Der Film zum besten Trailer des Jahres!
Von Christoph PetersenNatürlich wurde die Nachricht in Horrorkreisen mit großer Freude aufgenommen, als im Januar 2024 offiziell ein dritter Teil der „28 Days Later“-Reihe angekündigt wurde. Zumal die Original-Schöpfer – Regisseur Danny Boyle und Autor Alex Garland – für „28 Years Later“ zurückkehren sollten, nachdem beim ersten Sequel „28 Weeks Later“ (2007) zwischenzeitlich der Spanier Juan Carlos Fresnadillo die Zügel übernommen hatte. Aber die anfängliche Vorfreude ist ein Fliegenschiss im Vergleich zum Hype, der nach der Veröffentlichung des Trailers losgebrochen ist: Vor allem eine verstörende Radioansprache – das Marschgedicht „Boots“ von Rudyard Kipling, vorgetragen vom Stummfilmstar Taylor Holmes – ging vielen nicht mehr aus dem Kopf.
Kein Wunder also, dass „28 Years Later“ bei den 25. Golden Trailer Awards gleich drei Preise abgeräumt hat – darunter den genreübergreifenden Hauptpreis „Best In Show“ für den Besten Trailer des Jahres. Im Film selbst erweisen sich das „Boots“-Gedicht ebenso wie viele weitere eingebaute historische Bild- und Ton-Aufnahmen nur als eines von vielen inszenatorischen Elementen, mit denen Danny Boyle seiner Endzeit-Dystopie eine beinahe experimentelle Note verleiht. Schon „28 Days Later“ hat damals die Grenzen der aufkommenden Digitaltechnik ausgelotet – und 23 Jahre später scheint der Oscarpreisträger damit noch lange nicht fertig zu sein.
Das Rage-Virus konnte nach den Geschehnissen aus „28 Weeks Later“ zwar wieder von Europa nach Großbritannien zurückgedrängt werden, aber seitdem steht die Insel unter absoluter Quarantäne. Niemand, der auch nur einen Fuß auf sie gesetzt hat, wird mehr an der Seeblockade vorbeigelassen. Auf der – übrigens real existierenden – Insel Lindisfarne, die nur bei Ebbe über einen schmalen Damm erreichbar ist, hat sich deshalb in den vergangenen 28 Jahren eine eingeschworene Dorfgemeinschaft gebildet: Die knappen Ressourcen stehen zwar allen zur Verfügung, aber es stehen auch überall Schilder, sie nur mit Bedacht zu verwenden. Das gilt sogar für die öffentliche Dusche, an der in selbstgemalter Schrift steht: „Bitte kurzhalten.“
In der Regel werden die örtlichen Kinder mit 14 bis 16 erstmals mit aufs Festland genommen, um dort ihren ersten Kill eines Infizierten „feiern“ zu können. Jamie (Aaron Taylor-Johnson) ist allerdings besonders ehrgeizig, was seinen Sohn angeht, und nimmt den zwölfjährigen Spike (Alfie Williams) schon jetzt mit auf die Jagd. Dabei hat der eigentlich mit anderen Problemen zu kämpfen: Seine Mutter Isla (Jodie Comer) leidet seit einiger Zeit nicht nur an schweren Kopfschmerzen, sondern auch an immer schlimmeren Demenzerscheinungen. Aber Dr. Kelson (Ralph Fiennes), der einzige Arzt in der Nähe, gilt in der Dorfgemeinschaft als verrückt…
In einem Interview mit Vanity Fair erklärte Danny Boyle, warum er und Alex Garland nach all der Zeit zu der Reihe zurückgekehrt sind: „Es gab zwei Dinge, die wir unbedingt einbauen wollten: Brexit und die Teletubbies.“ Nun lässt sich in die postapokalyptische Isolationswelt aus „28 Years Later“ eine Menge hineinlesen, wegen der zeitlichen Nähe vor allem zur COVID-19-Pandemie. Aber am meisten gibt wahrscheinlich wirklich die Brexit-Parallele her, schließlich haben die auf sich zurückgeworfenen Bewohner*innen von Lindisfarne ja nur das bekommen, für das so viele Brit*innen im Juni 2016 gestimmt haben. Eine ausgesprochen zynische Sicht der Dinge, die …
… aber trotzdem nicht mal halb so fies ist wie die Integration der Teletubbies: In der eröffnenden Rückblende wird eine Gruppe von Kindern vor einem Fernseher geparkt, wo Tinky-Winky, Dipsy, Laa-Laa und Po gerade ihre lustigen Tänze vorführen. Aber im Rest der Wohnung feiern die Erwachsenen nicht etwa eine Party, stattdessen scheint auf der anderen Seite der Tür die pure Panik zu herrschen, die sich immer mehr auch auf die Kinder ausweitet, ganz egal, wie tapfer sie auch versuchen, weiter ihren aggressiv-fröhlichen TV-Lieblingen zuzuschauen – und dann spritzt das Blut, das sich auf dem Fernsehschirm besonders deutlich von der neonfarbenen Welt der Teletubbies abhebt.
