten Filmreihe mit Hollywood-Superstar Sylvester Stallone erinnern.

Der Ex-Rodeo-Champion Joe Wainwright (Neal McDonough) will es unbedingt noch mal wissen! Kinostar
Der Ex-Rodeo-Champion Joe Wainwright (Neal McDonough) will es unbedingt noch mal wissen!

Der Texaner Joe Wainwright (Neal McDonough) war einst dreifacher Rodeo-Champion, bis er sich vor 15 Jahren nach dem Tod seiner Frau Rose (Ruvé McDonough) und einem folgenschweren Bullenritt im betrunkenen Zustand aus dem gefährlichen Sport zurückgezogen hat. Umso mehr freut er sich, dass sein Enkel Cody (Graham Harvey) in seine Fußstapfen treten will. Nach wiederholten Schwindelanfällen wird Cody jedoch ins Krankenhaus gebracht – Diagnose: Hirntumor! Da Codys Mutter Sally (Sarah Jones) den sechsstelligen Betrag für eine notwendige Operation nicht selbst auftreiben kann, setzt sich Joe mit Unterstützung seines langjährigen Freundes Charlie Williams (Mykelti Williamson) bei der hoch dotierten Legends-Meisterschaft in Tulsa, Oklahoma doch noch ein letztes Mal in den Rodeo-Sattel...

Nobel statt spannend

Der dünne Plot von „The Last Rodeo“ ist bereits nach den ersten 20 Filmminuten weitestgehend abgehakt – und hält anschließend bis zum vorhersehbaren Ende auch keinerlei Widerhaken mehr bereit. Alle gehen in dieser zutiefst konservativ-heteronormativen christlichen Scheinwelt zwischen Ranch, Kernfamilie und betont maskulinen, heißt: schmerzresistenten Männern in Cowboymontur moralisch einwandfrei miteinander um. Existierende Konflikte werden in (viel zu langen und aufgeblasenen) Dialogen nobel aufgelöst. Selbst Joes Jungspund-Konkurrent Billy Hamilton (Daylon Swearingen), mit dem er in einer Kneipe aneinandergerät, entschuldigt sich brav, als er vom Tumor-Schicksal des Enkels erfährt. Für dessen Operation wird dann vom Turnierveranstalter Jimmy (Christopher McDonald) sogar noch fix eine Spendenkampagne bei der Fernsehübertragung des Wettkampfs eingerichtet.

Bei so viel rührseliger Nächstenliebe sorgen die lässig-unverkrampften Szenen beim Rodeo für eine willkommene Abwechslung: Wenn Joe bei einer kurzen Trainingsmontage unter Schmerzen von einem mechanischen Bullen abgeschüttelt wird (eine Szene, in der sich Neal McDonough tatsächlich die Schulter auskugelte), bevor er von Charlie über sein Alter und seinen Gesundheitszustand belehrt wird, werden sogar Erinnerungen an Sylvester Stallones altersweisen Auftritt im späten Sequel „Rocky Balboa“ wach. Auch die packenden Bullenritte in der Arena (angereichert mit realen Aufnahmen der Professional Bull Riders) sowie Frotzeleien in der Umkleide, wenn der oberkörperfreie Joe seinem Konkurrenten als Beleidigung das Trinken von Schokomilch unterstellt, lockern das angestrengt-werthaltige Szenario zumindest etwas auf. Doof nur, dass die Rodeo-Szenen allein schon durch die Regularien (sich für acht Sekunden mit einer Hand auf dem Bullen zu halten, reicht für einen gültigen Versuch) naturgemäß wahnsinnig kurz ausfallen.

Die Rodeo-Szenen sind ganz eindeutig die Highlights von „The Last Rodeo“! Kinostar
Die Rodeo-Szenen sind ganz eindeutig die Highlights von „The Last Rodeo“!

Neal McDonough, der auch an Drehbuch und Produktion beteiligt war, kehrt nach seiner Rolle als eiskalter krimineller Geschäftsmann in „Tulsa King“ wieder einmal den harten Kerl heraus. Trotzdem gelingt ihm die empathische Darstellung eines mit seinem Glauben ringenden Mannes, dem beim Anschauen alter Hochzeitsvideos schon einmal die Tränen in die Augen steigen. (Fun Fact: Der sehr tatsächlich gläubige US-Schauspieler bestreitet hier nach langer Karriere seinen ersten Filmkuss überhaupt, aber das auch nur, weil er seine reale Ehefrau Ruvé McDonaugh in die Arme schließt.)

Aber McDonoughs um Facettenreichtum bemühtes Schauspiel und sein missionierendes Engagement im Abspann (wo er zum Scannen eines QR-Codes und damit zum Kaufen und „Weitergeben“ des Films an andere Menschen aufruft) in allen Ehren: Eine straffere Inszenierung und etwas weniger christliches Brimborium – im letzten Drittel werden sogar Bibelverse vorgelesen und Stoßgebete in den Himmel geschickt – hätten „The Last Rodeo“ aus einer rein filmischen Sicht definitiv gutgetan.

Fazit: Nicht nur bei den packenden Rodeo-Szenen, sondern auch bei den ausgewalzten Dialogen rund um Verantwortung und Glaubenskrisen geht der Blick schnell auf die Uhr. „The Last Rodeo“ findet zwischen lauem Drama und packendem Sport mit Western-Motiven nur selten das Gleichgewicht.

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