Afterburn
Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
3,5
gut
Afterburn

Achtzigerjahre-Muskelhelden auf der Suche nach der Mona Lisa

Von Michael Meyns

Stundenlanges Anstehen, überteuerter Eintritt – und das alles nur, damit man sich das berühmteste Gemälde der Welt in einem völlig überfüllten Raum kurz mal ansehen darf: Paris-Tourist*innen scheuen oft keine Kosten und Mühen, um zumindest in die Nähe der Mona Lisa zu kommen. Insofern überrascht es nicht, dass Dave Bautista in „Afterburn“ etliche Schuss- und Stichverletzungen erduldet und sogar aus einem Flugzeug springt, obwohl er noch nie zuvor einen Fallschirm benutzt hat, nur um an eben jene Mona Lisa zu gelangen.

Ja, das ist tatsächlich der Plot von J.J. Perrys dystopischem Actionfilm, der sich nicht nur wegen seines absurden Konzeptes anfühlt wie ein Film aus den Achtzigerjahren: Muskelprotz Bautista reißt Sprüche, als wäre er der junge Schwarzenegger, während die Action angenehm handgemacht, sehr blutig und fast ohne CGI daherkommt. Und bei aller B-Movie-Herrlichkeit liegt unter der Oberfläche auch noch der ein oder andere spannende Subtext verborgen.

Dave Bautista erinnert nicht nur von der Statur an den jungen Schwarzenegger, auch seine Oneliner zielen in eine ähnliche Richtung! LEONINE
Dave Bautista erinnert nicht nur von der Statur an den jungen Schwarzenegger, auch seine Oneliner zielen in eine ähnliche Richtung!

Wie so oft im Kino ist die Welt auch in „Afterburn“ mal wieder untergegangen: Auf den Ausfall von Strom und Telefon folgte der Zusammenbruch der Ordnung. Auf der britischen Insel hat König August (Samuel L. Jackson) die Herrschaft übernommen. Bei anstehenden Missionen bedient dieser sich regelmäßig der Fähigkeiten des Haudegens Jake (Dave Bautista). Nachdem dieser eine wertvolle Stradivari für das Museum des Königs erbeutet hat, soll Jake als Nächstes die Mona Lisa finden, denn ohne Kultur könne eine Gesellschaft schließlich nicht gedeihen.

Dumm nur, dass sich das berühmteste Gemälde der Welt irgendwo auf dem Festland befindet, denn im guten alten Europa herrschen inzwischen Chaos und Anarchie: Der Warlord Volkov (Kristofer Hivju) unterdrückt mit brutalen Methoden die Menschen in der Region, die einst den Namen Frankreich trug. Dennoch lässt sich Jake auf den Auftrag ein und trifft schon bald auf die Widerstandskämpferin Drea (Olga Kurylenko), die ihn bei der Suche nach der Mona Lisa unterstützt…

B-Movie-Charme mit einem Schuss Hochkultur als besondere Würze

Ein Eindringling hängt kopfüber in einer Schlinge, woraufhin Jack nur ein trockenes „Was hängst du hier rum?“ rausdrückt. Ja, das sind Oneliner, wie man sie aus den guten alten Zeiten des rustikalen B-Pictures kennt, in denen aufgepumpte Actionstars von Arnold Schwarzenegger bis Steven Seagal ohne Rücksicht auf Verluste Krawall machten und nebenbei lässige Sprüche von sich gaben. Mit dem Ex-Wrestler Dave Bautista schickt sich nun ein zeitgenössischer Schauspieler an, diese Fußstapfen zu füllen – und tut dies vom ersten Moment an stilecht, also fast ohne jegliche Mimik.

Allerdings wird die gewohnte B-Movie-Rustikalität in „Afterburn“ augenzwinkernd mit Hochkultur konterkariert: Gleich in der ersten Szene öffnet Jack einen Tresor, indem er als musikalisches Passwort ein Allegro abspielt und so an eine wertvolle Geige gelangt. Im Anschluss steht ihm direkt eine Horde finsterer Kerle gegenüber, die definitiv zu viel „Uhrwerk Orange“ geschaut haben, dann aber schnell zu Fetzen geschossen bzw. gesprengt werden.