Danny Boyle („Slumdog Millionär“) und Alex Garland („Ex Machina“) machen also definitiv keine Gefangenen, wenn es um den Einsatz von Gewalt geht – das ist schon nach den ersten fünf Minuten so klar wie Kloßbrühe. Aber was ebenso schnell deutlich wird: Auch in Sachen Inszenierung geht der ohnehin experimentierfreudige Regisseur keinerlei Kompromisse ein! Wo „28 Days Later“ bereits vor 23 Jahren an der Spitze der Digitaltechnik stand, hat Boyle den neuen Film nun – trotz eines kolportierten Budgets von stolzen 75 Millionen Dollar – zu weiten Teilen mit iPhone 15 Pro Max Geräten gedreht. Im extremen 2.76:1-Format kamen teilweise bis zu 20 iPhones gleichzeitig zum Einsatz, um in den Kill-Szenen einen kostengünstigen Bullet-Time-Effekt zu erzielen.
Dank dieser Do-It-Yourself-Variante der legendären „Matrix“-Sequenz können die Einschüsse (meist Pfeile, manchmal Kugeln) aus sämtlichen Perspektiven bestaunt werden. „28 Years Later“ steckt voller solcher kleinen und großen Sperenzchen – und da der Trailer eben dermaßen durch die Decke gegangen ist, wird es spannend zu sehen sein, wie ein breites Mainstream-Publikum auf diese bewusst eingesetzte Low-Budget-Ästhetik reagieren wird. Wobei es auch einige Einstellungen gibt, die wirklich über jeden Geschmack und jeden Zweifel erhaben sind – vor allem eine nächtliche Szene, wenn Spike und Jamie auf dem bereits halb versunkenen Damm vor einem Alpha-Zombie (ja, ich weiß, streng genommen sind es „Infizierte“) fliehen, während sie das Universum in Gestalt des nordlichtdurchzogenen Sternenhimmels im Hintergrund regelrecht zu verschlucken scheint.
Da sich der Film ja schon allein aufgrund seiner FSK-Freigabe an erwachsene Zuschauer*innen richtet, ist es erfreulich, dass „28 Years Later“ sein Publikum allgemein nicht für dumm verkauft: Die ersten Zombies, die wir kennenlernen, sind so fett, dass sie sich zu krabbelnden Schweinen zurückentwickelt haben. Sie fressen Regenwürmer und quieken wie Ferkel, wenn sie ein Pfeil in den Hals trifft. Sehr viel später, als ebensolche Zombies Spike und Isla im Schlaf überraschen, beißen sie jedoch nicht sofort ins Fleisch, sondern knabbern erst einmal an den Schnürsenkeln herum. Warum das brillant ist? Denkt selbst darüber nach.
Die Story von „28 Years Later“ zerfällt unterdessen ein wenig in zwei Hälften: Spike zieht zunächst mit seinem Vater und dann mit seiner Mutter los – und dabei gibt’s dann halt die üblichen Begegnungen mit anderen Überlebenden oder verschiedenen Zombie-Typen, wie man es aus dem Endzeit-Genre eben gewöhnt ist. Trotz des inzwischen doch recht ausgelutschten Szenarios sind Alex Garland – von einem Zombie-Baby bis zum spektakulären Knochentempel – dann aber doch genügend faszinierende Details eingefallen, um „28 Years Later“ selbst 23 Jahre nach „28 Days Later“ und 47 Jahre nach „Zombie – Dawn Of The Dead“ auch abseits der knalligen Inszenierung erstaunlich frisch erscheinen zu lassen.
Fazit: „28 Years Later“ fügt zwar dem Endzeit-Zombie-Genre inhaltlich nichts grundlegend Neues hinzu, trotzdem macht der Film – speziell mit seinem inszenatorischen Einfallsreichtum und einem konsequenten Gore-Level – definitiv Lust auf mehr. Zumal die letzten fünf Minuten bereits sehr vielversprechend anteasern, wie die gesamte Tonart in „28 Years Later: The Bone Temple“ (Kinostart: Januar 2026, Regie: Nia DaCosta) noch einmal radikal umschwenken könnte.