Samuel L. Jackson als britischer König? Die Rolle hat in seiner langen, vielseitigen Karriere tatsächlich noch gefehlt! LEONINE
Samuel L. Jackson als britischer König? Die Rolle hat in seiner langen, vielseitigen Karriere tatsächlich noch gefehlt!

Von Beginn an erweist sich Regisseur J.J. Perry („The Killer’s Game“) als Mann fürs Grobe, der keinerlei Gefangenen macht. Zunächst vor allem als Stuntman oder Martial Arts Coordinator bekannt, dreht er inzwischen schnörkellose Actionfilme, in denen es kracht und rummst wie in alten Zeiten. Gedreht wurde „Afterburn“ in der Slowakei, was gut zu der anarchischen Welt passt, in der die Geschichte spielt. Eine kurze Sequenz deutet zu Beginn nur lose einen Sonneneruptionen-Background an, der die Welt überhaupt erst ins Chaos gestürzt hat.

Das gesamte europäische Festland scheint sich zu einer gesetzlosen Region entwickelt zu haben, in der der Stärkere herrscht und Widerstandsgruppen die Rebellion planen. Dass die Handlung überwiegend im ehemaligen Frankreich spielt, lässt einerseits an den Zweiten Weltkrieg denken, dass der Oberbösewicht Volkov unzweideutig slawisch, um nicht zu sagen: russisch konnotiert ist, an die Gegenwart der östlichen Grenzen Europas, vor allem an die Ukraine.

Egal ob gewollt oder purer Zufall: spannender Subtext!

Und so wird aus der Mission, die Jake anfangs nur aus egoistischen Gründen annimmt (ihm wurde ein Segelboot und damit die Freiheit versprochen), bald ein Kampf zwischen Gut und Böse: „Wenn wir Volkov nicht bekämpfen, tut es niemand“, hält Drea Jake einmal vor und fordert ihn auf, nicht einfach nur seine Mission zu erfüllen, sondern sich für sie und den Widerstand einzusetzen. Laut Drehbuch ist Drea zwar Französin, doch dass die Rolle mit Olga Kurylenko besetzt wurde, sorgt für eine interessante Vermischung aus Fiktion und Realität: Das ehemalige Bond-Girl („Ein Quantum Trost“) wurde nämlich im ukrainischen Berdjansk geboren, einer Stadt am Asowschen Meer, die seit Beginn von Putins Krieg von Russland besetzt ist.

Egal ob das Zufall ist oder nicht, verleiht es „Afterburn“ eine Unmittelbarkeit, die anfangs nicht unbedingt zu erwarten war. Auch wenn der Film im Kern nicht mehr ist und auch nicht mehr sein will, als ein schnörkelloser, harter Actionfilm, verleihen ihm solche Subtexte eine besondere Qualität. Ähnlich wie zuletzt „28 Years Later“ spielt „Afterburn“ zwar in einer fiktiven, dystopischen Zukunft, doch gerade die Konnotationen zur Gegenwart und zu aktuellen Konflikten machen solche Filme zu unterschwelligen Allegorien, die an der Oberfläche reine Unterhaltung sein mögen, in deren Subtext aber dennoch eine ganze Spur mehr mitschwingt.

Fazit: Mit „Afterburn“ zementiert Dave Bautista seinen Status als moderner B-Picture-Held, der hier mit knackigen Sprüchen und schwerer Bewaffnung durch eine dystopische Welt zieht, um eine zunächst reichlich absurd klingende Mission zu erfüllen, die sich am Schluss aber doch noch zum gewohnten Kampf zwischen Gut und Böse ausweitet. Ein altmodischer, weitestgehend handgemachter Film, der sich wohltuend vom modernen CGI-Overkill abhebt.

Möchtest Du weitere Kritiken ansehen?
Das könnte dich auch interessieren